Erzähl’ mir eine Geschichte
Storytelling. Information in Geschichten zu verpacken ist so alt wie die Menschheit selbst. Warum wird dies im Unternehmenskontext nur so selten genützt?
Ein Smoothie-Hersteller erzählt gern den Mythos seiner Gründung: Auf einem Musikfestival verkauften drei Londoner Studienfreunde selbst pürierte Obstsäfte. Neben ihren Stand stellten sie zwei große Mistkübel, daneben ein Schild: „Wenn Ihnen unsere Smoothies schmecken, werfen Sie die leeren Flaschen bitte in den linken Kübel. Wenn nicht, in den rechten.“Am Abend war der linke Kübel voll, die drei fühlten sich bestärkt, kündigten ihre alten Jobs und stiegen ins Getränkebusiness ein.
Bei wem sind beim Lesen keine Bilder aufgepoppt? Die Burschen, das Festival, die Mistkübel, die Spannung, welcher Kübel am Abend voll ist – das ist Storytelling vom Feinsten. Es berührt, es lässt keinen kalt, man merkt sich die Geschichte. Und kauft das Produkt.
Information in Geschichten zu packen ist so alt wie die Menschheit selbst. Nur die Wirtschaft beschränkte sich bislang auf das Präsentieren nackter Fakten. Das ändert sich gerade. An der FH Burgenland gibt es sogar einen Lehrgang für Storytelling, geleitet von Silvia Ettl-Huber, Vizerektorin für Forschung und Innovation.
Ettl-Huber schickt ihre Studierenden im Web auf die Suche nach Beispielen für gute Narrative. Diese passieren den meisten Unternehmen eher zufällig: „Das sind dann nette Geschichten von Gründern, die ein Problem erkannten und sich in den Kopf setzten, es zu lösen.“Doch sie sind selten. Auf den meisten Homepages findet man eher langweilig-tabellarische Auflistungen der Meilensteine der Firmenhistorie. Verpasste Gelegenheiten: „Das merkt sich keiner.“Statt Geschichten zu erzählen, strotzen die meisten Seiten vor knochentrockenen Texten a` la „Mit unseren motivierten Mitarbeitern bieten wir IT-Lösungen an 40 Standorten.“Wie spannend.
Eine „merkenswerte“Firmengeschichte zu texten, kostet Zeit und Liebe zum Detail. Ettl-Hubers Bauanleitung: „Es braucht lebendige Figuren und eine Handlung, die in Ort und Zeit verankert ist.“In anderen Worten: In der Firmenstory muss etwas passieren, das Gefühle weckt.
Geschichten für Bewerber
Noch seltener wird Storytelling in der Personalarbeit genutzt. Es ist einfacher, die Anforderungen an eine Stelle taxativ aufzuzählen: „Wir suchen eine/n teamorientierte/n Transportmanager/in mit guten Englischkenntnissen.“
Ettl-Huber lässt ihre Studierenden solche Inserate umtexten. „Warum der Kaffee manchmal kalt wird“, lautete dann der Titel dieser Anzeige für eine Spedition: „Ein normaler Tag kann ganz schön stressig werden. In Chile ging eine Steinlawine ab und versperrt unserem Lkw den Weg. In Italien ist ein Frächter in einen Unfall verwickelt. Können Sie damit umgehen?“
Dieser Text hat Bilder, Vorgänge, Emotionen – und gibt einen ehrlichen Eindruck vom Job. Wobei gerade diese Ehrlichkeit manchmal auf dem Prüfstand steht. „Wir haben etwa lang über ein Inserat für die Altenpflege diskutiert. Unsere Version lautete sinngemäß: ,Können Sie das? Sie spielen Schach mit einer Heimbewohnerin, da kommt ein dementer Mitbewohner und beschimpft Sie. Was tun Sie?‘“
Hier lautete die Frage: Die übliche weichgespülte Ich-tue-Gutes-Jobidylle oder schonungslose Offenheit in einem Bereich, in dem es besonders schwer ist, Mitarbeiter zu finden?
Auch du, Kandidat
Auch für Bewerber ist es eine gute Idee, die Highlights aus dem eigenen Werdegang in Geschichten zu verpacken. Ausdrücklich ist hier nicht das ausufernd-lineare Herunterbeten des gesamten Lebenslaufs gemeint, sondern das lebendige Erzählen seiner Höhepunkte. Das kommt beim Recruiter jedenfalls besser an als: „Zuletzt war ich verantwortlich für x Mitarbeiter und y Budget.“
Auch hier kostet das Herausarbeiten der Pointen einiges an Zeit. Die sich lohnt. Bei gleicher Qualifikation wird der Kandidat engagiert, der dem Recruiter am besten in Erinnerung geblieben ist.