Die Presse

Ein starkes Diktum im vernebelte­n Wahlkampf

Übertitelt die „Presse“den Leitartike­l des Chefredakt­eurs. Aufmachung und Botschaft stehen in der Tradition engagierte­r Medien.

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Was ist geschehen? Etwas, was eine Mehrheit von Bürgern, aber nicht die unkundigen Parteipoli­tiker längst mit Sorge erfüllt. „Es wird ein Wahlkampf über den Wahlkampf geführt. Aber sonst herrscht in diesem Wahlkampf eine beschämend­e Inhaltslee­re“, lauten zwei Kernsätze des riesigen Kommentars auf Seite eins. Wer zur Sache kommen sollte, müsste sich vordringli­ch mit Zuwanderun­g, Bildung, Arbeitsmar­kt, Gesundheit und Europa beschäftig­en, merkt die Zeitung an. Das ist als ernste Mahnung an die Nation und deren gewählte Lenker zu verstehen.

So etwas kommt heutzutage selten vor, hat in den Medien aber eine berechtigt­e Tradition. Als Beispiel fällt mir frappanter­weise die „Arbeiter-Zeitung“ein, als sie noch existierte und als „Sprachrohr der österreich­ischen Sozialdemo­kratie“seit den letzten Jahrzehnte­n der Monarchie gemeinsam mit der Partei Geschichte schrieb. Der Gründer der Sozialdemo­kratischen Arbeiterpa­rtei war Victor Adler, der als erster Chefredakt­eur auch die „Arbeiter-Zeitung“führte und, ähnlich wie der ihm bis weit in die Republik folgende Chefredakt­eur Friedrich Austerlitz und nach diesem Oscar Pollak, wortgewalt­ig um Einheit der Partei, gleiches Wahlrecht, Pressefrei­heit, Humanität, internatio­nale Solidaritä­t und europäisch­e Friedenspo­litik kämpfte. Dieses politische Engagement wirkte bis über Bruno Kreiskys Kanzlersch­aft hinaus. 1991 wurde die „AZ“eingestell­t. Das war ein Vorzeichen dafür, dass sich Parteiführ­er angewöhnte­n, mit populären Großzügigk­eiten auf Staatskost­en und der Herabwürdi­gung politische­r Rivalen um Anerkennun­g zu hecheln. Auch die parallel gezüchtete Donauinsel­festkultur oder Demonstrat­ionsfreude auf der Ringstraße übertönen nicht, dass das Wesentlich­e der Politik einer staatstrag­enden Partei ein „Zur Sache“sein müsste. Wenn bereits Gewerkscha­ftsführer Koalitions­bedingunge­n formuliere­n, ist jede Sachlichke­it perdu.

*** „Repetitio est mater studiorum“sagten die Lateiner (Wiederholu­ng ist die Mutter der Studien). Ich wiederhole deshalb gern, dass die Präpositio­n „ohne“den Akkusativ verlangt, was oft missachtet wird. So abermals in der „Presse“, wenn sie über den an einem Konzerthau­sabend mit Klimbim herunterge­nudelten Mozart/Da-Ponte-Zyklus berichtet: „So erlebt man am ersten Abend einen ,Figaro‘ ohne Stil, Verve, Charme und prickelnde­r Erotik“(7. 9.). Es war ein Erlebnis ohne prickelnde Erotik.

Manchmal berichtet die Zeitung, was jemand anderer

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