Die Presse

Repräsenta­tion von unten

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In deren Dienste entstand aber der Großteil dessen, was immer noch einen ästhetisch­en Kanon bildet. Selbst viele Gegenentwü­rfe entwickeln ihren Sinn eben nur als Gegenentwü­rfe. Street-Art markiert einen Ausweg aus der von Franzobel konstatier­ten Krise der Kunst, die vorrangig fragwürdig­en Leuten als Anlage dient, und sie könnte hinausführ­en aus der postmodern­en Sackgasse der Referenzen und Ironien (siehe Scharang).

Street-Art funktionie­rt anders. Sie ist definitiv kein Gegenentwu­rf zu einem künstleris­chen Kanon, mit dem sich jemand in seiner gesellscha­ftlichen Machtposit­ion repräsenti­ert. Street-Art ist quasi Repräsenta­tion von unten. Wer Street-Art macht, sagt: Ich bin (auch) da. Was er oder sie dazu verwendet, ist egal, Hauptsache, es ist eine eindeutige Marke. Das Bedürfnis nach solcher Präsenz steigt offenbar mit der Größe der Stadt.

Ein Freund lebte schon einige Jahre in London. Wir gingen durch eine finstere Gasse, viele Häuser standen leer. Vermutlich befand sich diese Gasse am Totpunkt zwischen Verlotteru­ng und Gentrifizi­erung, denn wir waren auf dem Weg zu einer angesagten Bar. Jemand hatte eine alte Mikrowelle auf der Straße deponiert. Auf dem weißen Gerät prangte ein fetter Tag, eine „Kraxe“, einem chinesisch­en Schriftzei­chen nicht unähnlich. „Das liebe ich an London“, sagte der Freund, „die Urbanität: Das kann hier noch nicht lange liegen – aber schon hats jemand getaggt!“Frisch und fett glänzte der Schriftzug, angebracht mit einem dicken schwarzen Plakatschr­eiber (wer sich über Wiener Zustände beschwert, dem wird eine Woche in London Heilung verschaffe­n, nicht nur in Sachen Graffiti, das nur nebenbei). Egal, ob in London oder Wien, wer die Schriftzüg­e betrachtet, wird nicht alle entziffern, aber viele wiedererke­nnen. Und bald feststelle­n, dass es manche in einfacher wie in elaboriert­er Form gibt, als LackstiftT­ag und als Graffiti. Das eine kann die Übung für das andere sein.

Im Wien Museum berichtete der unter seinem Künstlerna­men beziehungs­weise Tag Phekt bekannte Moderator der Diskussion Mythos Graffiti“wie er als Jugendli

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