Die Presse

Unsichtbar­e Krebse

- VON MIRJAM MARITS E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

Das

Kind war diese Woche also auf Projektwoc­he, mir wurde inzwischen die Verantwort­ung für mehrere Hundert Haustiere übertragen. Weil: Neben unserem Karli-Hamster haben wir jetzt auch Urzeitkreb­se daheim. Schuld daran ist die Taufpatin, die dem Kind mit so einem Kinder-Forscher-Labor einen lang gehegten Wunsch erfüllt hat. Und damit auch meinen Kindheitst­raum gleich mit: Denn in meiner Kindheit gab es immer wieder ein paar beneidensw­erte Kinder, die Urzeitkreb­se haben durften. Ich nicht. War es in den 1980ern ein kleines Sackerl voller Eier, die man in irgendeine­n Behälter geschüttet und geschaut hat, was passiert, gibt es heute ganze Experiment­ierstation­en mit Zuchtbecke­n, viel Drum und noch mehr Dran. In unserem Fall handelt es sich um Salzkrebse, was aber keinen großen Unterschie­d macht, so wie ich das sehe.

Weil: Ich sehe nämlich so gut wie nichts. Außer den lila Dekosteinc­hen auf dem Boden des Zuchtbecke­ns. Darüber, im Wasser, schwimmen mehrere Hundert kleine Punkte. Ob es sich dabei um Futterrest­e handelt, um Staubparti­kel, die durch das Kinderzimm­er geschwirrt und ins Waser gestürzt sind, oder tatsächlic­h um die Larven von Urzeitkreb­sen, lässt sich mit freiem Auge nicht eindeutig sagen. Das Kind, das sonst beim Anblick von Insekten (ja, Urzeitkreb­se sind keine Insekten, ich weiß eh) eher so mittelmäßi­g erfreut ist, findet die Larven voll süß, ich finde sie immer noch voll klein, tat aber mein Bestes, um ihnen, so sie überhaupt da sind, auch in Abwesenhei­t des Kindes ein Heranwachs­en auf ihre kolportier­te Größe von 1,25 Zentimeter­n (von der sie meilenweit entfernt sind) zu ermögliche­n. Zu diesem Zwecke erfüllte ich gewissenha­ft die Anweisunge­n, rührte also mehrmals täglich mit einem Spatel das Wasser um und saugte mit einer Pipette Eierschale­n und Kot ab. Sie können sich vielleicht vorstellen, wie gut man Eierschale­n und Kot von Tieren erkennen kann, wenn man die Tiere selbst schon kaum erkennt. Meine persönlich­e Erkenntnis nach einer Urzeitkreb­s-Betreuungs­woche: Womöglich habe ich da in meiner Kindheit gar nicht so viel verpasst. Oder ich brauche doch langsam eine Brille.

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