Gigantismus mit höchstem Unterhaltungswert
Tennis. Der Laver Cup in Genf bewegt Massen, Roger Federer dient als Zugpferd für eine perfekt inszenierte Show. Ein Lokalaugenschein.
Als sein Name vom Stadionsprecher aufgerufen wurde und Roger Federer Sekunden später die Palexpo-Halle in Genf betrat, gab es endgültig kein Halten mehr. Das Schweizer Publikum versuchte sich erst gar nicht in unangebrachter Zurückhaltung, obwohl der erste Ballwechsel an diesem Freitag noch nicht einmal gespielt war. Der Applaus, der von den Rängen und den rund 17.000 Fans niederprasselte, war ohrenbetäubend. Stehende Ovationen, dazu gab es Anflüge von Gänsehaut. Schon in diesem Moment konnte der Laver Cup 2019 in einem Kontinentalvergleich zwischen Europa und dem Rest der Welt als Erfolg gewertet werden.
Dabei darf über die sportliche Wertigkeit dieser Veranstaltung durchaus gestritten werden. Weltranglistenpunkte gibt es für die Spieler keine, jedoch ein stattliches Taschengeld. Die Startprämien sind ein gut gehütetes Geheimnis, sie richten sich nach der Weltranglistenposition, doch selbst die Gage für die schlechter gereihten Spieler soll sich im siebenstelligen Bereich bewegen, also die Millionengrenze sprengen. Jeder Spieler des siegreichen Teams erhält zusätzlich 250.000 US-Dollar. Mit Stan Wawrinka, er lebt nur zehn Minuten von der Halle entfernt, konnte übrigens keine finanzielle Einigung erzielt werden.
Wenig überraschend ist der Laver Cup, benannt nach der australischen Tennislegende Rod Laver, nicht nur für die Protagonisten auf dem Platz ein gutes Geschäft. Die über 50.000 Tickets waren Mitte Februar innerhalb kürzester Zeit verkauft, danach konnte man nur noch über Drittanbieter sein Glück versuchen. Ein österreichisches Paar ergatterte Tickets für die Session am Freitagnachmittag, hoffte auf Roger Federer und sah schließlich die Herren Thiem, Shapovalov, Fognini und Sock. Der stolze Preis: 360 Euro – pro Karte. Ein kostspieliges Vergnügen, immerhin hielt Rafael Nadal – der Spanier erntete bei der Vorstellung der Spieler den zweitlautesten Applaus – am Vormittag ein öffentliches Training ab.
Die Palexpo-Halle, einen Steinwurf vom Genfer Flughafen entfernt, hat sich für das mit 20 Millionen Franken teuerste Sportspektakel der Schweiz herausgeputzt. Weltmarken wie Mercedes oder Wilson nutzen diese gewaltige Bühne, genauso wie Swiss Tennis, der Schweizer Verband. Auf mehreren Minicourts soll Kindern und Jugendlichen der Sport auf spielerische Art und Weise näher gebracht werden. Ein Angestellter sagt augenzwinkernd: „Wir hoffen, den nächsten Federer zu finden.“
Das Turnier ist eine hochwertige Exhibition mit außergewöhnlichem Unterhaltungswert. Die großen Namen tragen dieses Event, allen voran natürlich Roger Federer. Allein drei Kurzauftritte des Schweizers hätten genügt, und die Halle wäre dreimal ausverkauft gewesen. Für Federer ist das Event eine Herzensangelegenheit, gemeinsam mit seiner Agentur, Team 8, hat er es mitbegründet, 2019 erlebt es seine bereits dritte Auflage. Bei der Premiere 2017 wurde in Prag aufgeschlagen, 2018 in Chicago.
Was den Wettbewerb für die Fans besonders macht, ist augenscheinlich. Sie bekommen die geballte Weltklasse kompakt serviert. Das herausragende Spielerfeld und die Resonanz des Publikums geben diesem Spiel Gewicht. Und die Protagonisten auf dem Platz? Sie verlassen zwar nicht ihr Metier, tauchen für ein paar Tage aber in eine völlig andere Welt ein. Federer erklärte diese Magie wie folgt: „Wer möchte nicht eine Woche mit Rafael Nadal verbringen und vor 20.000 Zuschauern für ein Team spielen, das von Björn Borg oder John McEnroe gecoacht wird?“
Die Ehre, den Laver Cup 2019 zu eröffnen, hatte Dominic Thiem. Der Niederösterreicher sorgte nach Abwehr von drei Matchbällen mit dem 6:3-5:7-13:11-Erfolg gegen den Kanadier Denis Shapovalov für einen perfekten Start der Gastgeber. Thiems größter Fan saß dabei nicht im Publikum, sondern auf der Spielercouch des Team Europe.
Ausgerechnet Rafael Nadal, der den 26-Jährigen schon in zwei French-OpenEndspielen besiegt hatte, wippte auf seinem Platz aufgeregt hin und her, sprang bei spektakulären Punktgewinnen Thiems meist als Erster auf („Vamos, Dominic!“) und ballte wie sonst nur auf dem Platz die Fäuste.