Koalitionsbedingung: Woran eine Regierung scheitern kann
Verhandlungen. ÖVP und FPÖ richten sich gegenseitig die meisten Bedingungen für eine Zusammenarbeit aus.
Der Sozialsprecher der SPÖ, Josef Muchitsch, überraschte am Sonntagabend in der ORF-Sendung „Im Zentrum“: Der von Türkis-Blau eingeführte Zwölf-Stunden-Tag müsse zurückgenommen werden. Das sei eine „Koalitionsbedingung“bei den Regierungsverhandlungen, so der Gewerkschafter. Koalitionsbedingung: Eine solche spricht normalerweise nur die Parteispitze aus. Und alle Parteien gehen sparsam damit um – aus gutem Grund: Engen solche Festlegungen doch den Spielraum bei Koalitionsverhandlungen gehörig ein. Und das wollen Parteistrategen tunlichst vermeiden – auch wenn das, was vor einer Wahl gesagt wird, danach oft nicht mehr ganz ernst genommen wird. Neben den deklarierten Koalitionsbedingungen gibt es auch etliche, die sich aus den Programmen der Parteien ergeben, nämlich inhaltliche Festlegungen, über die man nicht so einfach hinwegkommt. Was heißt das nun für jene Koalitionsvarianten, die aufgrund der derzeitigen Umfragedaten realistisch scheinen?
ÖVP, FPÖ. Die FPÖ wirbt massiv um die Wiederaufnahme der türkis-blauen Koalition, auch ÖVP-Chef Sebastian Kurz betont immer wieder, wie zufrieden er mit der Arbeit der früheren Regierung war. Und trotzdem sind es gerade diese beiden Expartner, die sich gegenseitig die meisten Koalitionsbedingungen ausrichten. Die ÖVP hat zwei Bedingungen genannt, die sich beide an die FPÖ richten, nämlich ein Verbot der Identitären und dass Herbert Kickl nicht mehr Innenminister werden darf. Das verlangte Verbot der Identitären ist ein klares Signal an die FPÖ, gibt es doch etliche ideologische wie personelle Berührungspunkte zwischen den beiden Bewegungen. Die Freiheitlichen haben auch schon abgewinkt, während die SPÖ bei einem Vorschlag, der die Grundrechte berücksichtigt, gesprächsbereit wäre.
Umgekehrt nennt die FPÖ als Bedingung, dass das Innenministerium wieder von den Freiheitlichen besetzt wird. Parteichef Norbert Hofer will auch an Herbert Kickl als Minister festhalten, dies allerdings ist keine Koalitionsbedingung der FPÖ. Als weitere Koalitionsbedingung hat die FPÖ eine spürbare Erhöhung des Heeresbudgets genannt, wohl nicht zufällig, nachdem ÖVPChef Kurz dieser Forderung eine Absage erteilt hatte. Dass eine Koalition daran scheitern könnte, ist allerdings unwahrscheinlich, haben doch die Freiheitlichen nicht beziffert, was „spürbar“genau heißt. Und auch die ÖVP hat in den vergangenen Tagen ein höheres Verteidigungsbudget in Aussicht gestellt. Keine Bedingung, aber eine zentrale Forderung wird für die Freiheitlichen bei den Verhandlungen die Stärkung der direkten Demokratie sein: Schon vier Prozent der Wahlberechtigten sollen per Volksbegehren eine Volksabstimmung auslösen können.
ÖVP, SPÖ. Die Forderung von Muchitsch ist die einzige Koalitionsbedingung, die sich diese beiden Parteien bisher gegenseitig ausgerichtet haben. Und da ist unsicher, ob der Gewerkschafter das auch mit der Parteiführung abgesprochen hat. Die Knackpunkte für diese beiden Parteien sind aber offensichtlich: Die Regierungspolitik der Türkisen ist in vielen Punkten sozialdemokratischen Vorstellungen diametral entgegengesetzt. Das betrifft nicht nur die Arbeitszeitregelung, sondern auch die Reform der Sozialhilfe und der Sozialversicherungsanstalten. Auch in puncto Steuerreform müssten divergierende Konzepte angeglichen werden. Am offensichtlichsten ist der Widerspruch da bei den von der SPÖ gewünschten Erbschafts- und Schenkungssteuern.
ÖVP, Neos, Grüne. Welche Koalition sich ausgeht, hängt vom Wahlergebnis ab. Möglicherweise reicht der ÖVP ein Partner, also Grüne oder Neos, laut den derzeitigen Umfragedaten ist aber nur eine Koalition in einer Dreierkonstellation machbar. Die Grünen nennen gar keine Koalitionsbedingungen, sie wollen zuerst einmal zurück in den Nationalrat und dann offensiv sondieren. Von den Neos gibt es eine explizit ausgesprochene Koalitionsbedingung, nämlich mehr Transparenz bei der Parteienfinanzierung. Weiters müssten Schwerpunkte bei Bildung und Entlastung gesetzt werden, sagt Generalsekretär Nick Donig.
Aber natürlich gibt es vor allem in der Dreierkonstellation noch mehr inhaltliche Hürden für eine Zusammenarbeit als zwischen ÖVP und SPÖ. So müssten die Grünen in einer Koalition auf einen Kurs in puncto Klimaschutz bestehen, der für den Wirtschaftsflügel der ÖVP nur schwer machbar wäre. Dagegen könnten bei Wirtschaftsthemen ÖVP und Neos relativ leicht auf eine einheitliche Linie kommen. Schwierig wird es bei Sozialthemen zwischen allen drei Parteien (auch zwischen Neos und Grünen). Und schwer lösbar wird der Migrationsbereich, in dem Grüne und Neos Maßnahmen der früheren Regierung rückgängig machen wollen, was für die ÖVP kaum machbar ist.