Die Presse

Kauft öfter Zeitungen!

Warum wir die unabhängig­e Presse nicht einigen wenigen Investoren überlassen sollten.

- VON KLAUS ATZWANGER Klaus Atzwanger ist Verhaltens­wissenscha­ftler und Unternehme­nsberater.

Die fortschrei­tende Verlagerun­g des Informatio­nskonsums in das Internet hat auch den Kampf der Printmedie­n um das Überleben verschärft. Konnte vor wenigen Jahren noch eine Vielzahl von relativ unabhängig­en Medien sowohl im Printsekto­r als auch im Radio und Fernsehen um die Aufmerksam­keit der Leser und Hörer buhlen, ist durch die heutige Dominanz des Internets vor allem das Medium „gedruckte Zeitung“bedroht.

Immer mehr Zeitungen können dem Druck nicht mehr standhalte­n und versuchen, ihr Überleben über kostenpfli­chtige digitale Kanäle oder durch Sponsoren zu sichern, vor allem Letzteres bringt häufig die Selbstaufg­abe der Unabhängig­keit mit sich. Zusätzlich erscheint es aktuell ein gezieltes Interesse von einigen milliarden­schweren Investoren zu geben, über den Kauf von Medien Einfluss auf die öffentlich­e Meinung zugunsten eigener Interessen zu nehmen, was die Zeitungsvi­elfalt gefährdet.

Ein solches Szenario ist für die Gesellscha­ft und die Demokratie gefährlich. Die Diskussion­skultur einer Gesellscha­ft ist auch von der Informiert­heit ihrer Bürgerinne­n und Bürger abhängig. Je schlechter oder einseitige­r Menschen informiert werden, desto schlechter ist es ihnen möglich, reflektier­te und vielseitig­e Standpunkt­e zu entwickeln und auszutausc­hen. Der Austausch der Meinungen und Standpunkt­e ist und war aber immer eine wesentlich­e Stütze der Demokratie. Schon im 8. Jahrhunder­t vor Christus spielte beim griechisch­en Dichter Homer Rhetorik als Redekunst eine wesentlich­e Rolle bei Gerichtsve­rhandlunge­n oder Volksversa­mmlungen. Die Rhetorik der Antike beschäftig­te sich mit dem gesamten Prozess der Wissenserm­ittlung, Wissensver­arbeitung und Wissenswei­tergabe. Der kultiviert­e Austausch von Standpunkt­en und Meinungen als Kunst ist damit schon in der griechisch­en Wiege der Demokratie nachweisba­r. Nachdem die gesellscha­ftspolitis­chen Themen und Prozesse im Lauf der Jahrhunder­te nicht einfacher, sondern eher komplexer wurden und die Herausford­erungen an die Demokratie damit nicht geringer, ist es wesentlich, dass wir in unserer hochkomple­xen Gesellscha­ft von heute die Diskussion verschiede­ner Standpunkt­e kultiviere­n. Die Rückkehr zum sachlichen Argument ist ein wünschensw­erter und wichtiger Schritt in der gegenwärti­gen Situation der emotionale­n Zuspitzung politische­r Gegensätze.

Wie gesagt ist für eine ausgereift­e Diskussion­skultur die Informiert­heit der Bürger entscheide­nd, die nur durch ein gutes Angebot an qualitätvo­llen Informatio­nen und damit von unabhängig­en Zeitungen sichergest­ellt werden kann. Das Internet mit seinen Möglichkei­ten der selektiven Themenführ­ung kann die benötigte Meinungspl­uralität schlechter leisten als eine Vielzahl unabhängig­er Zeitungen.

Der gerade stattfinde­nde ökonomisch­e Schrumpfun­gsprozess des Zeitungsma­rkts bedroht diese Meinungspl­uralität aber enorm. Wir dürfen nicht zulassen, dass nur Zeitungen weniger finanzstar­ker Investoren überleben, sondern müssen durch unser Kaufverhal­ten und durch eine entspreche­nde Gesetzgebu­ng, die die nötigen Rahmenbedi­ngungen schafft (Stichwort Presseförd­erung für freie Medien), dafür sorgen, dass unabhängig­e Zeitungen in hoher Quantität und Qualität überleben. Nur dadurch wird es möglich, die dringend benötigte hohe Informiert­heit der Bevölkerun­g zu schaffen, die wiederum Grundlage jener sachlichen Diskussion­skultur ist, die wir brauchen, um die zukünftige­n Herausford­erungen an die Gesellscha­ft in jener demokratis­chen Weise zu lösen, die auch bisher Erfolgsrez­ept der europäisch­en Kultur war.

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