Wieso die rote Wien Energie gute Noten bekam
Analyse. Zwei Ratingagenturen haben dem Energieversorger den Ritterschlag verpasst. Als Argumente dienten Rationalisierungen – aber auch die Stadt Wien als Eigentümerin. Jetzt kann günstig Fremdkapital aufgenommen werden.
Wien. Das rote Wien ist echt stolz: Vor wenigen Monaten hat die Wien Energie, eine Tochter der Wiener Stadtwerke, die Ratingagenturen Fitch sowie Standard & Poor’s beauftragt, den Energieversorger unter die Lupe zu nehmen. Rund 200.000 Euro hat das gekostet – und das Risiko war groß. Was, wenn das Rating ungünstig ausfällt? Was, wenn das Unterfangen also zum teuren Bumerang wird? Wurde es nicht. Das Rating ist sogar für das Management überraschend gut ausgefallen: Fitch hat der Wien Energie ein „AA-“verpasst, von S&P gab es ein „A“. Allerweil. Europäische Größen wie E.On oder RWE sind weit davon entfernt.
Zwei Fragen stellen sich dennoch. Erstens: Warum hat die Wien Energie, die doch gemeinhin den Ruf hat, alles andere denn schlank aufgestellt zu sein, so gut abgeschnitten? Zweitens: Wieso wurde das Rating überhaupt erstmals beantragt?
Die Antwort auf Frage zwei ist relativ simpel. Aus der Wien Energie verlautet zwar recht lakonisch, man wollte bloß einmal wissen, wo man im internationalen Vergleich stehe. Ja eh. Aber das ist natürlich nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich geht es bei solch nicht gerade preisgünstigen Ratings auch darum, eine international vergleichbare Bonitätseinstufung zu bekommen. Weil Fremdkapital aufgenommen werden muss.
Und die Wien Energie kann günstiges Kapital gut gebrauchen. Seit einiger Zeit sichert sich der Versorger in Niederösterreich und Burgenland Flächen für Fotovoltaikanlagen auf der grünen Wiese. Gemeinsam mit Gemeinden und privaten Partnern sollen die Freiflächen-Anlagen finanziert und umgesetzt werden. Da kann ein gutes Rating nicht schaden. Die Offensive ist Teil der geplanten Dekarbonisierung des stark gaslastigen Konzerns. Eine halbe Milliarde Euro soll in den kommenden Jahren dafür fließen. Mit 20 Megawatt installierter Solarleistung sind die Wiener bereits der größte Fotovoltaikbetreiber des Landes. Spätestens 2030 will das Unternehmen bei 600 MW stehen. Für diese Verdreißigfachung reichen die Dächer der Stadt eben nicht aus.
Dennoch überrascht das große Engagement der Wien Energie manchen Mitbewerber. Denn im Grunde rechnen sich Solarparks auf der Freifläche bei heutigen Strompreisen nicht. Die Gesamtkosten von etwa vier Cent je Kilowattstunde können nur mit Müh und Not an der Börse wieder reingeholt werden. Ein Plus geht sich in den meisten Fällen nicht aus.
Gesetzesänderung „antizipiert“
Wissen die Wiener mehr als so manch privater Investor? Vielleicht. Denn ein großer Kostenblock sind bestehende Regularien. So sind Solarparks auf der Freifläche heute auf vielen Grundstücken gesetzlich verboten, Umwidmungen schwer durchzubringen. Dazu kommen teure Netzanschlusskosten, die der Regulator vorschreibt. „Das bringt solche Projekte normalerweise um“, heißt es aus der Branche. Aber das könnte sich ändern. Nach der kleinen Ökostromnovelle, die kommende Woche im Nationalrat abgesegnet wird, muss Österreich nämlich bald eine große Reform des Ökostromregimes nachlegen. Mit im Gepäck seien vermutlich deutliche Erleichterungen bei Fotovoltaik auf der Freifläche. Die Kosten würden sinken – Wien Energie wäre die erste und größte Nutznießerin.
Bleibt Frage Numero eins: Wie ist es zu dem guten Rating gekommen? Das hat erstaunlicherweise politische Gründe: 2015 wurde die Zuständigkeit für die Wiener Stadtwerke der damaligen Finanzstadträtin Renate Brauner weggenommen. Seitdem ist ihre Kollegin Ulli Sima dafür verantwortlich. Und sie hat in dem Konglomerat heftig umgerührt. Beziehungsweise rationalisiert.
Aus gut 160 Geschäftsführerposten wurden 87. In der Holding Wiener Stadtwerke wurde der Vorstand auf zwei Personen halbiert, in den großen Tochtergesellschaften gibt es (bis auf die Wiener Netze) nur mehr zwei statt drei Geschäftsführer. Auch in der Wien Energie. Und: Sima hat die Wiener Stadtwerke von einer AG in eine GmbH umwandeln lassen, um mehr Durchgriffsrechte zu haben. Auch das soll für die Ratingagenturen eines der Argumente für eine günstige Bewertung gewesen sein.
Einen weiteren Vorteil gegenüber der Konkurrenz sahen die Agenturen aber auch noch: Die Stadt Wien als 100-Prozent-Eigentümerin. Weil ein unsinkbares Schiff.