Anstrengung unterm Dach
IWer traf wen? Wohin ging der Gastgeber nach der Zeit in Herrliberg? Seine Frau? Ein frühes Erfolgsstück des Gastes?
Qnteressant, aber auch anstrengend sei das Zusammentreffen mit dem anderen, das er beinahe manchmal absagen wolle, notiert der Mann in seinem Tagebuch. Dennoch nimmt er, der Radfahrer, die Einladung des berühmten Theatermachers an und fährt nach Herrliberg nahe Zürich.
Die Wohnung des Gastgebers ist in einem alten Gärtnerhaus im Dachgeschoß untergebracht. Gastgeber und Gast essen in der Küche, wo die Frau des Theatermachers Vorzügliches zaubert. Mit schwarzem Kaffee in der Hand begeben sich die beiden Herren dann in den Arbeitsraum. Sie diskutieren über Architektur und übers Wohnen – der Gast ist studierter Architekt. Am häufigsten dreht sich das Gespräch aber doch um Fragen des Theaters, der Regie, der Schauspielerei, ebenso um solche des schriftstellerischen Handwerks. Der Gast ist indes nicht nur Architekt, sondern seinerseits Schriftsteller, der soeben auf der literarischen Landkarte aufgetaucht ist.
Der Gastgeber hat eine Marotte: Um besser denken und sprechen zu können, geht er im Zimmer mit Alpenblick auf und ab. Der Raum ähnelt einer Werkstatt: Darin zu finden sind Schreibmaschine, Blätter, Schere, eine Kiste mit Büchern. Außerdem gibt es ein Radio, eine Schachtel mit Zigarren und Sessel, die nur aufrechtes Sitzen gestatten. An der Wand hängt eine einrollbare chinesische Malerei, die jetzt entfaltet ist. „Alles ist so unheimisch“, lautet das Urteil des Gastes.
Nicht viel anders mag es damals in Finnland ausgesehen haben, als der Dichter und Theatermacher notierte: „Im Lautsprecher höre ich die Siegesmeldungen des Abschaums. / Neugierig betrachte ich die Karte des Erdteils. / Hoch oben in Lappland / nach dem nördlichen Eismeer zu / sehe ich noch eine kleine Tür.“
Der Besucher, der beim Radfahren oft gute Einfälle hat und deswegen gern mit dem Drahtesel unterwegs ist, ist fasziniert vom deutschen Gastgeber, wie er in seinem Tagebuch verzeichnet. Er schreibt das dem Umstand zu, dass „hier ein Leben wirklich vom Denken aus gelebt wird – während unser Denken meistens nur eine nachträgliche Rechtfertigung ist; nicht das Lenkende, sondern das Geschleppte“.