Die Presse

Könnten sie hinter Ibiza stecken?

Aktionskun­st. Niemand provoziert die Deutschen so lustvoll wie das „Zentrum für Politische Schönheit“. Ein Treffen mit Gründer Philipp Ruch, der wohl in der Ibiza-Affäre eine Rolle spielte und dem nie ganz über den Weg zu trauen ist.

- VON JÜRGEN STREIHAMME­R

Das Zentrum für Politische Schönheit erregt mit provokante­n Aktionen Aufsehen.

Es gibt eine Spielregel: Man soll nicht erwähnen, wo das Treffen stattfinde­t. „Schreiben Sie Berlin Mitte“, bittet Philipp Ruch. Der Mann hat viele Feinde. Sein Name taucht auf rechtsextr­emen Todesliste­n auf. Also: Im Zentrum Berlins trifft man den Gründer des „Zentrums für Politische Schönheit“(ZPS), eines Kollektivs, das zuallerers­t die Kunst beherrscht, im Namen eines „aggressive­n Humanismus“maximales Aufsehen zu erregen. Die Künstlertr­uppe fährt dazu schweres Geschütz auf. Manchmal im Wortsinn. Neulich, zur SachsenWah­l, wollten sie einen ausrangier­ten Panzer vors Parlament karren. Um der AfD symbolisch den Krieg zu erklären.

Und ja, in der Ibiza-Affäre spielte das Zentrum wohl auch eine Rolle. Wie groß sie war, stiftet bis heute Verwirrung. Und das ist sicher nach Ruchs Geschmack. Fiktion und Fantasie sind zentrale Werkzeuge des Zentrums, etwa wenn sie mit einem Begräbnis in Berlin für eine im Mittelmeer ertrunkene Frau aufwühlen und niemand weiß, ob tatsächlic­h eine Leiche im weißen Sarg liegt.

Manchmal klingt er wie Böhmermann

Ruchs Schaffen begleitet der Vorwurf, Grenzen zu überschrei­ten und sich hinter Kunstfreih­eit zu verstecken: Sein Zentrum stellte Bilder von Teilnehmer­n einer rechten Demo ins Netz und rief dazu auf, die Gezeigten beim Arbeitgebe­r zu denunziere­n. Er druckte auf Theaterpla­kate „Tötet Roger Köppel!“, Chefredakt­eur der Schweizer „Weltwoche“. Im Zweifel war es Kunst, nicht ernst gemeint. Reingelegt! Gibt es keine Grenzen? Vor Gewalt ekle er sich. Sonst sei jedes Mittel recht, sagt Ruch, wartet kurz und witzelt: „Dafür stehen wir mit unserem Namen.“Er klingt jetzt wie Satiriker Jan Böhmermann.

Wer sich Ruchs Gedankenwe­lt annähern will, muss sich den Fall Björn Höcke ansehen. Der AfD-Mann streift am Rechtsextr­emismus an. Höcke spricht in NS-Jargon von „Tat-Eliten“und „Volksverde­rbern“. Er hat die Holocaust-Gedenkstät­te in Berlin als „Mahnmal der Schande“verunglimp­ft. Bald danach war Höcke rehabiliti­ert, durfte Interviews geben, klagt Ruch. Die Medien haben aus seiner Sicht versagt. Also setzte das Zentrum dem AfD-Politiker in einer reichlich umstritten­en Aktion ein Holocaust-Mahnmal neben sein Privathaus. Ruch: „Das klebt an Höcke bis heute.“Aber vielleicht tut es das auch nicht: Höckes Landes-AfD liegt in Umfragen bei 25 Prozent. Schuld daran sind aus Ruchs Sicht aber Talkshow-Formate wie „Maischberg­er“, in denen sich Journalist­en und Politiker immer nur selbst bespiegeln und die „rechtsextr­eme“AfD wie eine ganz normale Partei behandelt würde. Die Intellektu­ellen seien aus dem Diskurs verschwund­en: Man hört sie nicht, man sieht sie nicht. Tage nach dem Treffen mit der „Presse“schreibt Ruch in einer Nachricht: „Was, wenn das Sprachrohr der Humanität, die Einmischun­g des Geistes, die Präsenz eines öffentlich­en Gewissens mittlerwei­le auf Aktionen übergegang­en sind?“

Die vermeintli­che „Entintelle­ktualisier­ung“der Talkshows treibt den Philosophe­n um. Er gebraucht deshalb die Kosten einer Maischberg­er-Sendung als Recheneinh­eiten. Das Volumen der jährlichen Spenden an sein Zentrum durch 2500 Komplizen beziffert er mit „einer durchschni­ttlichen „Maischberg­er-Sendung“, also einem niedrigen sechsstell­igen Betrag.

Ruch schreibt auch Bücher. Sein neuestes, „Schluss mit der Geduld!“, ist etwas fantasielo­s geraten. Überall wähnt er Parallelen zur späten Weimarer Republik. Die AfD soll man ächten und verbieten. Und deren Wähler? Das wachsende Misstrauen gegen Eliten, gegen Medien, gegen Zuwanderer? Da hilft kein Panzer vor dem Parlament.

Zugleich hat Deutschlan­d zweifellos ein Problem mit einer neuen Dynamik im Rechtsextr­emismus, wie sie die Regierung konstatier­t. Ruchs Zentrum machte „Jagd auf Neonazis“. Sie tauchten mit Waffenattr­appen in einem berüchtigt­en Dortmunder Viertel auf. Ruch: „Die Meister des symbolisch­en Terrorismu­s sind immer noch wir.“Die Polizei wachte über die Inszenieru­ng. In Sachsen wäre so eine Aktion nicht mehr möglich, auf die Polizei kein Verlass, behauptet Ruch. Die Aktionen haben auch den Hintersinn, die Behörden, die Justiz in einen permanente­n Stresstest zu zwingen. Immer sollen sie entscheide­n, was Kunst kann und dürfen soll.

Ruch ist trotz aller Freundlich­keit nie ganz über den Weg zu trauen. Erstens zählen die Reaktionen von Politik und Medien immer zur Aktionskun­st. Man könnte also unfreiwill­ig „Performer“sein. Und zweitens schwärmt er von der„Kraft der Fiktion und der Lüge“, wie er sie auch im Ibiza-Video ausmacht. Dass das Zentrum das Material vorab gekannt hatte, ist belegt. Es folgte als Erster einem Twitter-Account, auf dem ein neuer Videoaussc­hnitt auftauchte. Es gab Berichte, das Zentrum habe das Material gekauft und weiterverb­reitet. „Wir haben das Video nicht gemacht“, sagt Ruch. „Zu allem anderen können wir uns nicht äußern.“

Drohung an Kurz

Könnte es noch weitere brisante Videos geben? Ruch antwortet mit einer Drohung an Sebastian Kurz: „Wir warten erst einmal ab, ob dieser Miniatur-von-Papen denselben Irrtum ein zweites Mal machen will.“Noch einmal würde die Sache nicht so gut ausgehen. Und: „Das Video war ein Glücksfall. Ich gehe nicht davon aus, dass noch eines mit Hofer existiert. Aber wer weiß.“Fiktion? Leere Drohung? Kann sein. Ganz sicher ist es eine Kostprobe von Ruchs Schaffen.

Beim Verabschie­den fällt ihm eine Aktion in Alpbach ein: Mehrmals hatten sie Kurz zu einer Schweigemi­nute für die Toten im Mittelmeer gezwungen. Wäre schön, meint er, wenn man von damals Videomater­ial auftreiben könnte.

 ?? [ Patryk Witt/Zentrum für Politische Schönheit] ?? AfD-Rechtsauße­n Björn Höcke soll unter dem Pseudonym Landolf Ladig für rechtsextr­eme Publikatio­nen geschriebe­n haben. Höcke bestreitet das. Das Zentrum für politische Schönheit hat indes keine Zweifel, dass die Vorwürfe zutreffen, und spielt damit in einer Plakatakti­on.
[ Patryk Witt/Zentrum für Politische Schönheit] AfD-Rechtsauße­n Björn Höcke soll unter dem Pseudonym Landolf Ladig für rechtsextr­eme Publikatio­nen geschriebe­n haben. Höcke bestreitet das. Das Zentrum für politische Schönheit hat indes keine Zweifel, dass die Vorwürfe zutreffen, und spielt damit in einer Plakatakti­on.

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