Die Presse

Was macht die Hefe im Teig?

Brot oder Gebäck mit Hefeteig – oder auf gut Österreich­isch Germteig – begleitet den Menschen schon nachweisli­ch seit den Phöniziern.

- VON LISBETH LEGAT [ Foto: Boku] Was wollten Sie schon immer wissen? Senden Sie Fragen an: wissen@diepresse.com

Hefe ist ein etwa sechs bis zwölf Mikrometer langer einzellige­r Pilz, der eine Gärung bewirkt. „Sie kommt ubiquitär vor. Heute wird sie industriel­l erzeugt, d. h. speziell gezüchtet“, erläutert Henry Jäger, stellvertr­etender Leiter des Instituts für Lebensmitt­eltechnolo­gie der Universitä­t für Bodenkultu­r (Boku) Wien.

Hefepilze und ihre gärende Wirkung haben die Menschen schon sehr früh genutzt. Die Phönizier etwa waren bekannt für ihr Bier, in Ägypten gab es bereits vor mehr als 4000 Jahren rund dreißig verschiede­ne Brotsorten.

„Früher haben sich die Menschen damit beholfen, einfach ein Stück Teig aufzubewah­ren und damit den nächsten Germteig herzustell­en, etwa wie eine Essigmutte­r oder wie zum Beispiel bei belgischen Bieren: Hier erfolgte die Fermentati­on in Räumen, in denen sich bereits sehr viel Hefe angesammel­t hat“, erklärt Jäger.

Durch Kneten entsteht ein Gerüst

Hefe braucht zum Starten des Stoffwechs­els Zucker, Wärme, Feuchtigke­it. „Verwendet man etwa Trockenhef­e, muss man ihr zuerst Feuchtigke­it beigeben. Die Hefe setzt den Zucker, den man ihr mit dem Mehl zuführt, in Kohlendiox­id um. Dieses CO2 würde aber ohne umgebende Struktur verpuffen. Damit das Brot oder Gebäck wie gewünscht aufgeht, benötigt man eine Struktur, die das Gas festhält. Man kann es sich wie bei einem Luftballon vorstellen, in dem sich das Gas gegen die Hülle stemmt“, so der Lebensmitt­eltechnolo­ge.

„Gebildet wird diese Struktur durch das Weizeneiwe­iß, das Gluten. Dieses Gluten bildet ein Netzwerk, welches das Kohlendiox­id im Teig hält und gleichzeit­ig elastisch genug ist, um aufzugehen.“Um dieses Netzwerk aus dem „Weizenkleb­er“zu erzeugen, muss der Teig richtig geknetet werden. Durch das Kneten entsteht das Gerüst für die Gasbläsche­n.

Diese Bläschen sind dann im Teig verteilt und werden größer. „Das sind die Poren, die zum Beispiel im Brot nach dem Backen übrig bleiben“, erklärt Jäger.

Nicht zu viel oder zu wenig kneten

Das alles funktionie­rt aber schlecht oder gar nicht, wenn es zu kalt ist, wenn der Teig zu trocken ist oder zu fest oder wenn man zu wenig oder zu viel knetet. Dann kann sich kein Eiweißgerü­st bilden. Zucker zuzuführen, ist übrigens nicht notwendig: „Wasser und die Kohlenhydr­ate bzw. der Zucker im Mehl reichen aus, um den Gärungspro­zess in Gang zu setzen.“Am Ende der Zubereitun­g stehen das Backen, Kochen oder Dämpfen, wie zum Beispiel bei Germknödel­n. „Die Hitze verfestigt die Teigstrukt­ur. Allerdings muss man zum richtigen Zeitpunkt backen, sonst fällt der Teig zusammen, weil die Struktur nicht rechtzeiti­g fixiert wurde.“

Im Prinzip reichen dafür Temperatur­en um 80 Grad. Bei Brot allerdings muss die Temperatur höher sein, weil man eine Kruste haben möchte, die erst bei Temperatur­en über 100 Grad entsteht.

Das vermeintli­ch einfache Backen eines Brotes ist also ein recht komplizier­ter mikrobiolo­gischer, chemischer und physikalis­cher Vorgang. Dass uns das so gut schmeckt – und das schon seit Jahrtausen­den – hängt damit zusammen, dass durch die Hefe und das Backen angenehme Aromastoff­e entstehen, deren Geruch und Geschmack wir schwer widerstehe­n können.

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„Die Hefe setzt den Zucker, den man ihr mit dem Mehl zuführt, in CO2 um.“ Henry Jäger, Boku Wien

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