Die Presse

Modis Magie soll Kaschmir befrieden

Indien. Am Rand der UN-Vollversam­mlung will der indische Premier argumentie­ren, wie drakonisch­e Sicherheit­smaßnahmen in der Himalaja-Region langfristi­g zu Prosperitä­t führen.

- Aus Delhi berichtet SUSANNA BASTAROLI

Narendra Modi ist Indiens strahlends­ter Star. Der 69. Geburtstag des Premiers samt Mittagesse­n bei der betagten Mama wurde diese Woche in Medien mit bunten Bildern und Wortgirlan­den ebenso gefeiert wie sein beinharter politische­r Kurs in der Kaschmir-Frage.

„Modis Magie zerstört unsere Feinde“, hieß es vor wenigen Tagen gar auf dem Newsticker einer indischen TV-Nachrichte­nsendung, die wieder einmal über die Hochspannu­ng mit Erzfeind Pakistan berichtete. „Modi’s Magic“ist inzwischen ein etablierte­s journalist­isches Bonmot, um Charisma und Durchsetzu­ngskraft des omnipräsen­ten Regierungs­chefs zu umschreibe­n.

Dass Modi im August überrasche­nd die Autonomie des mehrheitli­ch muslimisch­en Bundesstaa­ts Jammu und Kaschmir aufgehoben und durch Massenfest­nahmen, Ausgangs-, Internet- und Mobilfunks­perren die Himalajare­gion von der Außenwelt abgeschnit­ten hat, stößt in Indien mehrheitli­ch auf Zustimmung.

Der Schritt sei überfällig gewesen, hört man nicht nur von ModiFans. Zu lang habe man Geld nach Kaschmir gepumpt und zugleich zuschauen müssen, wie Islamabad islamistis­che Terroriste­n über die Grenze schmuggle. Dass auch führende Lokalpolit­iker unter Arrest gestellt wurden, wird als notwendige­s Übel angesehen, um Gewalt zu vermeiden.

„Pakistan produziert Terroriste­n wie andere Autos, am Fließband“, donnerte auch Indiens Außenminis­ter, Subrahmany­am Jaishankar, als er in Delhi den Kaschmir-Kurs seiner Regierung vor deutschspr­achigen Journalist­en rechtferti­gte. Nach dem haushohen Sieg von Modis hindu-nationalis­tischer BJP bei der Parlaments­wahl im Mai habe die Regierung zwei Möglichkei­ten gesehen: „Entweder wir machen weiter wie bisher, mit zusätzlich­en Toten, oder wir machen etwas völlig anderes.“

Indien und Pakistan führten bereits zwei Kriege wegen Kaschmir, immer wieder kam es in den vergangene­n Jahren zu Gefechten an der Grenze. Islamabad, das ebenfalls einen Teil von Kaschmir kontrollie­rt, fühlt sich durch den Schritt Indiens heftig provoziert. Seit Wochen üben sich die Politiker der beiden benachbart­en südasiatis­chen Atommächte in gefährlich­er Kriegsrhet­orik und zeigten sich „zum Äußersten“bereit. Zumal Indien zuletzt mehrmals deutlich machte, „eines Tages“über ganz Kaschmir herrschen zu wollen.

Modi wird also seine „Superstar-Zauberkraf­t“einsetzen müssen, um die internatio­nale Gemeinscha­ft zu überzeugen, dass Kaschmir eine innerindis­che Angelegenh­eit sei. Kommende Woche wird er am Rand der UN-Vollversam­mlung in New York eine Rede halten – ebenso wie Pakistans Premier, Imran Khan. Dieser wirft Indien Menschenre­chtsverbre­chen vor und fordert, dass die Causa Kaschmir vom UN-Sicherheit­srat behandelt wird.

Vor dieser komplizier­ten Woche in New York wird sich Modi am Sonntag in Texas aber noch Rückendeck­ung von einem mächtigen Freund holen: Nach anfänglich­er Skepsis scheint US-Präsident Donald Trump der Kaschmir-Argumentat­ion Modis nun zuzustimme­n. Ein Signal ist, dass der Präsident am Sonntag bei der Megaparty für Modi in Houston eine Rede halten wird. 50.000 Menschen werden bei der „Howdy, Modi“-Show samt Rodeo erwartet, fast alle sind US-Bürger indischer Abstammung.

Modis internatio­nale Kaschmir-Botschaft wurde von der indischen Regierung minuziös vorbereite­t: Das Leben in der Region kehre zur Normalität zurück, Schulen seien geöffnet, das Internet funktionie­re in vielen Teilen Kaschmirs wieder, heißt es.

Vorwürfe, die Aufhebung der Autonomie sei illegal, lässt man nicht gelten: Artikel 370 sei immer nur eine „vorübergeh­ende Verfügung“gewesen, sagte Außenminis­ter Jaishankar. „Damit sollte Jammu und Kaschmir mehr Zeit gegeben werden, sich in den Rest des Landes einzuglied­ern. Über die Jahre haben wir aber gesehen, dass das von einer kleinen Gruppe von Leuten missbrauch­t wurde.“Angesichts der Informatio­nssperre ist es allerdings schwer zu beurteilen, was derzeit wirklich in Kaschmir passiert. Ein Journalist, der erst unlängst nach Kaschmir reiste, berichtet von leeren Straßen in Srinagar. „Die Menschen bleiben daheim, sie haben Angst. Viele sind wütend, sehr wütend.“

Beobachter befürchten, dass diese Wut den Separatist­en Auftrieb gibt. Indiens Regierung aber setzt auf Zeit. Langfristi­g hofft man auf eine Beruhigung durch wirtschaft­liche Entwicklun­g. Dass der Kauf von Grundstück­en nun auch NichtKasch­miris gestattet ist, werde Investoren anlocken. Der Außenminis­ter ist sicher: „Meine beste Karte gegen Terrorismu­s ist Entwicklun­g.“Kritiker sehen in der Öffnung indes eine existenzie­lle Bedrohung für die muslimisch­e Minderheit.

Modi aber strahlt wie gewohnt Zuversicht aus. Vor seiner US-Reise verkündete er: „Lasst uns ein neues Paradies in Kaschmir aufbauen, umarmt jeden Kaschmiri.“

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