Schilder auf dem Prüfstand
Der Verfassungsgerichtshof befasst sich mit Verkehrsschildern.
Tempolimits, Fahrverbote und andere Verkehrszeichen stehen für Verordnungen. Damit diese wirken, müssen sie korrekt kundgemacht sein, die Tafeln also auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise angebracht sein. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hatte jüngst eine kleine Serie von Kundmachungsproblemen zu prüfen, mit dem Ergebnis, dass zwei Raser einer Bestrafung entgehen – wenn auch nur vorläufig.
Dass solche Fälle vermehrt vor den VfGH kommen, hat seinen Grund in einer Judikaturwende. 2017 hat der VfGH erstmals entschieden, dass Verordnungen, die zumindest ansatzweise richtig kundgemacht sind, für alle verbindlich sind, solange er sie nicht aufhebt. Bis 2017 konnten/mussten Verwaltungsgerichte mangelhaft kundgemachte Verordnungen einfach unangewendet lassen.
Tafel neben Radweg ungültig
156 statt 80 km/h fuhr ein Autofahrer auf der Mondseestraße – und wurde erwischt. Mit 500 Euro Strafe war aber das letzte Wort nicht gesprochen: Der Mann beschwerte sich gegen dieses Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts OÖ beim VfGH. Er argumentierte, die 80-Ende-Tafel habe nicht, wie vorgeschrieben, maximal 2,5 m neben der Fahrbahn, sondern erst neben einem parallel verlaufenden Geh- und Radweg 4,7 m entfernt gestanden. Laut VfGH war die Verordnung nicht gehörig kundgemacht und aufzuheben (V22/2019), wie auch die Strafe. Das Verwaltungsgericht muss jetzt über „nur“56 km/h zu viel entscheiden.
Ein Schild zu wenig an der A2
Auf der Autobahn müssen Verbotszeichen in der Regel beiderseits (oder über) der Fahrbahn angebracht sein; ab zwei Fahrstreifen könnte eine Tafel nur rechts beim Passieren von einem anderen Fahrzeug verdeckt sein. Das kam einem Raser zugute, der auf der A2 mit 165 statt mit – bei Nässe – erlaubten 100 km/h unterwegs war. Auf Antrag des Landesverwaltungsgerichts Steiermark hob der VfGH dieses Tempolimit auf; die Kundmachung nur rechts, noch dazu irgendwo innerhalb des betroffenen Streckenabschnitts und nicht am Beginn, war gesetzwidrig (V71/2018). Mit der Verordnung fällt die Strafe (vorerst).
Um 86 Meter versetzt platziert
Verkehrszeichen können nicht nur seitlich zu weit weg, sondern auch in Längsrichtung falsch stehen. So geschehen auf der B317 im Bezirk Murau: Dort stand das Zeichen „Fahrverbot Ende für Lkw“– ausgenommen war der Ziel- und Quellverkehr – 86 Meter von dem in der Verordnung angegebenen Standpunkt entfernt. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark bezweifelte deshalb, dass die Bestrafung eines Lkw-Fahrers durch die BH Murau Bestand haben konnte. Wie der VfGH bestätigte, war die Nichtübereinstimmung der verordneten mit der kundgemachten Grenze gesetzwidrig (V61/2018).
Fußgängerzone klar genug
Ein Autofahrer, der in der Fußgängerzone auf dem Nikolaiplatz in Graz erwischt worden war, wehrte sich gegen seine Bestrafung: Das Schild „Fußgängerzone Ende“an der Ecke Nikolaiplatz/ Arche Noah sei von einem Parkautomaten verdeckt gewesen, und daher nicht für alle Verkehrsteilnehmer leicht und rechtzeitig erkennbar. Das konnte der VfGH nicht bestätigen: Im Hinblick auf die örtlichen Verhältnisse sei das Zeichen gut genug erkennbar gewesen; dazu komme, dass das Ende der Fußgängerzone auch schräg gegenüber durch ein Verkehrszeichen ausgeschildert gewesen sei (V45/2018).