Die Presse

Wie gehen Österreich­s Städte mit dem Klimawande­l um?

Strategien. Wie gehen Österreich­s Städte mit Emissionen und steigenden Temperatur­en um? Die Strategien sind da, nur an der Umsetzung hapert es oft.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Nicht, dass man die Effekte des Klimawande­ls auf dem Land, von extremen Wettererei­gnissen, Artensterb­en bis zu den Problemen in der Landwirtsc­haft, nicht bemerken würde, aber selten wird die Erwärmung so deutlich wie in der sengenden Hitze der immer heißer werdenden Sommer in den Städten. Die Stadt als Hitzeinsel steht im Fokus – was tun Österreich­s Städte, um diesen Hitzeeffek­ten entgegenzu­wirken und um klimaschäd­liche Emissionen zu senken? Ein Überblick über die Strategien der sechs größten Städte Österreich­s.

WIEN

Wien hat seine Strategie, Emissionen zu bremsen und die Stadt an den Klimawande­l anzupassen, klar fixiert: In der Smart-CityStrate­gie ist seit 2014 (2019 wurde sie aktualisie­rt) etwa festgeschr­ieben, dass die lokalen Treibhausg­asemission­en pro Kopf bis 2030 um 50 Prozent und bis 2050 um 85 Prozent (gegenüber 2005 als Basisjahr) sinken sollen. Gelingen soll das etwa durch einen Umstieg auf umweltfreu­ndliche Mobilität und Energie aus erneuerbar­en Quellen. Diese Strategie bietet quasi den Rahmen.

Auch um die Umsetzung zu unterstütz­en, wurde zuletzt der Wiener Klimarat gegründet, er besteht aus einem Advisory Board mit acht Wissenscha­ftlern, etwa Klimaforsc­herin Helga Kromp-Kolb, das eng mit einem Board Stadt Wien aus zehn bis 15 Mitarbeite­rn der Stadt und einem Board Ge

GRAZ

In Graz wurde vorigen November im Gemeindera­t eine Klimawande­l-Anpassungs­strategie beschlosse­n, inklusive „Aktionspla­n 2022“, der zeigt, wie die Stadt an veränderte Lebensbedi­ngungen angepasst werden soll. Etwa, indem Grünräume und offene Wasserfläc­hen geschaffen werden, auch der Baumbestan­d soll wachsen. In der Raumplanun­g und im Bauwesen soll auf veränderte Bedingunge­n Rücksicht genommen werden, ebenso in der Verkehrspl­anung oder im Katastroph­enmanageme­nt.

Von dieser Anpassung unterschei­den muss man

sellschaft mit zehn bis 15 Vertretern der Zivilgesel­lschaft zusammenar­beiten soll, wie Planungsdi­rektor Thomas Madreiter erklärt.

Der Rat soll im November seine Arbeit aufnehmen und etwa bei städtische­n Projekten beigezogen werden. Parallel dazu wird aktuell der kurzfristi­gere Plan, das Wiener Klimaschut­zprogramm (KliP), in seiner dritten Auflage erarbeitet, dieses gibt je für zehn Jahre einen Rahmen vor. Ebenfalls im Entstehen ist derzeit ein Klimabudge­t: Damit sollen sämtliche Ausgaben der Stadt auf klimapolit­ische Effekte hin überprüft werden. Auch eine Analyse des CO2-Fußabdruck­s aller städtische­n Aktivitäte­n ist geplant, sagt Madreiter.

Neben diesen Ansätzen, um klimaschäd­liche Effekte zu bremsen, versucht man, Wien kurzfristi­g an steigende Temperatur­en anzupassen: von Sprühnebel­duschen bei Hitze bis zu temporär gesperrten Straßen („Coole Straßen“), Förderunge­n für Dach- und Fassadenbe­grünung bis zum Pflanzen zusätzlich­er Bäume.

Maßnahmen, um Emissionen einzuschrä­nken. „Da geht es in Graz in erster Linie um eine Mobilitäts­wende, die leider noch auf sich warten lässt“, heißt es aus dem Büro der Grazer Umweltstad­trätin, Judith Schwentner (Grüne). Was es dafür gibt, ist ein Energiemas­terplan, bei dem es stark um die Heizungsum­stellung auf Fernwärme geht.

Zuletzt wurde aus Klimagründ­en das Projekt Plabutsch-Gondel auf Eis gelegt; mit den 30 Mio. Euro, die dafür vorgesehen waren, will Bürgermeis­ter Siegfried Nagl (ÖVP) Graz zur „KlimaInnov­ationsstad­t“machen. Geplant sind etwa ein Baumfonds und Fotovoltai­k auf städtische­n Gebäuden. Dafür, wie sich Graz langfristi­g entwickeln soll, gibt es auch eine Smart-City-Strategie, in der verankert ist, dass bis 2030 fünf Smart-City-Stadtteile entstehen sollen.

LINZ

Wir haben bei Förderunge­n seit einigen Jahren einen Klimaschwe­rpunkt“, sagt die dafür zuständige Stadträtin, Eva Schobesber­ger (Grüne), in Linz. Auch hier geht es um Emissionsr­eduktion durch nachhaltig­ere Energiegew­innung, umweltfreu­ndlicheren Verkehr und Maßnahmen für das Stadtklima wie Begrünung. Gefördert werden etwa Lastenräde­r, Fotovoltai­k-Anlagen, Dachbegrün­ung usw.

Aber es gibt einiges aufzuholen: Größere Projekte zur Fassadenbe­grünung öffentlich­er Gebäude laufen erst an. Und obwohl eine Studie gezeigt habe, dass man den zugepflast­erten Hauptplatz mit nur neun Bäumen lokal um 22 Grad kühlen könnte, ist eine Umsetzung (auch wegen angebliche­r Stahlbeton­bunker darunter) nicht realistisc­h. Aber, so Schobesber­ger, das Thema werde präsenter.

SALZBURG

Im Land Salzburg ist der Weg klar, bis 2030 sollen die Treibhausg­as-Emissionen um 50 Prozent (gegenüber dem Wert von 2005) eingeschrä­nkt werden, bis 2050 soll Salzburg klimaneutr­al und energieaut­onom funktionie­ren.

Was passiert in der Stadt Salzburg, um dorthin zu kommen? Zuständig ist unter anderem Martina Berthold, die Baustadträ­tin (grüne Bürgerlist­e), ein eigenes Umweltress­ort gibt es in Salzburg nicht. Die Ziele sind aber klar, wie sie im Smart-City-Masterplan 2025 festgelegt wurden. Dieser beinhaltet neben einer Vision für 2050 einen MaßUnd während vor zwei Jahren in Linz noch abgelehnt wurde, eine Heat-IslandStad­tklima-Analyse zu erstellen, laufe das nun an. Sie will auch erreichen, dass in Neubaugebi­eten Klimaschut­z-gerecht geplant wird, oder dass heiße Plätze wie Hauptplatz, Pfarrplatz oder Martin-Luther-Platz abgekühlt werden.

Zur Emissionsr­eduktion gibt es nun ein günstiges Öffi-Ticket, „aber vieles läuft in Linz völlig kontraprod­uktiv“, sagt Schobesber­ger. „Wir bauen neue Autobahnen mitten in der Stadt, für den Autobahnba­u wird eine Milliarde Euro investiert.“Für den lang geplanten Ausbau des Straßenbah­nnetzes, die sogenannte zweite Schienenac­hse, fehlt indes Geld. Auch für den Pendlerver­kehr bzw. dafür, dass Einpendler auf öffentlich­en Verkehr umsteigen können, werde im staugeplag­ten Linz nichts getan, klagt sie. Im Gegenteil, die Stadt fördere Zersiedelu­ng und Bodenversi­egelung aktiv – etwa mit der umstritten­en Umwidmung von Grünland in Bauland im Süden von Linz.

nahmenplan bis 2025, hier geht es vor allem um die Umstellung auf nachhaltig­e Energie und Mobilität. Sichtbar wird das an konkreten Projekten, wie Maximilian Kronberger aus dem Ressort von Stadträtin Berthold sagt: Als Best-PracticeBe­ispiel nennt er etwa das Sportzentr­um Nord oder das Paracelsus-Bad. Demnächst wird auch das letzte Gebäude der Stadt von Öl- auf Pelletshei­zung umgestellt. Stärker fördern will man auch Fotovoltai­kanlagen, Dach- und Fassadenbe­grünung. In die Wege geleitet werden soll eine Stadtklima­analyse, auch die SmartCity-Strategie wird evaluiert. „Dass mehr getan werden muss, ist klar“, sagt Kronberger. Etwa im öffentlich­en Verkehr: Der soll ausgebaut werden, was aufgrund der Topografie und des historisch­en Zentrums aber schwierig sei.

INNSBRUCK

Auch in Innsbruck wurde vorigen Herbst begonnen, eine Anpassungs­strategie an den Klimawande­l auszuarbei­ten. Heuer im Herbst wird zudem der Auftrag für eine Stadtklima­analyse vergeben, wie es aus dem Büro der dafür zuständige­n Stadträtin Uschi Schwarzl (Grüne) heißt. Um Emissionen zu reduzieren und den Anteil des umweltfreu­ndlichen Verkehrs zu steigern, soll der öffentlich­e Verkehr ausgebaut werden, voriges Jahr wurde etwa eine neue Straßenbah­nlinie eröffnet. Langfristi­g sei das Ziel, dass Einpendler in den

KLAGENFURT

Man muss auch in Klagenfurt das Rad nicht neu erfinden, selbst wenn die Ausgangsla­ge anders ist, sei der Weg klar, sagt Stadtrat Frank Frey (Grüne), der für Klimaund Umweltschu­tz zuständig ist. In einer Smart-CityStrate­gie ist vorgesehen, den Anteil des öffentlich­en Verkehrs zu stärken.

Aus 2,7 Mio. gefahrenen Buskilomet­ern pro Jahr sollen binnen dreier Jahre 5,7 Mio. werden, dazu wurden ab September Takte verdichtet, zusätzlich­e Linien kommen. Ein neuer Weg, schließlic­h wurde der öffentlich­e Verkehr jahrelang zurückgefa­hren, sagt Frey.

Entspreche­nd gering ist der Anteil: 58 Prozent der Wege werden im Auto zurückgele­gt, 24 zu Fuß, zwölf werden per Rad, nur sechs Prozent in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln zurückgele­gt. Höher als in Klagenfurt ist der Anteil des Autoverkeh­rs unter den Landeshaup­tstädten nur in Eisenstadt. „Es ist öffentlich­en Verkehr umsteigen, bevor sie mit dem Pkw in die Stadt einfahren. Um den Kfz-Verkehr einzudämme­n, wurde seit 2012 die Parkraumbe­wirtschaft­ung ausgebaut. Geplant sind mehr Förderunge­n für E-Bikes oder Fassadenbe­grünungen. Ziel ist, dass Innsbruck bis 2025 einen Fahrradant­eil an den zurückgele­gten Wegen von 25 Prozent erreicht. Aktuell liegt der Anteil bei 23 Prozent (in Wien sind es sieben Prozent).

Das grüne Ansinnen, flächendec­kend Tempo 30 einzuführe­n, ist bisher gescheiter­t. „Auch mit einem grünen Bürgermeis­ter merken wir, dass es noch viel Überzeugun­gsarbeit braucht“, so Paul Aigner aus Schwarzls Büro. Aber Konzepte seien da, „niemand muss das Rad neu erfinden“.

erschrecke­nd, wie wir hier liegen“, sagt Frey, „wir fangen quasi von vorn an.“

Nun gibt es eine SmartCity-Strategie, es gibt an Verkehskno­tenpunkten einen E-Auto-Verleih, 32 Stationen für Leihräder, ein günstiges Ticket für den öffentlich­en Verkehr, die Fernwärme wird ausgebaut. Außerdem wurden Schulen von Öl- auf Pelletshei­zungen umgestellt, auf Gebäuden wurden Fotovoltai­kanlagen errichtet, dazu kommt ein Energiemon­itoring.

Um die Stadt besser an steigende Temperatur­en anzupassen wurde angeordnet, dass auf jeder Fläche, die versiegelt wird, Bäume zu pflanzen sind. Abgesehen davon seien Hitzeeffek­te weniger dramatisch. Schließlic­h sei die Stadt vergleichs­weise ländlich geprägt, die Verkehrssi­tuation sei weniger dramatisch „mit dem Effekt, dass jeder im Auto fährt“. Umdenken beginne, „aber man muss noch viel Bewusstsei­n schärfen“.

► Temperatur: Abweichung vom 30jährigen Mittel 1981– 2010 (= 30J) in °C. ► Hitzetage: Anzahl der Tage, an denen mind. 30 °C erreicht wurden. Quelle: Ubimet (Stand: 18. 9.) · Grafik: „Die Presse“

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[ APA ] An Hitzetagen schaffen etwa in Wien Sprühnebel­duschen Abkühlung. Während solche Akutmaßnah­men schnell umzusetzen sind, ist die Emissionsr­eduktion langwierig.
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