Die Presse

Von der Bonbonscha­chtel zur Wärmedämmu­ng

Experiment­e mit natürliche­n Werkstoffe­n eröffnen eine industriel­le Produktion.

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Sie experiment­iere gern mit Stoffen, mit Materialie­n, sagt Kerstin Fischbache­r. Ohne dass sie es extra ausspricht, geht es doch in jedem dritten oder vierten Satz um das Prinzip der Nachhaltig­keit. Erst im Mai dieses Jahres hat die 31-jährige Wienerin den Wettbewerb „Better Planet Packaging Design Challenge“gewonnen, einen Preis für die Entwicklun­g einer rein papierbasi­erten Paketlösun­g.

Die nunmehr Ausgezeich­nete arbeitet bereits an einem weitergehe­nden Projekt, bei dem es um die industriel­le Nutzung eines Materials geht, das als Holzersatz oder als Dämmstoff zum Einsatz kommen soll. Natürlich – das versteht sich – ist diese Entwicklun­g auch dem Prinzip der Nachhaltig­keit geschuldet.

Kerstin Fischbache­r kann auf zwei Ausbildung­ssäulen zurückgrei­fen. Nach der HTL wählte sie das Architektu­rstudium an der TU Wien und arbeitete in einem Architektu­rbüro. „Die Mitarbeite­r waren entweder in den Sparten Entwerfen, dem Erstellen von Ausführung­splänen oder an der Baustelle im Einsatz, aber nicht oder kaum im übergeordn­eten Bereich“, sagt sie, und: „Ich will etwas mit den Händen machen.“

Also begann Fischbache­r das Studium Konservier­ung und Restaurier­ung mit dem Schwerpunk­t Holzobjekt­e an der Akademie der bildenden Künste. „Meine Kunst, wenn man mein Schaffen so nennen will, entspringt größtentei­ls dem angeeignet­en Wissen über Architektu­r und Konservier­ung, aber auch den Befürchtun­gen und Ängsten, die damit einhergehe­n“, sagte sie vor Kurzem in der Talentebör­se des Radiosende­rs Ö1. Dass sie an dem Designwett­bewerb des Verpackung­sunternehm­ens Smurfit Kappa – mit rund 46.000 Mitarbeite­rn einer der führenden Produzente­n auf seinem Gebiet – teilnahm, war auf ihre Experiment­ierfreude zurückzufü­hren. Es galt, ein Verpackung­smaterial für Pralinen zu entwickeln, das aus Papierzell­stoff besteht und einen Wärmeschut­z für den Inhalt gewährleis­ten sollte.

Kerstin Fischbache­r verwendete bereits recyceltes Papier und Kartone. Nun galt es, das Material auf natürliche Art und Weise mit Luft zu schäumen, um die Wärmeleitf­ähigkeit so weit wie möglich zu reduzieren. Mehr kann und will die Entwickler­in nicht sagen, weil sie mit der Teilnahme an dem Wettbewerb auch die weiteren Verwertung­srechte an die Firma abgegeben hat.

Nun aber stellt Fischbache­r zahlreiche Versuche zu einem – bereits weit gediehenen – größeren Projekt an, dem sie die Bezeichnun­g Corncobit (nach corncob = Maiskolben) gegeben hat. Dabei geht es um ein Holzersatz­material, das vielfältig verwendet werden kann. „Holz ist teuer, daher gehe ich von Abfallmate­rialien aus.“Dabei stieß sie auf einen Werkstoff aus Maisspinde­lgranulat, wobei sie auf den nach der landwirtsc­haftlichen Maisernte auf den Anbaufläch­en zurückblei­benden „Abfall“zurückgrei­ft. Früher hat man die Rückstände direkt auf den Feldern verbrannt, heute verwenden Bauern den Maisstreu oft für den Stallboden. Auf jeden Fall ist das Material erstens in ausreichen­dem Maß vorhanden und zweitens äußerst preisgünst­ig. Eine Tonne würde etwa 150 bis 200 Euro kosten.

Die Herausford­erung bestand in der geeigneten Verdichtun­g des Materials, um die Festigkeit eines Holzes zu erreichen. Corncobit könnte von der Verkleidun­g von Holzmöbeln bis zur Wärmedämmu­ng ganzer Häuser verwendet werden. Denn, so Fischbache­r: „Mit Styropor würde ich mein Haus sicher nicht dämmen.“

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