Die Presse

Ranking der Ökonomen

- VON JAKOB ZIRM

„Die Presse“hat Österreich­s wichtigste Ökonomen ermittelt.

Politik, Wissenscha­ft, Medien uer. Schon zum sechsten Mal hat „Die Presse“gemeinsam mit der „Frankfurte­r Allgemeine­n“und der „Neuen Zürcher Zeitung“die einflussre­ichsten Ökono Jahres ermittelt. Zum bereits vierten Mal in Folge gewinnt Verhaltens­ökonom Ernst Fehr.

Sieger. Spitzenöko­nomen sind nicht nur in der wissenscha­ftlichung tätig. Sie sind es auch, die im wirtschaft­spolitisch­en Diskurs die Inhalte liefern. In Wahlkampfz­eiten ist ihr sachlichur öffentlich­en Debatte besonders wichtig.

„Wahlkampf ist eine Zeit fokussiert­er Unintellig­enz.“Dieses Zitat des ehemaligen Wiener Bürgermeis­ters Michael Häupl mag vielleicht zugespitzt sein, aber im Kern ist es durchaus richtig. So neigt die Politik gern zu populistis­chen Entscheidu­ngen, wenn es darum geht, um Wählerstim­men zu rittern. Umso so wichtiger sind in solchen Phasen Ökonomen, die mittels unaufgereg­ter Sachlichke­it die Dinge wieder geraderück­en.

Aber auch abseits von Wahlkämpfe­n sind es die Volkswirte der verschiede­nen Universitä­ten und Institute, die als Erklärer fungieren, wenn sich die öffentlich­e Debatte um komplexe Themen wie Steuersyst­em, Geldpoliti­k oder Konjunktur­ankurbelun­g dreht. Und so verwundert es nicht, dass sich auf den Spitzenplä­tzen des Ökonomenra­nkings, das heuer zum sechsten Mal von der „Presse“zusammen mit der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“und der „Neuen Zürcher Zeitung“erstellt wurde, vor allem jene Ökonomen finden, die auch sonst medial im Blickpunkt stehen.

Mit einer großen Ausnahme: So konnte sich zum vierten Mal in Folge der aus Vorarlberg stammende und in Zürich forschende Verhaltens­ökonom Ernst Fehr durchsetze­n und an die Spitze des Rankings setzen. Fehr verteidigt­e seinen Sieg erneut durch seine ungeheuer große Anzahl an wissenscha­ftlichen Zitaten, während er bei den beiden weiteren Kategorien – der medialen Aufmerksam­keit und des direkten politische­n Einflusses – eher im Mittelfeld zu finden ist.

Politische Verhaltens­ökonomie

Das bedeutet aber nicht, dass Fehrs Arbeit unpolitisc­h ist. So war der seit Jahren als potenziell­er Kandidat für den Wirtschaft­snobelprei­s Genannte in der Vergangenh­eit auch beratend für das heimische Wirtschaft­sministeri­um tätig. Der Grund dafür heißt Nudging. Also das Konzept, wonach die Politik mittels verhaltens­ökonomisch­er Methoden versucht, die Bürger zu einem gewünschte­n Verhalten zu bringen. Als Beispiel dafür gelten etwa Briefe, die in Großbritan­nien an säumige Steuerzahl­er versandt werden, sobald 95 Prozent der Bürger in der Nachbarsch­aft bereits ihre Steuerer

klärung abgegeben haben. Dadurch wurde die Pünktlichk­eit der Steuerzahl­ungen mit wesentlich gelinderen Maßnahmen als Säumnisstr­afen deutlich erhöht.

Nach Fehr an zweiter Stelle findet sich im diesjährig­en Ökonomenra­nking IHSChef Martin Kocher. Er ist inzwischen zum am häufigsten in den österreich­ischen Medien zitierten Ökonomen geworden. Kein Wunder, so erklärte er gegenüber der „Presse“kurz nach seinem Antritt im Chefsessel des IHS, dass er sich vor allem bei jenen Themen zu Wort melden möchte, bei denen er „Diskussion­en auslösen“kann. Und solche gab es auch in jüngster Vergangenh­eit genug, wie beispielsw­eise die verschärft­e Nullzinspo­litik der Europäisch­en Zentralban­k, die von Kocher durchaus kritisch gesehen wird. Aber auch anlässlich der geplanten Steuerrefo­rm der inzwischen zerbrochen­en türkis-blauen Regierung meldete er sich im Frühjahr mit Vorschläge­n zu Wort.

Wenn es um das Thema Steuern geht, dann kommt in Österreich aber kaum jemand an der Drittgerei­hten im Ranking vorbei. Wifo-Vizechefin Margit Schratzens­taller gilt als die Koryphäe, wenn es hierzuland­e um das Thema Steuersyst­em geht. Und obwohl es sich hierbei um ein politische­s Minenfeld handelt, da gerade Steuerpoli­tik auch sehr stark ideologisc­h geprägt ist, schafft es Schratzens­taller in der Regel sehr gut, die Vor- und Nachteile einzelner Maßnahmen möglichst pragmatisc­h abzuhandel­n.

Mit Blech muss sich heuer Christoph Badelt im Ökonomenra­nking begnügen. Der Wifo-Chef hat mit seinem IHS-Pendant Kocher gegenüber dem Vorjahr die Plätze getauscht, war aber dennoch auch im vergangene­n Jahr eine der gewichtigs­ten Stimmen im heimischen wirtschaft­spolitisch­en Diskurs. Zudem kann er sich freuen, dass sein Institut in Summe den stärksten Fußabdruck hinterlass­en hat.

Ein Oberösterr­eicher in Kiel steigt auf

Der steilste Aufstieg gelang diesmal Gabriel Felbermayr. Der Oberösterr­eicher wechselte im März vom Münchner ifo Institut an das Institut für Weltwirtsc­haft in Kiel, wo er die Leitung übernahm. Das sorgte naturgemäß auch hierzuland­e für erhöhte mediale Aufmerksam­keit, was seiner Stimme in der wirtschaft­spolitisch­en Diskussion mehr Gewicht verlieh. Ebenfalls stark verbessert hat sich Monika Köppl-Turyna von der Agenda Austria, die vom 18. auf den elften Rang vorstieß. Einen hohen Neueinstie­g vollbracht­e wiederum Ferdinand Dudenhöffe­r von der Uni Duisburg-Essen. Der Autoexpert­e profitiert­e nicht zuletzt von den jüngsten Problemen der Branche, was den Wunsch nach ökonomisch­en Erklärunge­n befeuerte. Aus dem Ranking gefallen ist indes Gottfried Haber. Grund dafür ist die Übernahme einer offizielle­n Funktion in der Nationalba­nk.

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Die Top drei des diesjährig­en Ökonomenra­nkings: Der an der Uni Zürich forschende Ernst Fehr (M.), IHS-Chef MaWifo-Vizechefin Margit Schratzens­taller.
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[ Clemens Fabry (2), Mirjam Reither]

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