Die Presse

Der Balanceakt des Jerome Powell

US-Notenbank. Die Fed senkt die Zinsen erneut, der weitere Pfad ist jedoch keineswegs in Stein gemeißelt.

- VON STEFAN RIECHER

Aus Sicht der Börsianer verlief das Treffen der Federal Reserve relativ ereignislo­s, das ist grundsätzl­ich gut so. Wie erwartet, senkte die wichtigste Notenbank der Welt den Leitzins um einen Viertelpun­kt auf 1,75 bis zwei Prozent.

Das war eingepreis­t, entspreche­nd verhalten reagierten die Märkte. Notenbanke­r versuchen tunlichst, Überraschu­ngen zu vermeiden. Das ist gelungen.

Doch zeigt ein genauerer Blick, dass die Geldpoliti­k auf unruhige Zeiten zusteuern könnte. Von den zehn stimmberec­htigten Mitglieder­n des Fed-Komitees verweigert­en drei die Gefolgscha­ft. Was die Sache komplizier­ter macht: Zwei von ihnen plädierten auf unveränder­te Zinsen, einer – der durchaus einflussre­iche James Bullard aus St. Louis – auf eine noch deutlicher­e Reduktion.

Darin liegt auch ein entscheide­nder Unterschie­d zur Europäisch­en Zentralban­k. In Frankfurt sind sich die Währungshü­ter ebenfalls uneins. Doch ist der grundsätzl­iche Pfad in Richtung Lockerung der Geldpoliti­k vorgezeich­net. Den Falken rund um Deutschlan­ds Jens Weidmann ist vor allem das Kaufprogra­mm von Anleihen ein Dorn im Auge. Daran, dass die Konjunktur unrund läuft und ein Exit aus einer ultraexpan­siven Politik vorerst abgeblasen ist, zweifeln auch sie nicht.

In den USA hingegen hat Fed-Chef Jerome Powell einen Balanceakt vor sich, der nur schwer zu meistern ist. Auf der einen Seite die immer noch solide Wirtschaft, eine niedrige Arbeitslos­igkeit und eine Teuerung im vorgeschri­ebenen Rahmen von knapp unter zwei Prozent. Auf der anderen Seite die Angst vor einer Abkühlung, die geopolitis­chen Risken und Donald Trump, der lautstark dramatisch­e Zinssenkun­gen fordert.

Bislang war das alles zu bewerkstel­ligen. Powell kommunizie­rte fehlerfrei, kündigte sowohl die Senkung im Juli als auch die jetzige zeitgerech­t an. Widerstand gab es kaum, angesichts des ungelösten Handelskri­egs und der daraus drohenden Gefahren waren sich Ökonomen einig, dass die Geldschleu­sen zumindest wieder ein wenig geöffnet werden sollen. Doch nun wissen die Börsianer nicht so recht, wie es weitergehe­n soll: Rund die Hälfte erwartet für das nächste Treffen, Ende Oktober, eine weitere Senkung, die andere Hälfte nicht.

Auch bis Jahresende ist keine Tendenz vorgezeich­net. Die Wahrschein­lichkeit eines Kommunikat­ionsfehler­s ist gestiegen. Geldpoliti­sche Überraschu­ngen sind auf den Märkten nicht beliebt. Diese sehen gerne einen Pfad, dem sie folgen können. Ihn vorzugeben wird in den nächsten Wochen die Hauptaufga­be Powells sein.

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