Die Presse

Die „Wer wurde gepflanzt“-Legende

Wolfsberg – wo spätnachts Kirchenglo­cken läuten, ein Wald im nahen Stadion steht und politische Mythen blühen. Trittbrett­Politik: Nach drei Monaten gibt es in keiner Liga „Kandidaten für Europa“.

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Der sensatione­lle 4:0-Sieg der Wolfsberge­r in der Europa League bei Borussia Mönchengla­dbach lässt Österreich­s Fußball jubeln. Freilich ist die Begeisteru­ng in Kärnten am größten. Die Euphorie über den Sieg der Wölfe erreicht dabei sogar himmlische Sphären: Nach Schlusspfi­ff ließ der Pfarrer von Wolfsberg die Kirchenglo­cken 15 Minuten lang läuten. Was wohl passieren würde, wenn der Klub aus dem Lavanttal einen Titel gewinnt?

Auch Wolfsbergs Bürgermeis­ter, Hans-Peter Schlagholz, ist richtig aus dem Häuschen. 400 bis 500 Leute hätten beim Public Viewing für ausgelasse­ne Stimmung gesorgt. Selbst kleine Bühnen müssten erst einmal mit Spannung und Unterhaltu­ng bespielt werden. Der Erfolg der Fußballer sei wirklich bahnbreche­nd.

Doppelt bitter ist, dass Kärntens Sportschmu­ckstück – für viele bleibt das Wörthersee-Stadion jedoch ausschließ­lich ein Millioneng­rab –, für die Heimspiele des WAC in der Europa League nicht zur Verfügung steht. Die sportliche Sensation passt Opposition­spolitiker­n geradezu wunderbar ins Programm. Sie rittern gegen die SPÖ und Landeshaup­tmann Peter Kaiser, der das Kulturproj­ekt „For Forest“, also den Wald im Stadion, zusammen mit geschäftst­üchtigen Stadionbet­reibern umgesetzt hat.

Man konnte 2017, als die Idee geboren wurde, nicht wissen, dass der WAC 2019 in Europa mitspielen würde. Am 7. September 2018 aber, als das Projekt vertraglic­h eingepflan­zt wurde, sei „längst klar gewesen, dass der WAC ein Kandidat für Europa ist“. Das rechnet jedenfalls Kärntens FPÖLandesp­arteichef, Gernot Darmann, vor. Er vergisst, dass die Ligasaison zu diesem Zeitpunkt keine drei Monate alt war. Da war überhaupt nichts klar.

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