Jerome Powell in der Bredouille
Mit der Federal Reserve wird die wichtigste Notenbank am Mittwoch wohl erneut die Zinsen senken. Einzig: So wirklich recht machen kann es Fed-Chef Jerome Powell den wenigsten.
Der Druck ist enorm: Nachdem die Europäische Zentralbank die Geldschleusen weit aufgerissen hat, der Handelskrieg zwischen den USA und China nach wie vor ungelöst ist und der globale Ölmarkt wegen des Anschlags auf saudiarabische Felder teils daniederliegt, hat die US-Notenbank Fed fast schon keine andere Wahl, als bei ihrem Treffen am Mittwoch neuerlich die Zinsen zu senken.
Das sieht auch Donald Trump so, der ohnehin seit Monaten eine Zinsreduktion um gleich einen Prozentpunkt oder mehr fordert. Die Zurufe des US-Präsidenten haben Jerome Powell, dem Mann an der Fed-Spitze, per Mandat egal zu sein. Schließlich hat sich die Notenbank dem Kongress, und nicht dem Weißen Haus, zu verantworten. Und trotzdem: Spurlos gehen Trumps Tweets an Powell nicht vorbei. Immer wieder wird er darauf angesprochen, laufend muss er seine Unabhängigkeit betonen.
Tatsächlich steckt Jerome Powell in der Bredouille. Einen weiteren Zinsschritt um einen Viertelpunkt auf eine Spanne von 1,75 bis zwei Prozent hat er schon nach der letzten Senkung Ende Juli mehr oder weniger direkt angedeutet. Die Reduktion ist an den Aktienmärkten zum großen Teil eingepreist. Lässt die Fed nun aus, droht ein Kursgemetzel.
Gleichzeitig sollte eigentlich genau das irrelevant sein. Eine möglichst hohe Beschäftigung und eine Inflationsrate von knapp unter zwei Prozent: Einzig und allein dafür hat die Fed zu sorgen. Die US-Konjunktur läuft immer noch rund, die Arbeitslosenrate liegt nahe des niedrigsten Niveaus seit 50 Jahren. Die Teuerung lag im August bei 1,7 Prozent. Rechnet man Lebensmittel und Energie heraus, waren es 2,4 Prozent. So gesehen spricht nichts für eine Zinssenkung.
Dessen sind sich auch viele Börsianer bewusst. Vor einem Monat gingen noch 100 Prozent der Marktteilnehmer von einer Reduktion im September aus, ein Viertel erwartete ein Minus um 0,5 Prozentpunkte. Nun glaubt immerhin ein Drittel der Händler, dass Powell dieses Mal noch untätig bleiben wird. Mit einem radikalen Schritt um mehr als einen Viertelpunkt rechnet niemand mehr, da kann der Präsident noch so laut schreien.
„Jay Powell und die Fed haben keine Ahnung“, schrieb Trump zu Wochenbeginn und forderte: „Große Zinsreduktion und Stimulus!“ Das Weiße Haus sorgt sich auch um den Wechselkurs – schließlich schadet der starke Dollar den Exporteuren, weil er US-amerikanische Produkte im Ausland teurer macht. Die Fed würde das so nie sagen, doch natürlich behält auch Powell die Währung im Auge, weil der Wettbewerbsnachteil der Wirtschaft schaden könnte.
Sollte es tatsächlich, wie von vielen Ökonomen erwartet, zu einer Verlangsamung der Konjunktur oder gar zu einer Rezession kommen, hat die Fed noch ein ganz anderes Problem: Ihre Munition könnte nicht ausreichen. Vor den letzten drei großen Rezessionen – Anfang der 1990er, Anfang der 2000er und im Zuge der Finanzkrise vor zehn Jahren – senkte die Notenbank die Zinsen jeweils um fünf Prozentpunkte oder mehr. Aktuell liegt der Leitzins zwischen 2,0 und 2,25 Prozent.
Manche Ökonomen fordern deshalb eine gemäßigte, präventive Zinsreduktion, um eine etwaige Rezession, die man ohnehin nicht ausreichend bekämpfen könnte, abzuwenden. Auch Powell dürfte in etwa so denken, weshalb ein Minus um 0,25 Punkte am wahrscheinlichsten ist. Jedoch ist es gut möglich, dass der Fed-Chef vorerst keine weiteren Senkungen in Aussicht stellt. Ganz glücklich werden deshalb am Ende nur wenige sein.