Ein Filmemacher mit Mission
Doku. Richard Ladkani zeigt in „Sea of Shadows“die ersten Bewegtbilder eines stark bedrohten Wals. Sein Film ist ein Rettungsversuch mit Oscar-Ambitionen.
Die Drohnen kreisen über dem Golf von Kalifornien. Motorboote ziehen über das hellblaue Wasser: Meeresbiologen, Naturschützer, Kameraleute. Sie alle sind mit den Nerven am Ende. Mit großem Aufwand suchen sie nach dem Vaquita, dem kleinsten Wal der Welt, der nur hier lebt. 15 Exemplare soll es noch geben, und die sind stark bedroht. Also will ein Team, kommissioniert von der mexikanischen Regierung, den Vaquita einfangen – und sein Überleben zumindest in Gefangenschaft sichern.
Der österreichische Filmemacher Richard Ladkani begleitet die Rettungsaktion. Von ihrem Ausgang hängt auch sein Filmerfolg ab: Was wäre ein Film über die Rettung eines Tiers ohne dieses Tier?
Für fünfeinhalb Wochen ist die Aktion finanziert, seit fünf Wochen lässt sich kein Vaquita blicken. „Wir waren völlig fertig. Ich war schon darauf vorbereitet: Wir finden nichts, es ist alles vorbei.“Und dann fügt sich doch alles so wie im idealen Drehbuch: Ein aufgeregter Funkspruch, ein Netz, Umarmungen an Bord. Die richtige Protagonistin auf dem richtigen Boot fängt den Wal. Den Wal, um den sich alles dreht in „Sea of Shadows“.
„Sea of Shadows“hätte auch nur ein halbstündiger Fernsehfilm werden können, erzählt Ladkani. Doch ihm ist gelungen, die ersten Bewegtbilder eines Vaquita aufzunehmen – und aus „Sea of Shadows“wurde ein Großprojekt: eine Doku, produziert von der österreichischen Terra Mater, die weltweit gezeigt wird (jetzt gerade ist sie in Österreichs Kinos), für die der internationale Verleiher National Geographic eine Oscar-Kampagne organisiert und die prominent von Leonardo DiCaprio und Jane Goodall unterstützt wird.
Mit den beiden ist Ladkani, der in Baden bei Wien aufgewachsen ist, wo er heute mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern wieder lebt, schon länger verbunden. Seine Karriere begann er mit Diavorträgen über seine Abenteuerreisen. Das wurde ihm zu einsam, er wünschte sich ein Filmteam um sich. Also zog er Mitte der 1990erJahre in die USA, besuchte eine Filmschule und begann eine Filmkarriere: Über 50 Dokus hat er gedreht, die meisten als Kameramann, einige als Regisseur. Dabei interessierten ihn nie nur die Natur, sondern auch politische und wirtschaftliche Mechanismen.
2010 porträtierte er für einen Film Jane Goodall, die zu einer Wegbegleiterin werden sollte. „Sie hat mir die Richtung gezeigt: Du kannst als Filmemacher wahnsinnig viel bewirken, du musst nur die richtigen Filme machen.“2016 drehte er „The Ivory Game“(auf Netflix), der die zerstörerischen Wege des globalen Elfenbeinhandels nachzeichnet. „Wir haben in Afrika recherchiert und uns dann mit einem siebenminütigen Teaser an DiCaprios Produktionsfirma gewendet. Er hat sich das angeschaut und gemeldet: Er ist zu hundert Prozent dabei.“
Mit DiCaprios Unterstützung drehte Ladkani auch „Sea of Shadows“. Der Film wagt sich in komplexes Gewässer: Es geht um Wilderer, die im Auftrag international vernetzter Kartelle den Totoaba-Fisch fangen, dessen Schwimmblase auf dem chinesischen Schwarzmarkt irre Preise erzielt. Die Netze, die sie für dieses „Kokain des Meeres“auswerfen, bedrohen das ganze Ökosystem, darunter den Vaquita. Die geschilderte Rettungsaktion ging schief, der Vaquita überlebt in menschlicher Ob
wurde 1973 geboren und wuchs in Baden bei Wien auf. Nach Anfängen als Fotograf stieg er ins Dokumentarfilmgeschäft ein: Rund 50 Filme hat er als Kameramann oder Regisseur gedreht, darunter den Netflix-Film „The Ivory Game“(gemeinsam mit US-Kollegen Kief Davidson). „Sea of Shadows“, in dem er sich mit Kartellen anlegt, die ein ganzes maritimes Ökosystem bedrohen, ist jetzt im Kino. hut nicht. Nun soll Ladkanis Film Druck auf die Politik machen, gegen den Totoaba-Handel vorzugehen. „Es gibt so viele Filme, die nur Schrott sind, nur Unterhaltung. Ich will spannende Geschichten erzählen, große Bilder zeigen – und dann sagen: Hey, wir können hier was retten, lass uns das auch tun!“
Die nächsten drei Jahre werde er vor allem zwei Themen widmen, sagt Ladkani: Er plant eine Doku über die Zerstörung des Amazonas-Regenwalds („DiCaprio war sofort Feuer und Flamme“) und einen Spielfilm, basierend auf dem Buch „City of Thorns“: eine Romeo-und-Julia-Geschichte mitten im größten Flüchtlingslager der Welt. „Diese Welt ist so dunkel, gleichzeitig sind da unheimlich tolle Geschichten. Deswegen ein Spielfilm: Als Doku wäre das kaum zu ertragen.“
Auf Themensuche brauche er nicht mehr zu gehen, sagt Ladkani, mit Filmideen werde er mittlerweile bombardiert. „Ich schaue mir dann sehr genau an, ob die Formel stimmt. Nicht jedes Problem kann man verfilmen.“Er suche nach Helden, die viel riskieren, damit das Gute gewinnt: „Solche Leute funktionieren im Kino.“Damit könne er ein Thema so verpacken, dass es ein globales Publikum anspricht – wie schon „The Ivory Game“oder nun eben „Sea of Shadows“. Kleine Projekte interessieren ihn nicht mehr: „Ich suche nach maximaler öffentlicher Wahrnehmung.“