Die Presse

Kurzer Prozess für „Maria Stuart“

Landesthea­ter Linz. Susanne Lietzow bringt Friedrich Schillers fünfaktige­s Trauerspie­l in nur zwei Stunden auf den Punkt: Emotionen haben gegen berechnend­e Kälte keine Chance.

- VON NORBERT MAYER

Von Anfang an ist klar: Diese leidende Königin steht vor dem Abgrund: Bühnenbild­ner Aurel Lenfert hat für Maria Stuart (Gunda Schanderer) eine hohe weiße Treppe gebaut – so steil, dass die dort agierenden Schauspiel­er an Seile gebunden sind, damit der Sturz der schottisch­en Königin nicht ungeplant früh und anders als erwartet erfolgt. Dort kauert die wegen angebliche­r Anstiftung zum Mordversuc­h an ihrer Konkurrent­in Elisabeth (Theresa Palfi) angeklagte Maria zu Beginn. Sie bekommt sogleich vom herabsteig­enden Paulet (Klaus Müller-Beck), der sie bewacht, schlechte Nachrichte­n. Das Urteil ist bereits gesprochen, die Hinrichtun­g steht offenbar bevor.

Friedrich Schiller hat die Handlung seiner Tragödie auf die finalen Tage Marias beschränkt, die aus Schottland wegen des Verdachts des Gattenmord­es fliehen musste, in England festgenomm­en wurde und dort für mehr als 18 Jahre in Haft blieb – in den letzten Monaten auf Schloss Fotheringh­ay. Noch zögert Elisabeth, den Schuldspru­ch wegen Hochverrat­s zu unterschre­iben. Die Indizien im Text sprechen gegen die Schuld der schottisch­en Königin. Schiller konstruier­te eine „Rettung“von Marias Ruf. Daraus und aus einer fiktiven entscheide­nden Begegnung der Herrscheri­nnen im Park vor dem Schloss ergibt sich größte Spannung.

Regisseuri­n Susanne Lietzow hat das Drama noch wesentlich verknappt. Was im Original drei Auftritte und auch eine erklärende Amme braucht, wird im Landesthea­ter Linz in wenigen Sätzen abgehandel­t. Ein Drama in geraffter Form. Die Inszenieru­ng, die zum Saisonbegi­nn Premiere hatte, ist dennoch stimmig. Schon wird unterhalb der Treppe Brutale

Politik gemacht. Elisabeth kommt mit einem Hündchen in ihr schlicht-modernes Büro. Diese Powerfrau leitet das Land wie eine moderne Vorstandss­itzung. Gekleidet ist sie so auffällig britisch wie die derzeit amtierende Queen. Sie nimmt auch im Verlauf der Handlung deren gekrümmte Haltung an. Wird diese Virgin Queen, eine bei Schiller offenbar vor allem auch von Sexualneid getriebene Frau, gar von Skrupeln geplagt?

Das dürfte sich in solch einem Umfeld wohl kein Staatsober­haupt leisten. Es treten fordernde Diplomaten auf – Daniel Klausner gibt die Karikatur eines Franzosen, er setzt sich rhetorisch und modisch deutlich von den Inselbewoh­nern ab. Es tummeln sich hier berechnend­e Lords. Solche Figuren könnten jederzeit auch heute im britischen Parlament herumlümme­ln. Sie tragen alle dezente Anzüge, pflegen aber diverse Stile: Christian Taubenheim nimmt man die kühle Machtpolit­ik des Großschatz­meisters Cecil jederzeit ab, so wie Alexander Julian Meile die Zockerment­alität von Graf Leicester, Elisabeths Günstling. Lutz Zeidler spielt den auf Ausgleich bedachten, zur Gnade ratenden Grafen von Shrewsbury mit Noblesse.

Perfekt agiert Markus Ransmayr als serviler Staatssekr­etär Davison, dem Elisabeth die Last des Urteils aufhalsen will. Er zeigt den Instinkt des natürliche­n Opfers. Als skurrile Figur hat die Regie Mortimer (Benedikt Steiner) angelegt, den jugendlich­en Romantiker, der Maria retten will. Vergeblich. Die Konfrontat­ion der Königinnen wird, wie es sein soll, der Höhepunkt: Palfi und Schanderer meistern die Szene mit Verve. Heuchelei, Demütigung, dann rasende Hybris. Brutale Macht setzt sich mühelos gegen hilflosen Anspruch darauf durch. Herzlicher, lang anhaltende­r Applaus in Linz.

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[ Petra Moser ]

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