Von Bedrohungen der Natur und der katholischen Identität
Vatikan. Bei der Amazonas-Synode geht es ab Sonntag nicht nur um Brasiliens Regenwald, sondern auch um die Möglichkeit verheirateter Priester.
„Denen geht es doch überhaupt nicht um die verdammten Bäume“, rief Brasiliens Präsident zuletzt vor dem Palacio´ do Planalto, dem Regierungspalast in Bras´ılia. Damit ihn alle TV-Kameras gut einfangen konnten, hatte er sich auf ein Stockerl gestellt, um die angeblich wahren Beweggründe der Regenwaldverteidiger in aller Welt zu benennen: „Auf die Bodenschätze sind die scharf!“
Kurz vor diesem Auftritt hatte Jair Bolsonaro eine Delegation von Garimpeiros empfangen, so heißen in Brasilien die Abenteurer, die auf der Suche nach Gold und andern wertvollen Ressourcen in den tiefsten Regenwald vorstoßen, an dessen leidvollem Zustand sich im August Bolsonaros bisher schwerste internationale Krise entzündete. Mehrere EU-Staaten drohten, den im Juni unterzeichneten Freihandelsvertrag mit dem südamerikanischen MercosurBlock nicht zu ratifizieren; Österreichs Nationalrat verlangte mit breiter Mehrheit, dass auch die künftige Regierung den Vertrag nicht umsetzen werde.
Und die nächste Auseinandersetzung steht bevor: Ab Sonntag wird im Vatikan eine Amazonas-Synode drei Wochen über den Zustand des großen Sauerstoffproduzenten und CO2-Einfängers debattieren. Dabei geht es um eine aus Sicht der Kirche doppelte Verwüstung: die Zerstörung der Natur und die Bedrohung der katholischen Identität im Herzen des Kontinents, aus dem der Papst stammt.
2017 rief Franziskus im peruanischen Puerto Maldonado die Synode ein. Da war der Tropenwald schon schwer angegriffen. Aber die Wahl Bolsonaros verschärfte den Konflikt weiter. Franziskus ist nicht nur alarmiert über das Vordringen von Goldsuchern, Holzräubern und Zuhältern, ihn beunruhigt auch das der evangelikalen Missionare. Brasiliens mehr als 30.000 Freikirchen sind zum Teil milliardenschwere Konzerne und haben gegenüber der katholischen Kirche enorme Personalvorteile: Sie produzieren Pastoren via Schnellverfahren, das nur einen Bruchteil der Studienzeit verschlingt, die eine katholische Priesterausbildung verlangt. Und: Freikirchen haben keinen Zölibat.
Darum praktiziert die katholische Kirche in den Tiefen des Urwalds seit Langem, was offiziell nicht sein darf: Die Seelsorge der Indigenen übernehmen in vielen Fällen verheiratete Laien – Männer und Frauen. Die Praxis wird auf der Synode intensiv diskutiert werden und könnte womöglich einen Segen bekommen, was den Einstieg in den Ausstieg vom Zölibat bedeuten könnte.
„Es wäre eine sehr notwendige Veränderung, weil wir lang die Realität vernachlässigt haben“, erklärt die Soziologin Marcia Oliveira aus der Stadt Boa Vista. „In 30 Jahren hat die Kirche die Hälfte dessen verloren, was sie in 500 Jahren Evangelisierung erreicht hat“, sagt die Expertin, die an der Synode teilnimmt. Massive innerkirchliche Auseinandersetzungen drohen.
Aber nicht nur die; es gibt auch noch einen weiteren Konflikt zwischen Bras´ılia und Rom: Bolsonaro, als Nachfahre italienischer Einwanderer katholisch erzogen, hat sich seit Jahren just der freikirchlichen Bewegung angeschlossen. Die Versammlung Gottes, die 1911 im Amazonasgebiet gegründete mächtigste evangelische Kirchen Brasiliens, zählt mit ihrem Geld und Medienimperium zu Bolsonaros mächtigsten Stützen.
Bolsonaro reiht die katholische Kirche umgekehrt bei den „Globalistas“ein. Das sind in seiner Gedankenwelt internationale Verschwörer gegen das christliche Abendland, die angeblich die Ziele der marxistischen Befreiung durch die Globalisierung umsetzen wollten. Darum verfolgt er die katholischen Bischöfe mit derart großem Misstrauen, dass er sogar den Inlandsgeheimdienst Abin aktiviert hat, wie er kürzlich einräumte.