Das Auktionshaus wird zum Komplettanbieter
Die großen Veränderungen im Auktionsgeschäft brachten die Globalisierung und die Digitalisierung. Der Wettbewerb ist viel härter geworden, sagt Sotheby’s Österreich-Chefin Andrea Jungmann.
Die Presse: Sotheby’s feiert heuer 275-jähriges Bestehen. Was war die erste Auktion? Andrea Jungmann: Sotheby’s begann mit der Versteigerung von Büchern. Die erste Auktion fand 1744 in London statt und umfasste mehrere hundert rare und wertvolle Bücher. Sie brachte insgesamt 826 Pfund ein. 1883 wurde das Geschäft um Kunst erweitert. Sotheby’s war auch das erste Auktionshaus, das nach Amerika expandierte. 1955 wurde die Niederlassung in New York eröffnet.
Was war die erste große Kunstauktion? 1937 wurde eine vier Tage dauernde Auktion in einer der Rothschild-Residenzen in Piccadilly abgehalten. Es war ein riesiges Event mit zahlreichen internationalen Gästen und wurde von der BBC übertragen. Für die Zukunft des Auktionsgeschäfts ausschlaggebend war aber sicherlich die Versteigerung der Sammlung von Jakob Goldschmidt mit wichtigen Gemälden von E´douard Manet, Paul Cezanne,´ Vincent Van Gogh und Pierre-August Renoir im Jahr 1958. Der damalig Sotheby’s-Präsident, Peter Wilson, hatte die Idee, aus der Auktion ein glamouröses Abendevent zu machen, zu dem Gäste wie Kirk Douglas, Anthony Quinn und Lady Churchill kamen. Das war der Beginn der bis heute wichtigen Evening Sales. Die Auktion wurde zum sozialen Event.
Wann fanden die ersten Auktionen für zeitgenössische Kunst statt? Das war Anfang der 1970er-Jahre. Um genau zu sein 1973 mit der Versteigerung der Sammlung von Robert C. Scull. Da waren zum ersten Mal Werke von lebenden Künstlern wie Andy Warhol, Jasper Johns und Robert Rauschenberg unter den Losen. Die Auktion war auch sehr erfolgreich und erzielte mehr als zwei Millionen Dollar.
Was waren die wichtigsten Veränderungen für den Kunstmarkt? Die größten Veränderungen brachten sicher die Globalisierung und die Digitalisierung des Marktes. Wobei die beiden Hand in Hand gehen. Früher gab es nur Europa und die USA, jetzt sind wir weltweit aktiv. Heute kann man übers Internet live beispielsweise bei der Auktion in Hongkong mitbieten. Mit der Globalisierung hat der weltweite Reichtum zugenommen. So ab 2005/06 ist die Zahl der sehr Wohlhabenden immer mehr geworden. Deshalb ist bei der Finanzkrise 2008 der Kunstmarkt auch nicht komplett eingebrochen. Die Reichen sind reich geblieben.
Wie entwickelt sich aktuell der Markt? Der Markt ist noch stark, aber es ist eine gewisse Unsicherheit zu merken. Das liegt sicherlich auch an der derzeitigen politischen Lage der Welt: Brasilien, Hongkong, Nahost, die Käufer dieser Regionen haben andere Sorgen als Kunst zu kaufen. Und wir kommen nur sehr schwer an wirklich gute Ware heran. Das macht es nicht leichter.
Welche Sparten sind am gefragtesten? Impressionisten, Zeitgenössische Kunst, Alte Meister und Juwelen. Bei diesen Sparten sprechen wir von den vier Global Departments. Das ist unser wirtschaftliches Rückgrat. Die restlichen Sparten sind eine nette Ergänzung. Wie wird sich der Brexit auswirken? Das ist schwer zu sagen. Es werden wohl wieder Zölle kommen, das wird sicher mühsamer. Andererseits, wenn man Kunst in die USA bringt, ist das genauso. Und wenn womöglich das Pfund zum Euro billiger wird, dann könnte sich das sogar positiv auswirken.
Wie sieht die Zukunft aus? Die Digitalisierung ist ein wichtiges Thema. Vor allem auch für die jüngeren Käufer. Und wir werden zunehmend zu einem Komplettanbieter. Damit dringen wir in Bereiche ein, die wir bisher nicht angeboten haben. Wir haben eine eigene forensische Abteilung, Restaurateure, wir haben mit Sotheby’s Home eine Onlineplattform geschaffen, wo wir Designermöbel und Interiors, also Lifestyle, verkaufen. Wir haben aber auch den Mei-Moses-Index gekauft, der Preisanalysen von Kunst ermöglicht und das digitale Start-up Thread Genius, um mit Hilfe von künstlicher Intelligenz und Datenanalyse dem Kunden das anzubieten, was ihn wirklich interessiert. Wir gehen viel mehr auf die Bedürfnisse der Kunden ein. Sie sind aber auch viel fordernder geworden. Das merke ich sogar hier in Österreich. Die Konkurrenz im Auktionsgeschäft ist hart.
Ich habe das Gefühl, dass bei Auktionen die Vermarktung und die Inszenierung immer wichtiger wird. Story-Telling ist wichtig geworden und kann preislich einen Unterschied machen. Aber die Qualität muss trotzdem stimmen, sonst hilft das beste Marketing nicht. Natürlich geht es auch darum, dass wir als Auktionshaus spezielle Erlebnisse schaffen. Unsere Events sind schon toll. Aber die Galerien machen das auch. Wir wollen auch mehr Cross-Selling machen. Dafür sind unsere Treasure Sales da, um Sammlern andere Sparten näher zu bringen. Und auch da spielt Inszenierung eine wichtige Rolle. Da bauen wir beispielsweise einen italienischen Palazzo nach.
Sie haben vorher die jüngeren Käufer erwähnt. Ich höre immer wieder aus dem Markt, dass es an nachkommenden Sammlern fehlt. Sehen Sie das auch? Ja absolut, die Jugend kommt nicht nach. Wobei sogar die Generation von 30 bis 45 Jahren kaum kauft. Es gibt Initiativen, wie in Deutschland den Young Collectors Club und hier in Wien mache ich das Artist Quarterly. Das ist nicht nur dazu da, um junge Künstler zu fördern, sondern auch um junge Leute für Kunst zu begeistern.
Warum lässt die jüngere Generation so aus? In Österreich haben wir sicherlich ein bildungspolitisches Problem. An den Schulen wird immer noch Kunst im alten Stil unterrichtet. Man geht mit den Kindern ins Museum und das ist langweilig. Es fehlt völlig der Spaßfaktor.