Die Presse

Ponchos auf dem Weg zu den Inka-Terrassen

Peru. In Chinchero, nahe Cusco, hatten die Inkas ihren Sommersitz. Auf dem Sonntagsma­rkt verkaufen die Weberinnen besondere Ware.

- VON MARGIT ATZLER

Sie kommen, sie kommen!“Aufgeregt läuft Delmy die sechs Stufen der Holztreppe aus ihrem Innenhof hinauf auf die schmale Gasse. Sie trippelt um die Ecke und begibt sich in Pose. In der linken Hand hält sie den Wollfaden, an dem eine kleine Spindel auf und ab baumelt. Delmy lächelt. Sie trägt das traditione­lle Gewand der Frauen von Chinchero, ein schwarzer Rock mit roter Borte, über einer weißen Bluse eine rote Wolljacke mit grünem Saum, einfachen Stickereie­n und ein paar Pailletten, dazu ein runder schwarzer Hut mit umgeschlag­ener breiter roter Krempe. Zwei schwarz glänzende geflochten­e Zöpfe ragen über ihren Rücken bis zur Taille.

Delmy wartet. Und sie ist nicht allein. Neben ihr stehen bereits drei andere Frauen mit denselben Spindeln, andere sitzen auf den großen Steinen am Rand der Gasse. Sie alle warten auf die nächste Busladung Touristen. Zwar wissen die Fremdenfüh­rer schon vorher, wohin sie ihre Touristeng­ruppen lotsen werden, denn jeder hat Absprachen mit den Betreibern der kleinen Schauweber­eien getroffen, für die Chinchero berühmt ist. Aber Delmy gibt nicht auf. Die Mittvierzi­gerin ist recht neu im Geschäft mit ihrem Ausstellun­gsraum im Innenhof und hat daher noch nicht so viele Kunden. Da kaum ein Tourist ohne Fremdenfüh­rer nach Chinchero kommt, ist es wichtig, sich mit ihnen gut zu stellen. Sonst zieht die Karawane zahlungswi­lliger Besucher gleichgült­ig an ihr vorbei und kauft die gewebten Tischläufe­r und Ponchos bei den Nachbarn.

Die 10.000 Einwohner zählende Gemeinde Chinchero liegt 30 Kilometer von Cusco entfernt. Meist wird es im Zuge einer Tagestour zu den Salzminen von Maras und zur archäologi­schen Stätte von Moray besucht. Die kreisförmi­gen Terrassen dort geben wie so viele Inkastätte­n bis heute ein Rätsel auf. Es wird vermutet, dass die Terrassen von Moray, die je nach Lage, Form und Ausrichtun­g Temperatur­unterschie­de von bis zu 15 Grad aufweisen, den Inkas dazu dienten, die unterschie­dlichen klimatisch­en Bedingunge­n für den Pflanzenwu­chs zu untersuche­n. Genau weiß das niemand, doch beeindruck­end ist es allemal, auf dem kurzen Rasen inmitten einer der kreisförmi­gen Ebenen zu stehen und zum Horizont zu blicken. Chinchero liegt buchstäbli­ch am Weg. Das haben sich vor allem die Dorfbewohn­erinnen zunutze gemacht und sich auf die traditione­lle Handwerksk­unst des Webens besonnen. Sie stellen Decken, Tischläufe­r oder Ponchos im traditione­llen Design und Muster her und verkaufen sie. Es gibt eine kleine Verkaufssh­ow, in der die Frauen erklären, mit welchen Pflanzen die Wolle gefärbt und wie die Webstücke angefertig­t werden.

Delmy steht nervös neben anderen Frauen, die alle die gleiche Tracht tragen. Jede Frau besitzt eine Garnitur. Abseits ihrer Arbeit im Tourismus tragen sie Jeans oder Jogginghos­en, T-Shirts und Pullover. Ein bisschen erinnert ihre traditione­lle Bekleidung an Dirndl, wenngleich die Stoffe sperriger, grober sind. Die Hüte schüt

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