Die Presse

Gleicher Inhalt, anderer Name? London ringt mit dem Backstop

Großbritan­nien/EU. Die britische Regierung legt erstmals ihre Überlegung­en zum alternativ­en Austrittsa­bkommen schriftlic­h vor.

- VON MICHAEL LACZYNSKI

Ist ein Ausweg aus der Brexit-Sackgasse in Sicht? Diese Frage stellten sich am gestrigen Donnerstag viele Beobachter des Ringens um den Austritt Großbritan­niens aus der EU. Neu erweckt wurden die Hoffnungen durch die britische Regierung, die gestern ihre Vorschläge zum Austrittsa­bkommen nach Brüssel übermittel­t hat. Wobei „Vorschläge“ein zu großes Wort ist, denn bei den Dokumenten handelt es sich um sogenannte Non-Papers – also unverbindl­iche Diskussion­sgrundlage­n.

Diese Diskussion­en sollen auf Experteneb­ene am Freitag geführt werden, kündigte die EU-Kommission an. Zugleich werden Michel Barnier, der Brexit-Unterhändl­er der EU, sowie sein britisches Gegenüber, Stephen Barclay, in Brüssel parlieren. Über den Inhalt der „Nicht-Papiere“und die Erfolgsaus­sichten hüllte sich die Brüsseler Behörde in Schweigen. Fest steht jedenfalls, dass die EU bis Ende September belastbare Vorschläge erwartet – ansonsten sei die Scheidung im Unfrieden am 31. Oktober nicht zu vermeiden, ließ der finnische EU-Ratsvorsit­z zuletzt wissen.

Die Angelegenh­eit ist nicht zuletzt aufgrund der britischen Innenpolit­ik heikel: Mit seinem Verspreche­n, die Backstop-Klausel für Nordirland aus dem Austrittsv­ertrag zu kippen, hat sich Premier Boris Johnson in eine Sackgasse manövriert. Der Backstop ist eine Rückversic­herung: Sollten Großbritan­nien und die EU nicht imstande sein, sich auf ein Freihandel­sabkommen zu einigen, sorgt er dafür, dass die Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland offen bleibt – indem entweder das ganze Vereinigte Königreich oder nur Nordirland wirtschaft­lich an die EU gekoppelt bleibt.

Die aktuelle Version des BrexitVert­rags beinhaltet die große Backstop-Variante. Johnson würde gern zur abgespeckt­en Nordirland­Variante wechseln. Sein Problem: Auch der Schmalspur-Backstop bleibt ein Backstop – dessen Streichung er den britischen Wählern versproche­n hatte.

Möglicher Ausweg ist eine Umbenennun­g. Die britischen Vorschläge sollen dem Vernehmen nach darauf abzielen, Nordirland zu einer Art Sonderwirt­schaftszon­e zu deklariere­n, in der andere Regeln gelten als in Großbritan­nien – was, je nach Ausgestalt­ung der Zoll-, Steuer- und Produktvor­schriften, dem Backstop gleichkäme, aber anders heißen würde.

Flankieren ließe sich das Manöver durch Verweise darauf, dass London und Brüssel nach dem Brexit genug Zeit hätten, um eine einvernehm­liche Lösung zu finden. In ebendieses Horn stieß Barclay am Donnerstag: Man habe Zeit bis Ende 2020, um sich eine Alternativ­e einfallen zu lassen, sagte der Brexit-Minister. Für die EU gilt allerdings: Der Backstop – oder ein Äquivalent – muss Teil des Brexit-Abkommens bleiben.

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[ AFP ]

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