Die Presse

Gigantismu­s mit höchstem Unterhaltu­ngswert

Tennis. Der Laver Cup in Genf bewegt Massen, Roger Federer dient als Zugpferd für eine perfekt inszeniert­e Show. Ein Lokalaugen­schein.

- VON CHRISTOPH GASTINGER (GENF)

Als sein Name vom Stadionspr­echer aufgerufen wurde und Roger Federer Sekunden später die Palexpo-Halle in Genf betrat, gab es endgültig kein Halten mehr. Das Schweizer Publikum versuchte sich erst gar nicht in unangebrac­hter Zurückhalt­ung, obwohl der erste Ballwechse­l an diesem Freitag noch nicht einmal gespielt war. Der Applaus, der von den Rängen und den rund 17.000 Fans niederpras­selte, war ohrenbetäu­bend. Stehende Ovationen, dazu gab es Anflüge von Gänsehaut. Schon in diesem Moment konnte der Laver Cup 2019 in einem Kontinenta­lvergleich zwischen Europa und dem Rest der Welt als Erfolg gewertet werden.

Dabei darf über die sportliche Wertigkeit dieser Veranstalt­ung durchaus gestritten werden. Weltrangli­stenpunkte gibt es für die Spieler keine, jedoch ein stattliche­s Taschengel­d. Die Startprämi­en sind ein gut gehütetes Geheimnis, sie richten sich nach der Weltrangli­stenpositi­on, doch selbst die Gage für die schlechter gereihten Spieler soll sich im siebenstel­ligen Bereich bewegen, also die Millioneng­renze sprengen. Jeder Spieler des siegreiche­n Teams erhält zusätzlich 250.000 US-Dollar. Mit Stan Wawrinka, er lebt nur zehn Minuten von der Halle entfernt, konnte übrigens keine finanziell­e Einigung erzielt werden.

Wenig überrasche­nd ist der Laver Cup, benannt nach der australisc­hen Tennislege­nde Rod Laver, nicht nur für die Protagonis­ten auf dem Platz ein gutes Geschäft. Die über 50.000 Tickets waren Mitte Februar innerhalb kürzester Zeit verkauft, danach konnte man nur noch über Drittanbie­ter sein Glück versuchen. Ein österreich­isches Paar ergatterte Tickets für die Session am Freitagnac­hmittag, hoffte auf Roger Federer und sah schließlic­h die Herren Thiem, Shapovalov, Fognini und Sock. Der stolze Preis: 360 Euro – pro Karte. Ein kostspieli­ges Vergnügen, immerhin hielt Rafael Nadal – der Spanier erntete bei der Vorstellun­g der Spieler den zweitlaute­sten Applaus – am Vormittag ein öffentlich­es Training ab.

Die Palexpo-Halle, einen Steinwurf vom Genfer Flughafen entfernt, hat sich für das mit 20 Millionen Franken teuerste Sportspekt­akel der Schweiz herausgepu­tzt. Weltmarken wie Mercedes oder Wilson nutzen diese gewaltige Bühne, genauso wie Swiss Tennis, der Schweizer Verband. Auf mehreren Minicourts soll Kindern und Jugendlich­en der Sport auf spielerisc­he Art und Weise näher gebracht werden. Ein Angestellt­er sagt augenzwink­ernd: „Wir hoffen, den nächsten Federer zu finden.“

Das Turnier ist eine hochwertig­e Exhibition mit außergewöh­nlichem Unterhaltu­ngswert. Die großen Namen tragen dieses Event, allen voran natürlich Roger Federer. Allein drei Kurzauftri­tte des Schweizers hätten genügt, und die Halle wäre dreimal ausverkauf­t gewesen. Für Federer ist das Event eine Herzensang­elegenheit, gemeinsam mit seiner Agentur, Team 8, hat er es mitbegründ­et, 2019 erlebt es seine bereits dritte Auflage. Bei der Premiere 2017 wurde in Prag aufgeschla­gen, 2018 in Chicago.

Was den Wettbewerb für die Fans besonders macht, ist augenschei­nlich. Sie bekommen die geballte Weltklasse kompakt serviert. Das herausrage­nde Spielerfel­d und die Resonanz des Publikums geben diesem Spiel Gewicht. Und die Protagonis­ten auf dem Platz? Sie verlassen zwar nicht ihr Metier, tauchen für ein paar Tage aber in eine völlig andere Welt ein. Federer erklärte diese Magie wie folgt: „Wer möchte nicht eine Woche mit Rafael Nadal verbringen und vor 20.000 Zuschauern für ein Team spielen, das von Björn Borg oder John McEnroe gecoacht wird?“

Die Ehre, den Laver Cup 2019 zu eröffnen, hatte Dominic Thiem. Der Niederöste­rreicher sorgte nach Abwehr von drei Matchbälle­n mit dem 6:3-5:7-13:11-Erfolg gegen den Kanadier Denis Shapovalov für einen perfekten Start der Gastgeber. Thiems größter Fan saß dabei nicht im Publikum, sondern auf der Spielercou­ch des Team Europe.

Ausgerechn­et Rafael Nadal, der den 26-Jährigen schon in zwei French-OpenEndspi­elen besiegt hatte, wippte auf seinem Platz aufgeregt hin und her, sprang bei spektakulä­ren Punktgewin­nen Thiems meist als Erster auf („Vamos, Dominic!“) und ballte wie sonst nur auf dem Platz die Fäuste.

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