Die strategische Reserve der Republik
Der verfassungswidrige Vollzug und der damit verbundene Ruf nach mehr gutem Geld für das falsche Wehrsystem.
Im März 2019 hat General Robert Brieger, Generalstabschef des Österreichischen Bundesheeres (ÖBH), eine bemerkenswerte Darstellung zum katastrophalen Zustand des Heeres präsentiert. Seit 15 Jahren sieht der – auch international fachlich versierte – Offizier den laufenden Abbau der Ressourcen und Fähigkeiten unserer Landesverteidigung. Kenner der Materie erinnern sich an das Jahr 2004, als nach einer inhaltlich bereits exakt vorgeplanten außerparlamentarischen Bundesheer-Reformkommission ein quasi „berufsheerartiges Bundesheer“entgegen den Verfassungsbestimmungen für ein Milizheer installiert wurde. Die wesentliche verfassungsgemäße Rolle des Bundesheeres als strategische Reserve der Republik Österreich wurde nicht erfüllt.
Die Präsentation des Generalstabschefs war der sachliche Höhepunkt einer konzertierten Aktion, in der auch der Bundespräsident – beraten von seinem Adjutanten, der später interimistischer Verteidigungsminister in der derzeitigen Übergangsregierung wurde – bereits im Dezember 2018 mit seinem „Tagesbefehl“aufhorchen ließ, dass der Zustand des Bundesheeres nicht verfassungskonform sei. Er schloss mit den Worten, die Österreicher würden es schätzen, ein Bundesheer zu haben, auf das sie sich verlassen können.
Zahlreiche Medien brachten monatelang diese Story mit Schlagzeilen, wie „Heer kann Land nicht schützen“, und berichteten von den Forderungen der „Militärs“nach einer drastischen Aufstockung des Wehrbudgets von derzeit 2,3 Milliarden Euro, ohne aber die wahren Gründe der finanziellen und strukturellen Misere des Bundesheeres darzulegen. Alles was zu hören und lesen war, war der simple und einseitig falsche Ruf nach mehr gutem Geld für das falsche Wehrsystem. In der Wirtschaft kennt man diese Vorgänge als Versuch einer Rettung eines falsch aufgestellten und vor dem Konkurs stehenden großen Unternehmens.
Der ständige Versuch, ein berufsheerartiges System mit einer anteilsmäßig viel zu hohen Anzahl an Berufsmilitärs – die mit mehr als 70 % des Heeresbudgets besoldet werden müssen – einzurichten, ist das Problem, bedingt durch die Nichteinhaltung der Verfassungsbestimmung mit dem Auftrag, ein Bundesheer nach den Grundsätzen eines Milizsystems einzurichten.
Wo bleibt die Kosten-NutzenRechnung? Das Ergebnis dieser falschen „Politik“– vor allem einer falsch verstandenen „Personalpolitik“ohne Rücksicht auf die negativen Auswirkungen auf die Sicherheitsvorkehrungen für die österreichische Bevölkerung – ist das bereits zugegebene katastrophale Versagen. Ein schlechtes Gewissen ist zu orten, wenn man das Regierungsprogramm 2017–2022 ansieht, in dem sehr wohl ein Bekenntnis zum Bundesheer als Einsatzheer nach den Grundsätzen der militärischen Landesverteidigung gemäß Art 79 (1) B-VG zu finden ist. Es gälte, den verfassungskonformen Zustand des ÖBH herzustellen.
Zur Wiederherstellung der Verfassungskonformität sind die schrittweise, sozial verträgliche Reduktion der Anzahl der Berufsmilitärs sowie der gleichzeitige Aufbau des intensiv auszubildenden, weit kostengünstigeren Personals aus dem Milizstand und die schrittweise Verbesserung der Waffen-, Geräte- und Fahrzeugstruktur vorzunehmen, wobei zur Sicherstellung des Mannschaftspersonals die Truppenübungen nach dem Grundwehrdienst wieder eingeführt werden.