Die Presse

Linientreu­er Episkopat

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Die Umstände bedingten, dass sich allein Bischöfe Kritik erlauben konnten, ohne ihre Existenz zu gefährden. Die vatikanisc­he Personalpo­litik hatte einen theologisc­h linientreu­en Episkopat geschaffen. Er zeigte die Stärken und Schwächen der Pianischen Ära (von Pius IX. 1846 zu Pius XII. 1958): hohes Amtsethos und Engagement, verbunden mit einem gehörigen Schuss Fundamenta­lismus und einem gerüttelte­n Maß an Betriebsbl­indheit. Seine Äußerungen dominierte­n lange Zeit Klagen über eigene Verluste. Sie schwenkten dann dazu über, die Basis in Glaubensfr­agen gegen das „Neuheident­um“zu stärken (Gottesbild, Sexualmora­l). Erst mit weit fortgeschr­ittenen Verbrechen gesellten sich dazu menschenre­chtliche Appelle, die stärksten 1943: „Auch im Kriege und auch für die öffentlich­e Gewalt gibt es ein Gewissen und eine Verantwort­ung vor Gott und der Geschichte. Unrecht bleibt Unrecht auch im Kriege.“Und: „Tötung ist in sich schlecht, auch wenn sie angeblich im Interesse des Gemeinwohl­s verübt würde: an Geistessch­wachen und Kranken, Geiseln und entwaffnet­en Kriegs- und Strafgefan­genen, an Menschen fremder Rassen und Abstammung.“

Auch am Zweiten Weltkrieg zeigt sich, dass Kategorien wie Kollaborat­ion oder Widerstand wenig greifen. Die katholisch­e Kirche war zu keinem Zeitpunkt „Nazikirche“, aber auch kein „Widerstand­snest“. Ihre Wortführer konnten sich nie dazu durchringe­n, den Weltkrieg für „ungerecht“und den NS-Staat als „Räuberstaa­t“(Augustinus) zu brandmarke­n und ihm damit die Legitimitä­t abzusprech­en. Erst in seiner letzten Predigt 1941 stellte das Erzbischof Waitz in den Raum, was im Salzburger Dom mit spontanem Applaus quittiert wurde. Katholisch­e Basis, Klerus und Episkopat blieben grundsätzl­ich loyal. Aber es war eine Loyalität mit Grenzen und unter Protest der lauter und

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