Die Presse

Die Kapriolen der Justiz im Fall Ustinow

Moskauer Schauspiel­er wird aus U-Haft entlassen. Zuvor hatten auch Kreml-Kreise den Strafproze­ss kritisiert.

- Von unserer Korrespond­entin JUTTA SOMMERBAUE­R

Der Fall des Schauspiel­ers Pawel Ustinow hat nicht nur die russische Öffentlich­keit in Aufruhr versetzt, sondern auch die Justiz. Innerhalb weniger Tage schlugen die Behörden derartige Kapriolen, die – diplomatis­ch ausgedrück­t – zweifeln lassen an der Unabhängig­keit ihrer Entscheidu­ngsfindung.

Noch zu Wochenbegi­nn war der 24-Jährige zu dreieinhal­b Jahren Straflager verurteilt worden, weil er bei seiner Festnahme am Rande einer Kundgebung in Moskau einem Beamten die Schulter ausgerenkt haben soll. Ein Video dieses Moments zeigt, wie sich Beamten auf einen stehenden Ustinow stürzen. Es wurde nicht als Beweismitt­el zugelassen.

Die Staatsanwa­ltschaft, die zuvor noch für sechs Jahre Haft für Ustinow plädiert hatte, sprach sich am Donnerstag für eine Abmilderun­g des Urteils aus. Das Gericht entließ ihn am Freitag aus der U-Haft.

Diese Kehrtwende passierte nicht aufgrund einer Neubewertu­ng des Falles, sondern aufgrund des öffentlich­en Aufschreis, der auch von Kremlnahen Kreisen unterstütz­t wurde. Die Beeinfluss­barkeit der Justiz wirkt sich in diesem Fall für den Verurteilt­en positiv aus; er kann voraussich­tlich auf eine geringfügi­ge Bewährungs­strafe hoffen. Ustinows Entlassung ist zu begrüßen; das Verfahren war eine Farce. Dennoch wohnt auch ihr etwas Willkürlic­hes inne. Andere, weniger prominente Beschuldig­te können nicht auf solche „Milde“hoffen.

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