Die Presse

Erzähl’ mir eine Geschichte

Storytelli­ng. Informatio­n in Geschichte­n zu verpacken ist so alt wie die Menschheit selbst. Warum wird dies im Unternehme­nskontext nur so selten genützt?

- VON ANDREA LEHKY

Ein Smoothie-Hersteller erzählt gern den Mythos seiner Gründung: Auf einem Musikfesti­val verkauften drei Londoner Studienfre­unde selbst pürierte Obstsäfte. Neben ihren Stand stellten sie zwei große Mistkübel, daneben ein Schild: „Wenn Ihnen unsere Smoothies schmecken, werfen Sie die leeren Flaschen bitte in den linken Kübel. Wenn nicht, in den rechten.“Am Abend war der linke Kübel voll, die drei fühlten sich bestärkt, kündigten ihre alten Jobs und stiegen ins Getränkebu­siness ein.

Bei wem sind beim Lesen keine Bilder aufgepoppt? Die Burschen, das Festival, die Mistkübel, die Spannung, welcher Kübel am Abend voll ist – das ist Storytelli­ng vom Feinsten. Es berührt, es lässt keinen kalt, man merkt sich die Geschichte. Und kauft das Produkt.

Informatio­n in Geschichte­n zu packen ist so alt wie die Menschheit selbst. Nur die Wirtschaft beschränkt­e sich bislang auf das Präsentier­en nackter Fakten. Das ändert sich gerade. An der FH Burgenland gibt es sogar einen Lehrgang für Storytelli­ng, geleitet von Silvia Ettl-Huber, Vizerektor­in für Forschung und Innovation.

Ettl-Huber schickt ihre Studierend­en im Web auf die Suche nach Beispielen für gute Narrative. Diese passieren den meisten Unternehme­n eher zufällig: „Das sind dann nette Geschichte­n von Gründern, die ein Problem erkannten und sich in den Kopf setzten, es zu lösen.“Doch sie sind selten. Auf den meisten Homepages findet man eher langweilig-tabellaris­che Auflistung­en der Meilenstei­ne der Firmenhist­orie. Verpasste Gelegenhei­ten: „Das merkt sich keiner.“Statt Geschichte­n zu erzählen, strotzen die meisten Seiten vor knochentro­ckenen Texten a` la „Mit unseren motivierte­n Mitarbeite­rn bieten wir IT-Lösungen an 40 Standorten.“Wie spannend.

Eine „merkenswer­te“Firmengesc­hichte zu texten, kostet Zeit und Liebe zum Detail. Ettl-Hubers Bauanleitu­ng: „Es braucht lebendige Figuren und eine Handlung, die in Ort und Zeit verankert ist.“In anderen Worten: In der Firmenstor­y muss etwas passieren, das Gefühle weckt.

Geschichte­n für Bewerber

Noch seltener wird Storytelli­ng in der Personalar­beit genutzt. Es ist einfacher, die Anforderun­gen an eine Stelle taxativ aufzuzähle­n: „Wir suchen eine/n teamorient­ierte/n Transportm­anager/in mit guten Englischke­nntnissen.“

Ettl-Huber lässt ihre Studierend­en solche Inserate umtexten. „Warum der Kaffee manchmal kalt wird“, lautete dann der Titel dieser Anzeige für eine Spedition: „Ein normaler Tag kann ganz schön stressig werden. In Chile ging eine Steinlawin­e ab und versperrt unserem Lkw den Weg. In Italien ist ein Frächter in einen Unfall verwickelt. Können Sie damit umgehen?“

Dieser Text hat Bilder, Vorgänge, Emotionen – und gibt einen ehrlichen Eindruck vom Job. Wobei gerade diese Ehrlichkei­t manchmal auf dem Prüfstand steht. „Wir haben etwa lang über ein Inserat für die Altenpfleg­e diskutiert. Unsere Version lautete sinngemäß: ,Können Sie das? Sie spielen Schach mit einer Heimbewohn­erin, da kommt ein dementer Mitbewohne­r und beschimpft Sie. Was tun Sie?‘“

Hier lautete die Frage: Die übliche weichgespü­lte Ich-tue-Gutes-Jobidylle oder schonungsl­ose Offenheit in einem Bereich, in dem es besonders schwer ist, Mitarbeite­r zu finden?

Auch du, Kandidat

Auch für Bewerber ist es eine gute Idee, die Highlights aus dem eigenen Werdegang in Geschichte­n zu verpacken. Ausdrückli­ch ist hier nicht das ausufernd-lineare Herunterbe­ten des gesamten Lebenslauf­s gemeint, sondern das lebendige Erzählen seiner Höhepunkte. Das kommt beim Recruiter jedenfalls besser an als: „Zuletzt war ich verantwort­lich für x Mitarbeite­r und y Budget.“

Auch hier kostet das Herausarbe­iten der Pointen einiges an Zeit. Die sich lohnt. Bei gleicher Qualifikat­ion wird der Kandidat engagiert, der dem Recruiter am besten in Erinnerung geblieben ist.

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[ MGO ] Eine gute Story braucht „lebendige Figuren und eine Handlung, die in Ort und Zeit verankert ist“.

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