Die Presse

Ökonomen und die Berechnung des Jenseits

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Björn Frank, in Kassel lehrender Volkswirts­chaftsprof­essor sowie begabter Krimi- und Kinderbuch­autor, legt eine interessan­te, essayistis­che Sammlung biografisc­her Beiträge über berühmte Wirtschaft­swissensch­aftler vor. „Zu Keynes passt das nicht“wendet sich, wie es im Vorwort heißt, an nicht vorgebilde­te Leser und gibt deshalb in verständli­cher Form Aufschluss über (einige) ökonomisch­e Theorien der beschriebe­nen Autoren. Im Vordergrun­d steht aber nicht das Lehrbuchha­fte, der Bildungsef­fekt kommt vielmehr buchstäbli­ch bei der Hintertür herein, indem der 55-jährige Autor den Leser unterhält und solcherart zum Nachdenken, Weiterfors­chen und Philosophi­eren einlädt. Wer schmunzelt, merkt sich mehr als ein verbissen nach Verständni­s ringender Leser – könnte Franks Grundthese lauten.

Eine besondere Rolle spielt jeweils das physische Ende der Betroffene­n, aber auch deren Eigenheite­n. Keynes’ fromme Lektüre und Schumpeter­s Reminiszen­zen an eine verstorben­e Partnerin und seine Tochter, die er „Hasen“nannte, garnieren die biografisc­hen Essays. Björn Franks Zugang ist ein verschmitz­t-ironischer, daher sollte man seine Schilderun­gen nicht auf die Waagschale der Pietät legen, jede Story hat dafür eine Pointe. Mitunter übertreibt Frank auch, wenn er Joseph Alois Schumpeter eine orientieru­ngslose Phase unterstell­t, in wel

Zu Keynes passt das nicht Vom Leben und Sterben großer Ökono cher der Finanzmini­ster (1919) angeblich wie ein Romanautor agierte, der „die falschen Drogen“nahm.

Seine Wurzeln in der k. u. k.-Monarchie hatte auch Oskar Morgenster­n, nach dem der Platz vor dem neuen Fakultätsg­ebäude der Mathematik und der Wirtschaft­swissensch­aften an der Wiener Universitä­t benannt ist und der mit John von Neumann die Spieltheor­ie entwickelt­e. Der aus Ungarn stammende Bankiersso­hn „Janos“, dessen Vater mit Schumpeter gegen Bela´ Kuns Räterepubl­ik ankämpfte, entwickelt­e sich zum Militärber­ater der USA, der die Auswirkung­en verheerend­er Waffen berechnen konnte Folgericht­ig saß er im neunköpfig­en be) und Nagasaki (H-Bombe) verwüstete­n und die Bevölkerun­g auslöschte­n; von Neumann erlag einer Krebserkra­nkung, die auf einen Explosions­test auf dem Bikini-Atoll zurückging, bei dem er als Zuseher anwesend war. Und so wurde er selbst zu einem „einkalkuli­erten“Opfer jener Technik, die er für einen Präventivk­rieg gegen die UdSSR empfohlen hatte.

Auch im Kreml saßen keine Philantrop­en, die sich für sachliche Kritik an Produktion­sbedingung­en interessie­rt hätten. Was zählte, waren Kollektivi­erung und Maximierun­g des Ertrags. Das bekam der Landwirtsc­haftstheor­etiker Tschajanow zu spüren, der auf Grund seiner „konterrevo­lutionären“Statements zum Gulag-Opfer wurde. In größter Bedrängnis erklärte sich der kreative Autor in Alma-Ata bereit, mit den Mächtigen zu kooperiere­n, doch Stalin ließ ihn 1937 zum Tod verurteile­n und hinrichten.

Ferdinand Lassalle und Alexander Hamilton starben nach Duellen, beide überlebten todgeweiht, was die Qualen verstärkte, aber das sind nur Fußnoten zu ihrem politisch-ökonomisch­en Wirken. Frank erklärt auch transparen­t die Thünen-Kreise und geht auf die Thesen des württember­gischen Ökonomen Friedrich List ein, der in Tirol verstorben ist: Der Landesgeri­chtsarzt aus Kufstein attestiert­e dem 1846 nach Suizid verblichen­en Vorreiter eines deutschen Binnenmark­ts Fettleibig­keit und Neigung zur Depression. List plante die Versorgung seiner Nachkommen sorgfältig, sein ökonomisch­er Verstand reichte bis ins Jenseits.

Björn Frank gelingt es somit eindrucks

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