Warum schon feststeht, wie nach dem 29. September regiert wird
Der uninspirierte Wahlkampf zeigt vor allem eines: wie sozialdemokratisiert die heimischen Parteien mittlerweile sind.
Das einzig wirklich Erfreuliche an diesem nun seinem wohlverdienten Ende entgegentaumelnden Wahlkampf ist: dass er endlich bald zu Ende ist. Denn selbst politisch Interessierte hat diese Auseinandersetzung auf eine harte Probe gestellt. Das erste Mal war der Wahlkampf selbst zentraler, fast einziger Gegenstand dieses Wahlkampfes, der damit in einem unzumutbaren Ausmaß selbstreferenziell geworden ist, indem er immer nur um sich selbst kreist. Wenn sich Wahlkämpfer primär damit beschäftigen, wie Wahlkämpfer wahlkämpfen, dann ist lähmende Langeweile die zwingende Folge. Wo der Konflikt darüber, ob eine Partei die Kosten ihrer Werbe-Kugelschreiber ihrer gewöhnlichen Geschäftstätigkeit oder doch den Kosten des Wahlkampfes buchhalterisch zuzuordnen hat, gleichsam der härteste ideologische Konflikt geworden ist, wendet sich auch der politische Feinspitz verdrossen ab.
Wäre dieser Wahlkampf ein Werbespot für das politische System „Demokratie“gewesen – die Nachfrage nach diesem Produkt hielte sich in eher überschaubaren Grenzen. Verantwortlich dafür dürfte sein: eine gewisse ideelle Ausgelaugtheit, verbunden mit einer geradezu panischen Angst davor, die politische „Mitte“zu verlassen. Wenn die SPÖ nicht einmal mehr wirklich gegen den 12-Stunden-Tag kämpfen will und die ÖVP so tut, als habe sie keine Ahnung, was „Privatisierung“bedeutet, wenn selbst Grüne trachtig-moderat daherkommen und sogar die FPÖ regelmäßig und pflichtgemäß Bekenntnisse zu Österreichs Verbleib in der EU absondert, kann man ermessen, wie groß die Angst aller politischen Akteure geworden ist, jene mystische „Mitte“zu verlassen, und sei es auch nur ein paar Schritte weit.
Man kann das pragmatisch nennen; man kann darin aber auch einen umfragebasierten Mangel an Mut erkennen, Positionen zu beziehen, die nicht mehrheitsfähig sein könnten. Sichtbar wird in diesem Wahlkampf, und das ist vielleicht einer seiner wenigen Vorzüge, wie durch und durch sozialdemokratisiert alle Parteien in diesem Lande mittlerweile sind. Friedrich August von Hayeks berühmtes Wort von den „Sozialisten in allen Parteien“ist, wenn auch in einer deutlich verwässerten Light-Variante, heute weitgehend Wirklichkeit geworden. Keine Partei weit und breit, die sich nicht als Befürworterin eines üppig dimensionierten Sozialstaates verstehen würde; keine, die für einen wirklich spürbaren und sichtbaren Rückbau des Staates einstünde, keine, die das Gewicht zwischen der Freiheit des Einzelnen und der Sicherheit des Einzelnen signifikant zugunsten des Ersteren verschieben wollte, keine Partei, die in diesem Zusammenhang Steuern und Abgaben nicht um ein paar Haarbreit, sondern massiv und radikal absenken will.
Natürlich unterscheiden sich etwa Neos oder ÖVP da in Nuancen von den Grünen oder Sozialdemokraten. Aber im Wesentlichen gibt es in all diesen Fragen kaum fundamentale Unterschiede. Der vom Wahlkampf erzwungene Konflikt darüber mutet an wie eine Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen Fraktionen einer Art von Meta-Sozialdemokratie, die alles irgendwie umwölbt. Der deutsche Soziologe Ralf Dahrendorf hatte recht, als er über das 20. Jahrhundert meinte: „An seinem Ende sind wir (fast) alle Sozialdemokraten geworden. Wir haben alle ein paar Vorstellungen in uns aufgenommen und um uns herum zur Selbstverständlichkeit werden lassen, die das Thema des sozialdemokratischen Jahrhunderts definieren: Wachstum, Gleichheit, Arbeit, Vernunft, Staat, Internationalismus.“Es ist eine böse Pointe der Geschichte, dass ausgerechnet die Sozialdemokratie am meisten darunter leidet, dass sich ihre Ideen so weitgehend durchgesetzt haben. Jetzt steht sie da bar jedes Alleinstellungsmerkmales und weiß nicht, wie ihr geschieht.
Mag sein, dass der 29. September unter dem Aspekt des Windhundrennens noch ganz spannend wird. Dass Österreich auch weiterhin von irgendeiner Spielart des Sozialdemokratismus regiert wird, steht trotzdem schon heute fest.