Ursula von der Leyens große Baustellen
Neue EU-Kommission. Ein halbes Dutzend designierter Kommissare ringt um die Bestellung, einige dürften noch ersetzt werden.
Während die Handwerker dieser Tage Ursula von der Leyens Dienstwohnung im Hauptquartier der Europäischen Kommission fertigstellen, rumort es bei der Zusammenstellung ihres Kommissarskollegiums enorm. Nach der ersten von zwei geplanten Wochen der Anhörungen in den zuständigen Fachausschüssen des Europaparlaments sind zwei Kandidaten bereits abgelehnt, schwebt über dem politischen Schicksal eines dritten das Damoklesschwert eines erneuten negativen Votums der Abgeordneten, und muss sogar die erklärte Favoritin des Präsidenten Frankreichs befürchten, aus dem Verfahren ausgeschieden zu werden.
Die Entscheidung der designierten Kommissionspräsidentin, auf eine private Wohnung in Brüssel zu verzichten und stattdessen unter der Woche auf spartanischen 25 Quadratmetern im Berlaymont-Gebäude zu leben, hat ihr vor allem in den deutschen Boulevardmedien das Lob vorbildlicher Sparsamkeit eingebracht. Doch viele Beobachter sehen in dieser Entscheidung den Ausdruck einer Haltung gegenüber der Öffentlichkeit, die böse Zungen als „Bunkermentalität“bezeichnen. Von der Leyen gibt sich rar; Anfragen zu den Polemiken um die abgelehnten Kandidaten aus Rumänien und Ungarn, Rovana Plumb und Laszl´o´ Trocs´a-´ nyi, beantwortet ihr Sprecher vage und ausweichend. Sie selbst hat sich seit ihrer Pressekonferenz vor drei Wochen öffentlich keinen Journalistenfragen mehr gestellt.
Revanchefoul an Macron
Vor allem eine Personalie dürfte die Präsidentin beunruhigen. Sylvie Goulard, die französische Liberale, welche das neue Superressort Binnenmarkt, Industrie und Verteidigung führen soll, steht knapp vor dem Ende. Aus heutiger Sicht könne er nicht sagen, ob sie wie geplant diesen Posten werde einnehmen können, erklärte ein Diplomat. Das liegt nicht nur daran, dass die frühere Europaabgeordnete und Vizegouverneurin der französischen Notenbank bei ihrer Anhörung am Mittwoch den Eindruck erweckte, die Vorwürfe wegen ihrer einstigen Zweitbeschäftigung bei einem USThinktank um die Monatsgage von 12.000 Euro als Petitesse wegwischen zu wollen.
Wesentlich schwerer gegen sie wiegt der Umstand, dass sie vor allem der Europäischen Volkspartei (EVP) ein allzu leichtes Ziel abgibt, um ein Revanchefoul an Präsident Emmanuel Macron zu verüben. Er war es schließlich, der beim Europäischen Rat Anfang Juli den Spitzenkandidatenprozess versenkt und somit die Aussicht von Manfred Weber, dem EVP-Fraktionsführer, auf den Posten an der Spitze der Kommission verunmöglicht hatte. Weber lanciert dieser Tage hinter den Kulissen seine „schweren Zweifel“an der Eignung Goulards für dieses Amt. Der Animus seiner Abgeordneten gegen sie war bei der Anhörung mit Händen zu greifen. Zwar stimmten auch die anderen Gruppen (bis auf Goulards Liberalen) dafür, sie schriftlichen Fragen und einer zweiten, neunzigminütigen Anhörung zu unterziehen, doch nur die EVP scheint willens, sie über die Klippe springen zu lassen.
Der dritte polnische Kandidat naht
Währenddessen sieht es so aus, als ob Polens nationalkonservative Regierung bereits den dritten Kandidaten nominieren wird müssen. Janusz Wojciechowski, der schon als Ersatz für Staatssekretär Krzysztof Szczerski einspringen musste, erhält zwar ebenfalls eine zweite Chance. Doch selbst der Umstand, dass er nach seiner schwachen Leistung sein Beraterteam ausgetauscht hat, könnte zu wenig sein. Schon wird in Brüssel und Warschau gemunkelt, dass Europaminister Konrad Szyman´ski für ihn einspringt.