ÖVP ist „keine One-Man-Show“
Salzburgs Landeshauptmann, Wilfried Haslauer, über Kurz und seine Dreierkoalition.
Die Presse: In Salzburg gibt es eine Koalition zwischen ÖVP, Neos und Grünen. Wie funktioniert die Zusammenarbeit? Wilfried Haslauer: Gut. Wir haben eine gute menschliche Ebene miteinander, wir versuchen, unaufgeregt Sachpolitik zu machen, und lernen voneinander.
Was lernen Sie voneinander? Dass man zu unterschiedlichen Fragen unterschiedliche Zugänge haben kann. Ich habe schon alle möglichen Koalitionsvarianten erlebt: Bei der großen Koalition, RotSchwarz, ging es immer nur darum, Recht zu haben, sich durchzusetzen. Dabei ging unheimlich viel Energie in parteitaktischen Spielen auf. Das machen wir jetzt anders. Wir alle hinterfragen auch unsere eigenen Standpunkte und Prioritäten. Dadurch entsteht eine sehr lebendige Diskussion. Natürlich sind wir uns nicht in allem einig, aber das machen wir uns untereinander aus und nicht in der Öffentlichkeit.
Das klingt fast idyllisch. Wäre so eine Dreierkoalition dann nicht auch das ideale Modell auf Bundesebene? Ich würde es nicht ausschließen, aber letztlich hängt alles von den einzelnen Persönlichkeiten und den Stärkeverhältnissen ab. Man kann unsere Situation nicht 1:1 auf die Bundespolitik übertragen, denn wir haben einen entscheidenden Vorteil: Die großen ideologisch besetzten Fragen wie etwa Erbschaftssteuer oder Gesamtschule müssen wir auf Landesebene nicht lösen. Das macht vieles einfacher. Letztlich werden Sebastian Kurz und seine Verhandlungspartner über die Konstellation entscheiden.
Ich nehme an, bevor der Parteiobmann eine Entscheidung fällt, wird er auch seine Landeshauptleute um Rat fragen? Das wird er sicher tun, er wird uns auch laufend über den Fortgang der Koalitionsverhandlungen informieren, und wir werden wahrscheinlich auch inhaltlich einbezogen werden. Die endgültige Entscheidung fällt ohnehin in diversen Parteigremien.
Gibt Sebastian Kurz der Meinung der Landeshauptleute genügend Gewicht? Ja, die Kommunikation hat eine Qualität, die ich bisher nicht gekannt habe. Er ist jederzeit erreichbar, ruft auch sofort zurück und informiert uns über Vorhaben. Daraus resultiert diese Geschlossenheit der ÖVP. Ich weiß schon, nach außen mag man den Eindruck haben, Sebastian Kurz mache, was er wolle, das Ganze wäre eine OneMan-Show. Aber dem ist nicht so. Er stimmt sich mit uns ab, und damit werden wir Teil seiner inhaltlichen Botschaft. Das hat auch dazu geführt, dass es nun – im Gegensatz zu früher – nicht mehr diese Zurufe aus den Ländern gibt.
Aber wie war das denn am 18. Mai, dem Tag nach dem Bekanntwerden des Ibiza-Videos? Laut einem Bericht des „Standard“waren es die ÖVP-Landeshauptleute, die sich strikt weigerten, mit Innenminister Herbert Kickl weiterzumachen. Nicht Kurz. Meine Wahrnehmung ist eine andere. Uns allen war sofort bewusst, dass Heinz-Christian Strache gehen muss. Die Rolle von Kickl wurde uns erst beim zweiten Nachdenken klar. Das Video mit diversen Aussagen zu Parteispenden war vor der Wahl aufgenommen worden. Da war Kickl Generalsekretär. Dass es zu Ermittlungen kommen würde, lag auf der Hand – und damit auch, dass Kickl nicht Innenminister bleiben konnte.
Davon mussten Sie Kurz nicht erst überzeugen? Nein, gar nicht.
Die Finanzen der ÖVP sind in den vergangenen Tagen ein großes Thema gewesen. Die ÖVP soll die höchst verschuldete Partei in Österreich sein. Das wissen wir doch gar nicht. Sie verstehen sicher, dass ich nichts zu Informationen sage, die von einem rechtswidrigen Hackerangriff stammen. Was ich aber sagen kann, ist, dass die Finanzen der Bundespartei konsolidiert sind. Nach unserer Planung werden wir 2024 schuldenfrei sein.
Zweifeln Sie an der Richtigkeit der im Umlauf befindlichen Daten? Ich kann diese Daten nicht beurteilen, ich bin nicht der Buchhalter der Bundespartei. Die Problematik bei Hackerangriffen ist ja nicht nur, dass Daten abgesaugt, sondern auch, dass sie dabei manipuliert werden können – sogar im Netz der Partei. Es ist extrem mühsam herauszufinden, was richtig und was falsch ist.
Die Zeitschrift „Falter“berichtete von hohen Kosten für Veranstaltungen, Styling, Berater und einem Flug von Kurz mit einem Privatjet. Haben diese Berichte zu Diskussionen in der ÖVP geführt, wofür man Geld ausgeben sollte und wofür besser nicht? Nein. Denn wenn Veranstaltungen finanziert werden, dann ist das eine PR-Maßnahme, die zum politischen Geschehen dazugehört. Wenn Kosten für Styling und ähnliche Geschichten aufgewendet werden, ist das der Tatsache geschuldet, dass wir in einer medialen Gesellschaft leben. Und zu den Vorwürfen, Sebastian Kurz sei mit dem Privatjet geflogen, kann ich etwas sagen, weil ich dabei war: Das war an dem Sonntag, an dem Landtagswahlen in Kärnten stattgefunden haben. Da musste Kurz hin, keine Frage. Aber schon am Montag gab es einen offiziellen Besuch beim Papst im Vatikan, zu dem ich ihn begleiten konnte. Ohne Privatflugzeug wäre es unmöglich gewesen, rechtzeitig in Rom zu sein. Und bezahlt hat den
ist seit 2013 Landeshauptmann von Salzburg. Sein Vater hatte das Amt von 1977 bis 1989 inne. Haslauer junior regiert in einer Dirndlkoalition (Schwarz, Grün, Pink) . Der ÖVP-Politiker ist in dritter Ehe verheiratet und Vater von vier Kindern. Flug die Partei, nicht die Bundesregierung, aber das wird nicht hinausgetragen. Es werden auch viele andere Fragen nicht gestellt, die mir sehr wichtig erscheinen.
Welche? Wer hat Interesse, ausgerechnet und nur die Daten der ÖVP zu hacken? Wer gibt so eine Aktion in Auftrag? Das kostet ja Hunderttausende Euro. Wo sind wir in Österreich, dass in einer Wahlauseinandersetzung solch kriminelle Handlungen passieren? Das halte ich für das eigentlich Problematische. Und welche Straftaten werden noch passieren, um die Wahlen in diesem Land zu beeinflussen? Werden bald Angehörige bedroht oder sogar entführt? Wo endet die Eskalation? Darüber sollten wir diskutieren! Für mich ist dieser Hackerangriff ein Dammbruch und kein Kavaliersdelikt.
Das behauptet ja auch niemand. Peter Pilz hält ihn allerdings für vorgetäuscht. Gut, das finde ich grotesk. Woher sollte der „Falter“denn die Daten haben? Aber generell, die öffentliche Empörung über den Hackerangriff ist nicht sehr groß. Nicht einmal bei den anderen Parteien, die – sofern sie nicht selbst dahinterstecken sollten – ja auch befürchten müssen, einmal Opfer eines Hackerangriffs zu werden. Und noch etwas: Die Berichterstattung des „Falter“erweckt den Anschein eines hohen moralischen und ethischen Impetus. Gleichzeitig verwendet der Falter“völlig bedenkenlos Informationen, die aus einer Daten-Diebstahlsaktion stammen. Das ist in Wahrheit Datenhehlerei!
Es sei nicht möglich gewesen, zu überprüfen, ob die Daten durch eine strafbare Handlung gewonnen worden sind, sagt dessen Chefredakteur zur „Presse“. Er vermute, wisse es aber nicht. Der „Falter“habe die Echtheit der Daten überprüft, überdies wären die Infos für die Öffentlichkeit von hohem Interesse. Man kann den Ansatz vertreten, Informationen von hohem öffentlichen Interesse müssten auch dann der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, wenn sie auf illegale Weise beschafft worden sind. Nur: Was ist öffentliches Interesse? Eine Blumenrechnung? Eine Friseurrechnung? Dann wird das Feld schon sehr breit.