Kreuzfahrt auf der Donau
Was an den Klischees zum Fluss-Tourismus stimmt.
So lang wie etwa zehn Reisebusse ist die River Princess, die am Ufer der Donau ruht. Die Maßeinheit drängt sich auf: Die Busspur direkt neben den Kreuzfahrtschiffen, die hier angelegt haben, ist gut gefüllt. Gestern war das Schiff noch in Passau, jetzt bilden die Passagiere eine lange Schlange an Deck – sie wollen Wien sehen.
Vor der Princess warten vier Busse auf die rund 150 Touristen aus dem Bauch des Schiffes. Einer der Hotelmanager steht an der Reling und verabschiedet seine Gäste mit breitem Lächeln. „Heute Früh sind wir in Wien angekommen“, erzählt er. „Am Abend werden die Gäste wieder nach Hause fliegen.“
Durchschnittlich zwei Tage bleiben die Touristen in Wien. Rund 369.000 Menschen kamen so 2018 über den Wasserweg in die Bundeshauptstadt, verteilt auf 2408 Kabinenschiffe. Und es werden mehr – vor fünf Jahren gingen noch etwa 260.000 Touristen am Personenhafen neben der Reichsbrücke an Land.
Gleichzeitig hat die Branche ein Imageproblem. In Städten wie Venedig protestieren Einheimische gegen die Touristenschiffe. Die Österreichische Hoteliervereinigung kritisierte zuletzt auch die Entwicklung des Kreuzfahrttourismus in Wien. Wie sehr belastet der Flusstourismus die Wiener? Sechs Klischees im Check.
„Die Busse verstopfen die Straßen“
Um etwa neun Uhr holen die meisten Busse die Touristen bei den Anlegestellen neben der Reichsbrücke ab. Ronald Schrems, Geschäftsführer von Donauraum Wien, sieht bei der Stückelung dringend Verbesserungsbedarf. „Es kann ja auch nicht jeder Flieger gleichzeitig starten“, sagt er. „Wir werden uns noch heuer mit den Geschäftsführern der Reedereien treffen und versuchen das Ganze zu entflechten.“Außerdem schwebt Schrems eine begrenzte Busanzahl vor. Dass es durch den Touristentransport zu Staus etwa im Bereich des Handelskai kommt, kann Harald Lasser vom ÖAMTC aber nicht bestätigen: „Uns sind hier keine Probleme bekannt.“
„Die Gäste belagern die Innenstadt“
Ziel der meisten Busse ist die Wiener Innenstadt. „Die Innenstadt ist nun einmal für Touristen der größte Anziehungspunkt in Wien“, sagt Fremdenführerin Gerti Schmidt, Chefin der Fachgruppe Freizeitund Sportbetriebe in der Wiener Wirtschaftskammer. „Das Angebot hat sich aber mittlerweile um ein Vielfaches aufgefächert.“Die Reedereien würden der TourismusKonzentrierung in der Innenstadt gegensteuern – und nun auch vermehrt Tanzkurse, Radausflüge und Touren auf die Märkte anbieten.
„Kreuzfahrttouristen geben kein Geld aus“
Erst nach dem Frühstück auf dem Schiff brechen die Gäste auf. Die Reedereien bieten zusätzlich kostengünstig Halb- und Vollpension an. „Die Wertschöpfung eines Flusskreuzfahrttouristen ist nicht so hoch wie bei einem Gast, der in der Stadt nächtigt“, so ein Sprecher von Wien Tourismus. „Das heißt aber nicht, dass es gar keine gibt.“
Die Hoteliervereinigung sieht den Konsum kritisch. „Merkliches Geld bleibt keines da“, so ein Sprecher. Dass die Touristen in der Stadt kein Geld ausgeben, habe sich verändert, sagt Schmidt dazu: „Ja, die Leute frühstücken an Bord. Zu Mittag fahren die meisten aber nicht mehr aufs Schiff, sondern bleiben in der Stadt.“Außerdem sei Wien oft der erste oder letzte Stopp der Kreuzfahrten: „Die Leute aus Übersee nächtigen vor und nach der Reise in Wiener Hotels.“Die Flusskreuzfahrt müsse oft als „schwarzes Schaf“herhalten, findet Schmidt. Man vergesse, dass es neben den Reedereien auch andere Profiteure gebe: die Stadt Wien, die Liegegebühren erhält, Busunternehmen oder Gastronomie.
„Die Anrainer werden vom Lärm gestört“
In eine Schublade mit Städten wie Venedig oder Barcelona könne man Wien nicht stecken, sagt Schrems. Trotzdem: Wöchentlich bekomme er Anrufe von Anrainern, die sich über Lärm und Gestank durch die Schiffe beschweren. Für Schrems ist dies schwer nachvollziehbar: „Die Schiffe stinken nicht – der Motor ist eingekapselt. Und besonders laut finde ich sie auch nicht.“Schrems plädiert für ein „vernünftiges Miteinander“. Der grünen Bezirksvorsteherin der Leopoldstadt, Ursula Lichtenegger, sind heuer drei schriftliche Beschwerden bekannt. „Wir hören aber immer wieder in Gesprächen mit Anrainern, dass sie sich wegen der Busse gestört fühlen.“Lichtenegger möchte gemeinsam mit Donauraum Wien ein langfristiges, neues Konzept erarbeiten: „Etwa, indem wir für die Touristen die öffentlichen Verkehrsmittel attraktiver machen.“
„Kreuzfahrtschiffe verschmutzen die Umwelt“
Auch Umweltschützer stören die Kreuzfahrtschiffe. Die Abgase, die durch die Verbrennung von Schweröl entstehen, belasten das Klima. „Die weltweite Schifffahrt ist für 22 Prozent der gesamten Stickoxid-Emissionen verantwortlich“, sagt Jasmin Duregger von Greenpeace. Einige wenige Schiffe betreiben den Motor mittlerweile mit dem umweltfreundlicheren Flüssiggas.
Der Naturschutzbund Deutschland veröffentlichte kürzlich ein Kreuzfahrtranking mit den Schiffen, die am wenigsten schädliche Abgase erzeugen: Große Anbieter wie Aida und Costa schnitten hier am besten ab. Aber: „Auch dieses Flüssiggas ist weiterhin ein vollständig fossiler Brennstoff, der teilweise mit erheblichen Eingriffen in die Umwelt gewonnen wird“, so der Naturschutzbund. „Strengere gesetzliche Regelungen, die bessere Abgastechnik und sauberere Kraftstoffe verlangen, fehlen“, kritisiert Duregger.
„Nur ältere Menschen machen Kreuzfahrten“
Der Anbieter Donautouristik hat das Alter der Flusskreuzfahrtgäste in Wien erfragt: Bei kürzeren Fahrten liegt der Durchschnitt bei etwa 53 Jahren. Die Passagiere auf längeren Strecken, wie Passau–Wien, sind im Schnitt 65 Jahre alt. Das ändere sich aber gerade, so Schrems. „Die Passagiere werden im Schnitt immer jünger und damit auch unternehmungslustiger.“Hier sieht er großes Potenzial, wie man den Busverkehr eindämmen kann: „Die jungen Gäste fahren nämlich häufiger mit der U-Bahn in die Stadt.“