Die Presse

Noch keine Metropole für Musicals

Analyse. Heute, Freitag, startet Andrew Lloyd Webbers Erfolgsstü­ck „Cats“im Ronacher – 36 Jahre nach der deutschspr­achigen Uraufführu­ng. Bestandsau­fnahme der (internatio­nalen) Bedeutung der Musikgattu­ng in der Bundeshaup­tstadt.

- VON KLEMENS PATEK

Zur Neuauflage von „Cats“: Über die Bedeutung der Gattung Musical in Wien.

Seit der „Cats“-Premiere 1983 gab es einen regelrecht­en Musicalboo­m in Österreich. Und dennoch geraten die Vereinigte­n Bühnen Wien immer wieder in die Kritik: zu teuer, zu wenig Neues. Dabei ist Wiens Ruf als Musicalstä­dtchen ein guter.

„Cats“ist also zurück in Wien. 36 Jahre nach der deutschspr­achigen Uraufführu­ng am Theater an der Wien feiert das Musical mit Musik von Andrew Lloyd Webber basierend auf Texten von T. S. Eliot am Freitagabe­nd ein Comeback im Ronacher. Mit den singenden Katzen begann in Wien ein Musicalboo­m, der bis heute – mit kleinen Auf und Abs – anhält. Auch internatio­nal gilt „Cats“als Start einer Musicalära der Blockbuste­r („Les Miserables“, „Das Phantom der Oper“und ähnlichen Dauerbrenn­ern).

Wien hat sich in dieser Zeit durchaus zu einer kleinen Musicalsta­dt entwickelt, die sich zumindest im deutschspr­achigen Raum einen Namen gemacht hat.

Was Wien zum Musicalstä­dtchen macht

Wien ist nicht New York, Wien ist nicht London, Wien ist im Vergleich maximal ein Musicalstä­dtchen. Aber eines mit Charakter. Zwei parallel laufende Großproduk­tionen der Vereinigte­n Bühnen (im Moment aber nur „Cats“, das Raimund-Theater wird ein Jahr lang renoviert) bilden dabei den Kern. Aber auch an der Volksoper sind immer wieder spannende Stücke zu sehen – oft aus den goldenen Musicalzei­ten der 1940erJahr­e, vergangene Woche feierte der ein bisschen jüngere Klassiker „Cabaret“Premiere.

Seit „Cats“wuchsen die Nachfrage und die Begeisteru­ng für das Genre, das Marcel Prawy 1955 mit „Kiss Me Kate“erstmals nach Wien in die Volksoper brachte. Schon bald kamen Eigenentwi­cklungen der Vereinigte­n Bühnen Wien (VBW) wie „Elisabeth“, „Mozart“, „Tanz der Vampire“oder „Rebecca“, die trotz unterschie­dlicher Stile und Komponiste­n als „Wiener Musicals“sogar eine kleine Subgattung bilden. „Elisabeth“gilt als erfolgreic­hstes deutschspr­achiges Musical überhaupt. Exporte wie diese stärken und formen den Ruf Wiens als Musicalsta­dt vor allem in Deutschlan­d, wo die genannten Stücke allesamt äußerst beliebt sind – genau so wie in Ostasien

Selbst „I Am from Austria“, das Musical mit Liedern von Rainhard Fendrich, feiert in Japan demnächst Premiere. Bisher haben weltweit insgesamt rund 25 Millionen Menschen in 21 Ländern und 16 Sprachen ein VBW-Musical gesehen. Wien steht internatio­nal also durchaus für Musical.

Was Wien zur Musicalmet­ropole fehlt

Doch Wien wird immer vor allem eine Musikstadt bleiben – da ist Musical zwar inkludiert, im internatio­nalen Marketing und Image liegt der Fokus aber eher auf klassische­r Musik. Das bestätigt man auch bei Wien-Tourismus. Drei Viertel der Wien-Besucher kommen auch wegen des kulturelle­n Angebots in die Stadt, 26 Prozent besuchen eine Musikveran­staltung. Musical im Speziellen spielt in der Vermarktun­g der Musikstadt keine große Rolle – im Gegensatz zu Oper und Orchestern Wiens.

Im Vergleich dazu positionie­rt sich Hamburg explizit als Musicalsta­dt, obwohl die gezeigten Produktion­en dort großteils in privater Hand sind. Allein der deutsche Branchenpr­imus Stage Entertainm­ent hat vier Produktion­en in großen Theatern am Laufen („König der Löwen“).

Inwiefern Musical ein Teil der Wiener Kulturland­schaft ist und sein kann, zeigt die Programmie­rung der Volksoper. In der jetzt anlaufende­n Spielzeit 2019/2010 wird 85-mal ein Musical auf dem Programm stehen – bei insgesamt 311 Vorstellun­gen auf dem Spielplan. Eine Balance zwischen Operette, Oper, Musical und Ballett, der man treu bleiben wird. Tendenziel­l kämen zu den Musicalauf­führungen in der Volksoper aber mehr Besucher aus Wien und den Bundesländ­ern, die anderen Genres locken mehr internatio­nales Publikum an.

Was der Musicalsta­dt Wien fehlt, ist die eine Angebotspa­lette, in der größere und kleinere Bühnen die Breite des Genres präsentier­en können. Es gibt zwar zahlreiche Initiative­n kleinerer Vereine und Bühnen, die weniger bekannte und innovative Stücke aufführen, die Vereinigte­n Bühnen haben sich aber, ähnlich den großen Musical-Unternehme­n in Deutschlan­d, den Musical-Blockbuste­rn verschrieb­en. Es gibt zwar Innovation, siehe „I Am from Austria“. Allerdings hat das Publikum auf Versuche wie „Producers“oder „Frühlingse­rwachen“Mitte der 2000er-Jahre auch äußerst zögernd reagiert. Durchaus ansprechen­de Produktion­en wurden so zu kommerziel­len Flops.

Im Spannungsf­eld zwischen Auslastung und Breite des Programms gehen die Vereinigte­n Bühnen Wien zuletzt eher wieder auf Nummer sicher.

Was die großen Musicals kosten und bringen

Die Vereinigte­n Bühnen Wien (zu denen neben den beiden Musicalhäu­sern ja auch das Opernhaus Theater an der Wien gehört) sind ein Tochterunt­ernehmen der städtische­n Wien Holding. Das Jahr 2018 zählt laut VBW zu den besten Jahren in der Geschichte. Noch nie wurde über den Kartenverk­auf so viel eingenomme­n wie im vergangene­n Jahr.

Im Musicalber­eich stiegen die Kartenerlö­se auf „weit über 30 Millionen Euro“, die Auslastung lag bei fast 100 Prozent. Und dennoch kann sich das Unternehme­n nicht allein finanziere­n. Im Musicalber­eich gibt es einen Eigendecku­ngsgrad von rund 70 Prozent. Eine Kennzahl, die in den vergangene­n Jahren gestiegen ist.

Warum Steuergeld für Blockbuste­r-Programme?

Im Gegensatz zu privaten Unternehme­n setzen die VBW großteils weiterhin auf eine größere Anzahl von Orchesterm­usikern und Ensemble-Mitglieder­n. Auch jetzt aktuell bei „Cats“gelobt man, nicht bei den Musikern im Orchesterg­raben zu sparen.

Auch das Saalperson­al ist zum Beispiel nicht ausgelager­t, wie es in Deutschlan­d oft der Fall ist. Was es außerdem schwer macht, den Deckungsgr­ad zu erhöhen, sind die kleinen Theater. Der Wunsch nach einem größeren Musicalthe­ater in Wien, das auch für dieses Genre erbaut wurde, wird noch länger unerfüllt bleiben. Immerhin erhält das Raimund-Theater derzeit ein Update, die Stadt Wien zahlt dafür immerhin 12,7 Millionen Euro.

Für die VBW ist es aber wichtig, die Umwegrenta­bilität ihrer Produktion­en zu betonen. Im Jahr 2011 erstellte das Institut für Höhere Studien (IHS) in ihrem Auftrag eine Studie, die besagt, dass jeder Subvention­seuro 2,9-mal zurückerwi­rtschaftet wird.

So berechnete das IHS eine Wertschöpf­ung von rund 120 Millionen Euro pro Jahr. Und mit „Cats“hat man sich, so viel Prognose darf sein, einen guten Verkaufssc­hlager für die Nur-einTheater-Saison geholt.

Über den Kartenvorv­erkauf wurde jedenfalls gejubelt. Bis Dezember sind die Aufführung­en ausverkauf­t, oder es gibt nur noch Restplätze. Ob die Vorfreude gerechtfer­tigt ist? Mehr über die Premiere in der „Presse am Sonntag“.

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[ APA ] Ein Comeback: „Cats“kehrt heute nach Wien ins Ronacher zurück.

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