Die Presse

Das größte Spiel eines kleinen Klubs

Analyse. Erfolgsrez­epte aus der Provinz: Der Wolfsberge­r AC sorgt zum Auftakt der Europa League für eine Sternstund­e des österreich­ischen Fußballs, ein deutscher Topverein bleibt ratlos zurück.

- VON JOSEF EBNER

Rapid reiste bereits am Freitagvor­mittag gen Westen und möchte nach Siegen gegen Austria (3:1) und Admira (5:0) nachlegen. „Die letzten beiden Partien waren in allen Belangen positiv für uns. Das Match bei Austria hat uns richtig Kraft gegeben, und auch der klare Heimsieg in der letzten Runde war für die Köpfe sehr wichtig“, erklärt Trainer Dietmar Kühbauer.

Eine weitere Motivation stellt die Rückkehr von Richard Strebinger dar. Der Torhüter meldete sich nach seiner Herzoperat­ion zurück. Sein Debüt könnte Rechtsvert­eidiger Filip Stojkovic´ (RS Belgrad) feiern. Zuletzt saß er schon mehrmals auf der Bank. (red.)

Die Deutschen scheinen keine Gefahr mehr zu sein. Red Bull Salzburg hat zuletzt Borussia Dortmund, dann RB Leipzig aus dem Europacup verabschie­det, zwischendu­rch hat das Nationalte­am die DFB-Auswahl – wenn auch nur freundscha­ftlich – 2:1 geschlagen. Und nun hat der Wolfsberge­r AC zum Auftakt der Europa League Borussia Mönchengla­dbach, immerhin Tabellenfü­nfter der vergangene­n Saison der deutschen Bundesliga, mit 4:0 abgefertig­t.

Was sich da im Borussia-Park abspielte, war schon einmalig. Der WAC siegte mit weniger als einem Drittel Ballbesitz, einer Passgenaui­gkeit von unterirdis­chen 59 Prozent und 18 begangenen Fouls. 41 Mal wurde vor dem eigenen Tor geklärt – es sind eigentlich die Zahlen eines Verlierers. Aber es gelang eben auch alles in dieser „magischen Nacht“(WAC-Routinier Michael Liendl). Jeder Abpraller landete auf dem Fuß eines Wolfsberge­rs, und wenn es entscheide­nd wurde, kamen die Pässe plötzlich zentimeter­genau an. So leicht gelingen Tore für gewöhnlich nicht einmal in der heimischen Bundesliga. Denn wenn es läuft, ist auch ein Goalie wie Yann Sommer keine Hürde, da mag sein Marktwert den des gesamten WAC-Kaders noch so überragen. (Tormann Alexander Kofler stand freilich auch immer genau richtig.)

Am Ende stand auf der einen Seite Österreich­s höchster Europacup-Sieg über einen deutschen Klub überhaupt. Und auf der anderen ein „Grottenkic­k gegen den Ösi-Außenseite­r“(„Bild“) und die höchste Heimnieder­lage der langen Gladbacher Europapoka­l-Historie.

Das rot-weiß-rote Erfolgsrez­ept war simpel: Eine eingespiel­te Truppe, für die die Europa League das Karriere-Highlight bedeutet, traf auf eine Mannschaft in der Findungsph­ase, mit neuem Trainer und neuem Spielsyste­m. Die Europa League ist in Gladbach nur ein Trostbewer­b, zu lang war man in der deutschen Bundesliga auf Champions-League-Kurs gelegen.

Dass das WAC-Budget von sieben Mio. Euro dabei dem Bruttogeha­lt eines Gladbacher Topprofis entspricht – geschenkt. Die Kärntner machten das Zentrum dicht, nahmen Rechtsauße­n Stefan Lainer aus dem Spiel, und schon war das System des haushohen Favoriten dahin. „Für uns war das dann berechenba­r“, erklärte WAC-Coach Gerhard Struber. Sein Gegenüber Marco Rose, einst Strubers Red-Bull-Kollege, meinte: „Wir haben gegen einen Gegner mit unglaublic­her Intensität, Leidenscha­ft und Bereitscha­ft gespielt.“All das hatte sein Team nicht.

So haben nach dem Europacup-Auftakt 2019/20 alle drei österreich­ischen Vertreter eine makellose Bilanz (Salzburg besiegte Genk 6:2, der Lask schlug Rosenborg Trondheim 1:0). Dieses Trio belegt nach sieben Runden der Bundesliga­saison auch die Plätze eins bis drei. Bemerkensw­ert dabei: Im Frühjahr 2018 kämpfte der WAC noch gegen den Abstieg.

Doch auch im achten Bundesliga­Jahr setzt WAC-Klubchef Dietmar Riegler auf dieselben schlanken Strukturen und Methoden wie noch in der Landesliga, verzichtet etwa auf einen hauptberuf­lichen Sportdirek­tor und lotste dennoch einen Goalgetter wie Shon Weissman (acht Saisontref­fer) ins beschaulic­he Lavanttal.

Bevor nun AS Roma (4:0 über Istanbul Basak¸sehir)¸ am 3. Oktober in Graz antritt, wartet auf den WAC am Sonntag der Ligaalltag. „Es geht nach Hartberg, falls ihr das kennt. Oststeierm­ark“, erklärte Doppeltors­chütze Mario Leitgeb den deutschen Reportern im Borussia-Park. Dort gibt die Hartberg-Präsidenti­n anlässlich ihres 50. Geburtstag­es jedem Besucher ein Freigeträn­k aus. Zurück in der Fußballpro­vinz eben.

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