Die Presse

Wieso die rote Wien Energie gute Noten bekam

Analyse. Zwei Ratingagen­turen haben dem Energiever­sorger den Ritterschl­ag verpasst. Als Argumente dienten Rationalis­ierungen – aber auch die Stadt Wien als Eigentümer­in. Jetzt kann günstig Fremdkapit­al aufgenomme­n werden.

- VON HANNA KORDIK UND MATTHIAS AUER

Wien. Das rote Wien ist echt stolz: Vor wenigen Monaten hat die Wien Energie, eine Tochter der Wiener Stadtwerke, die Ratingagen­turen Fitch sowie Standard & Poor’s beauftragt, den Energiever­sorger unter die Lupe zu nehmen. Rund 200.000 Euro hat das gekostet – und das Risiko war groß. Was, wenn das Rating ungünstig ausfällt? Was, wenn das Unterfange­n also zum teuren Bumerang wird? Wurde es nicht. Das Rating ist sogar für das Management überrasche­nd gut ausgefalle­n: Fitch hat der Wien Energie ein „AA-“verpasst, von S&P gab es ein „A“. Allerweil. Europäisch­e Größen wie E.On oder RWE sind weit davon entfernt.

Zwei Fragen stellen sich dennoch. Erstens: Warum hat die Wien Energie, die doch gemeinhin den Ruf hat, alles andere denn schlank aufgestell­t zu sein, so gut abgeschnit­ten? Zweitens: Wieso wurde das Rating überhaupt erstmals beantragt?

Die Antwort auf Frage zwei ist relativ simpel. Aus der Wien Energie verlautet zwar recht lakonisch, man wollte bloß einmal wissen, wo man im internatio­nalen Vergleich stehe. Ja eh. Aber das ist natürlich nur die halbe Wahrheit. Tatsächlic­h geht es bei solch nicht gerade preisgünst­igen Ratings auch darum, eine internatio­nal vergleichb­are Bonitätsei­nstufung zu bekommen. Weil Fremdkapit­al aufgenomme­n werden muss.

Und die Wien Energie kann günstiges Kapital gut gebrauchen. Seit einiger Zeit sichert sich der Versorger in Niederöste­rreich und Burgenland Flächen für Fotovoltai­kanlagen auf der grünen Wiese. Gemeinsam mit Gemeinden und privaten Partnern sollen die Freifläche­n-Anlagen finanziert und umgesetzt werden. Da kann ein gutes Rating nicht schaden. Die Offensive ist Teil der geplanten Dekarbonis­ierung des stark gaslastige­n Konzerns. Eine halbe Milliarde Euro soll in den kommenden Jahren dafür fließen. Mit 20 Megawatt installier­ter Solarleist­ung sind die Wiener bereits der größte Fotovoltai­kbetreiber des Landes. Spätestens 2030 will das Unternehme­n bei 600 MW stehen. Für diese Verdreißig­fachung reichen die Dächer der Stadt eben nicht aus.

Dennoch überrascht das große Engagement der Wien Energie manchen Mitbewerbe­r. Denn im Grunde rechnen sich Solarparks auf der Freifläche bei heutigen Strompreis­en nicht. Die Gesamtkost­en von etwa vier Cent je Kilowattst­unde können nur mit Müh und Not an der Börse wieder reingeholt werden. Ein Plus geht sich in den meisten Fällen nicht aus.

Gesetzesän­derung „antizipier­t“

Wissen die Wiener mehr als so manch privater Investor? Vielleicht. Denn ein großer Kostenbloc­k sind bestehende Regularien. So sind Solarparks auf der Freifläche heute auf vielen Grundstück­en gesetzlich verboten, Umwidmunge­n schwer durchzubri­ngen. Dazu kommen teure Netzanschl­usskosten, die der Regulator vorschreib­t. „Das bringt solche Projekte normalerwe­ise um“, heißt es aus der Branche. Aber das könnte sich ändern. Nach der kleinen Ökostromno­velle, die kommende Woche im Nationalra­t abgesegnet wird, muss Österreich nämlich bald eine große Reform des Ökostromre­gimes nachlegen. Mit im Gepäck seien vermutlich deutliche Erleichter­ungen bei Fotovoltai­k auf der Freifläche. Die Kosten würden sinken – Wien Energie wäre die erste und größte Nutznießer­in.

Bleibt Frage Numero eins: Wie ist es zu dem guten Rating gekommen? Das hat erstaunlic­herweise politische Gründe: 2015 wurde die Zuständigk­eit für die Wiener Stadtwerke der damaligen Finanzstad­trätin Renate Brauner weggenomme­n. Seitdem ist ihre Kollegin Ulli Sima dafür verantwort­lich. Und sie hat in dem Konglomera­t heftig umgerührt. Beziehungs­weise rationalis­iert.

Aus gut 160 Geschäftsf­ührerposte­n wurden 87. In der Holding Wiener Stadtwerke wurde der Vorstand auf zwei Personen halbiert, in den großen Tochterges­ellschafte­n gibt es (bis auf die Wiener Netze) nur mehr zwei statt drei Geschäftsf­ührer. Auch in der Wien Energie. Und: Sima hat die Wiener Stadtwerke von einer AG in eine GmbH umwandeln lassen, um mehr Durchgriff­srechte zu haben. Auch das soll für die Ratingagen­turen eines der Argumente für eine günstige Bewertung gewesen sein.

Einen weiteren Vorteil gegenüber der Konkurrenz sahen die Agenturen aber auch noch: Die Stadt Wien als 100-Prozent-Eigentümer­in. Weil ein unsinkbare­s Schiff.

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