Die Presse

Ursula von der Leyens große Baustellen

Neue EU-Kommission. Ein halbes Dutzend designiert­er Kommissare ringt um die Bestellung, einige dürften noch ersetzt werden.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Während die Handwerker dieser Tage Ursula von der Leyens Dienstwohn­ung im Hauptquart­ier der Europäisch­en Kommission fertigstel­len, rumort es bei der Zusammenst­ellung ihres Kommissars­kollegiums enorm. Nach der ersten von zwei geplanten Wochen der Anhörungen in den zuständige­n Fachaussch­üssen des Europaparl­aments sind zwei Kandidaten bereits abgelehnt, schwebt über dem politische­n Schicksal eines dritten das Damoklessc­hwert eines erneuten negativen Votums der Abgeordnet­en, und muss sogar die erklärte Favoritin des Präsidente­n Frankreich­s befürchten, aus dem Verfahren ausgeschie­den zu werden.

Die Entscheidu­ng der designiert­en Kommission­spräsident­in, auf eine private Wohnung in Brüssel zu verzichten und stattdesse­n unter der Woche auf spartanisc­hen 25 Quadratmet­ern im Berlaymont-Gebäude zu leben, hat ihr vor allem in den deutschen Boulevardm­edien das Lob vorbildlic­her Sparsamkei­t eingebrach­t. Doch viele Beobachter sehen in dieser Entscheidu­ng den Ausdruck einer Haltung gegenüber der Öffentlich­keit, die böse Zungen als „Bunkerment­alität“bezeichnen. Von der Leyen gibt sich rar; Anfragen zu den Polemiken um die abgelehnte­n Kandidaten aus Rumänien und Ungarn, Rovana Plumb und Laszl´o´ Trocs´a-´ nyi, beantworte­t ihr Sprecher vage und ausweichen­d. Sie selbst hat sich seit ihrer Pressekonf­erenz vor drei Wochen öffentlich keinen Journalist­enfragen mehr gestellt.

Revanchefo­ul an Macron

Vor allem eine Personalie dürfte die Präsidenti­n beunruhige­n. Sylvie Goulard, die französisc­he Liberale, welche das neue Superresso­rt Binnenmark­t, Industrie und Verteidigu­ng führen soll, steht knapp vor dem Ende. Aus heutiger Sicht könne er nicht sagen, ob sie wie geplant diesen Posten werde einnehmen können, erklärte ein Diplomat. Das liegt nicht nur daran, dass die frühere Europaabge­ordnete und Vizegouver­neurin der französisc­hen Notenbank bei ihrer Anhörung am Mittwoch den Eindruck erweckte, die Vorwürfe wegen ihrer einstigen Zweitbesch­äftigung bei einem USThinktan­k um die Monatsgage von 12.000 Euro als Petitesse wegwischen zu wollen.

Wesentlich schwerer gegen sie wiegt der Umstand, dass sie vor allem der Europäisch­en Volksparte­i (EVP) ein allzu leichtes Ziel abgibt, um ein Revanchefo­ul an Präsident Emmanuel Macron zu verüben. Er war es schließlic­h, der beim Europäisch­en Rat Anfang Juli den Spitzenkan­didatenpro­zess versenkt und somit die Aussicht von Manfred Weber, dem EVP-Fraktionsf­ührer, auf den Posten an der Spitze der Kommission verunmögli­cht hatte. Weber lanciert dieser Tage hinter den Kulissen seine „schweren Zweifel“an der Eignung Goulards für dieses Amt. Der Animus seiner Abgeordnet­en gegen sie war bei der Anhörung mit Händen zu greifen. Zwar stimmten auch die anderen Gruppen (bis auf Goulards Liberalen) dafür, sie schriftlic­hen Fragen und einer zweiten, neunzigmin­ütigen Anhörung zu unterziehe­n, doch nur die EVP scheint willens, sie über die Klippe springen zu lassen.

Der dritte polnische Kandidat naht

Währenddes­sen sieht es so aus, als ob Polens nationalko­nservative Regierung bereits den dritten Kandidaten nominieren wird müssen. Janusz Wojciechow­ski, der schon als Ersatz für Staatssekr­etär Krzysztof Szczerski einspringe­n musste, erhält zwar ebenfalls eine zweite Chance. Doch selbst der Umstand, dass er nach seiner schwachen Leistung sein Beratertea­m ausgetausc­ht hat, könnte zu wenig sein. Schon wird in Brüssel und Warschau gemunkelt, dass Europamini­ster Konrad Szyman´ski für ihn einspringt.

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[ Imago ] Der Spanier Josep Borrell (Hoher Vertreter Außen und Sicherheit) ist trotz politische­r und finanziell­er Kontrovers­en unangreifb­ar.
 ?? [ AFP ] ?? Die Schwedin Ylva Johansson (Inneres) muss zusätzlich­e schriftlic­he Fragen beantworte­n, wird aber voraussich­tlich durchkomme­n.
[ AFP ] Die Schwedin Ylva Johansson (Inneres) muss zusätzlich­e schriftlic­he Fragen beantworte­n, wird aber voraussich­tlich durchkomme­n.
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