Peter Pilz und das Prinzip Angriff
Porträt. Verlassen von den Mitstreitern, im Umfragetief, kämpft Peter Pilz um den Wiedereinzug ins Parlament. Zuvor nützt er dort noch die Bühne für seine Lieblingsrolle – als Aufdecker.
„Das wird wild heute“, sagt Peter Pilz, während er schnellen Schritts von der Parteizentrale der Liste Jetzt in das nahe Übergangsquartier des Parlaments in der Hofburg geht. In der Stimme schwingt eine gewisse Vorfreude mit. Vorfreude auf den heutigen Auftritt. Dass der Nationalrat an diesem 19. September tagt, verdankt er Pilz’ Dringlicher Anfrage zum Hackerangriff auf die ÖVP-Server. „Die haben das selbst inszeniert“, sagt er im Gehen, während er die Zahnpasta der jungen Neos-Werber ablehnt. „Werdet’s selber sauber.“
Aber zur ÖVP: Er habe Hinweise, dass die Partei des „Altkanzlers“nicht Ziel eines Hackers, sondern eines Maulwurfs war, der den „Falter“mit Infos zu ihren Wahlkampfkosten fütterte. Die ÖVP habe anschließend selbst den Datenabfluss als Hack inszeniert. Das sei nur eines der Details, die er heute im Parlament ans Kunstlicht bringen wolle. Sagt’s und verschwindet im Plenarsaal. Die 88. Sitzung des Nationalrats beginnt.
Peter Pilz ist Langzeit-Abgeordneter. Aber er ist auch Wahlkämpfer, und aktuell rennt er um seine Wiederwahl. Die Liste Jetzt liegt seit Mai, als der von ihr mitgetragene Misstrauensantrag gegen die Regiewunken und gesagt: „Wir wählen Sie, Sie sind so gut im Fernsehen.“Gerade habe er ein E-Mail einer früheren FPÖ-Parlamentsmitarbeiterin bekommen. Sie sei nach Ibiza tief enttäuscht von ihrer Partei, die in der Opposition noch sauber und rebellisch war, und werde ihn für seinen Aufdeckerkurs wählen. Ähnliches höre er von einigen Sozialdemokraten. Seine Wähler, das seien „Leute, die gegen Machtmissbrauch sind“.
Und was bekommen sie, sollte der Einzug ins Parlament gelingen? Es ist eine Mischung aus linkem Gedankengut und Lawand-Order-Politik. Im Wahlkampf setzt man auf so unterschiedliche Themen wie Tierschutz, die Erhöhung der Fleischsteuer, den Kampf gegen radikale Hassprediger und das Kopftuchverbot. „Kontrolle und Korruptionsbekämpfung sind aber immer das Hauptthema“, betont Pilz.
Dass die Staatsanwaltschaft am Ende dieses Sitzungstages bei den Parlamentariern um seine Auslieferung ansuchen wird, nennt er das „Risiko, wenn man die Kontrolle ernst nimmt“. Anlass ist eine Anzeige wegen Verleumdung von Sektionschef Christian Pilnacek. Er ist einer der Namen neben Kurz, Kickl, Benko oder Haselsteiner, gegen die Pilz in den vergangenen Wochen besonders scharf schoss. Konkret hatte er Pilnacek eine „Orbanisierung“der Justiz und die Unterbindung von Verfahren vorgeworfen. „Ich werde sehr zu Recht ausgeliefert und ich freue mich auf das Verfahren, ich habe die Gegenklage vorbereitet“, sagt Pilz. Ganz neu ist ihm die Prozedur nicht. „50, vielleicht 100“Prozesse habe er geführt. An Niederlagen könne er sich nicht erinnern – „wenn, waren das kleine“.
Dieser Donnerstag geht für ihn gemischt aus. „Es gibt keine Anhaltspunkte für die Vortäuschung einer strafbaren Handlung“, widerspricht ihm Justizminister Clemens Jabloner sofort nach seiner Rede. Die ÖVP kritisiert sein „Kartenhaus der Verdächtigungen“und spricht ihm eine Befähigung für eine Zweitkarriere als IT-Techniker ab. Die anderen Parteien, vor allem SPÖ und FPÖ, greifen den Angriff dagegen dankbar für eigene Mutmaßungen auf.
Peter Pilz hat noch eine gute Woche Wahlkampf- und Auftrittszeit. Sollte er am 29. September scheitern, wäre er einer der längstgedienten Abgeordneten mit der kurzlebigsten Partei. Sollte er den Einzug schaffen, wäre es nicht das erste Mal, dass Medien verspätet auf der Feier eintreffen, weil viele nicht so recht an den Sieg des ehemaligen Grünen glaubten.