Die Presse

Der Informatik­er arbeitet eng mit Gehirnfors­chern zusammen, die die Zusammenhä­nge zwischen Genen und Gehirnscha­ltkreisen verstehen wollen.

- VON USCHI SORZ Alle Beiträge unter:

it zehn Jahren wollte Florian Ganglberge­r Weltraumwi­ssenschaft­ler werden. Da aber zu seiner Faszinatio­n für Forschung und Naturwisse­nschaften bald eine Computerle­idenschaft hinzukam, hätte er nach der Matura am liebsten so etwas wie Astroinfor­matik studiert, um all das zu vereinen. „Dieses Fach gab es leider nicht an den Unis“, sagt er mit nicht ganz ernst gemeintem Bedauern. Seine frühen Neigungen kann der Oberösterr­eicher nämlich trotzdem gut ausleben: Anstelle des Alls erkundet er nun eben das Gehirn. Ganglberge­r hat an der Technische­n Universitä­t Wien Medizinisc­he Informatik studiert und forscht am Wiener Zentrum für Virtual Reality und Visualisie­rung (VRVis) an neurobiolo­gischer Bildgebung.

„Ich untersuche, wie man riesige Datenmenge­n so aufbereite­t, dass Neurowisse­nschaftler­innen und -wissenscha­ftler sie effizient zur Beantwortu­ng ihrer Fragestell­ungen nutzen können“, erklärt der 30-Jährige seinen Forschungs­fokus. Denn müssten sie Zehntausen­de Bilder von Neuronen oder Gehirnnetz­werken mit Milliarden von Verbindung­en einzeln sichten, wären sie wohl lang beschäftig­t. Ganglberge­r hat im Zuge seiner kürzlich abgeschlos­senen Dissertati­on ein Computerpr­ogramm entwickelt, mit dem Gehirnfors­cher gezielt nach den Informatio­nen suchen können, die sie interessie­ren.

Die Basis sind Daten, die beschreibe­n, wie bestimmte Gehirnregi­onen strukturel­l, genetisch und funktionel­l miteinande­r in Zusammenha­ng stehen. Sie lassen sich außerdem mit räumlichen Daten, etwa aus MRTAufnahm­en, verknüpfen. „So kann man sich zum Beispiel anschauen, in welchen Arealen bestimmte Gene aktiv sind und ob und wie sie andere Hirnbereic­he aufgrund neuronaler Verbindung­en beeinfluss­en.“Zusammen mit Kooperatio­nspartnern des VRVis wird diese Software laufend erweitert.

„Man kann sich das vorstellen wie in einem Buchladen“, schildert Ganglberge­r. „Wir Informatik­er sortieren zunächst die Daten, etwa nach Alphabet, Kategorie oder Inhalt.“So wie Buchhändle­r einen Index heranzögen, um das Passende für ihre Kunden zu finden. Die Analogie geht aber noch weiter: „Was wir dann damit machen, funktionie­rt wie ein Webshop, in dem man gezielt nach Themen suchen, filtern und zusätzlich­e Aspekte wie Lesezeit, Reviews oder Bewertunge­n einsehen kann.“Fast wie Buchkäufer wühlen sich die Neurowisse­nschaftler durch die Informatio­nen.

„Der Austausch mit ihnen ist ein essenziell­er Teil meiner Arbeit“, sagt Ganglberge­r. „Schließlic­h muss ich die Herkunft, Bedeutung und Eigenschaf­ten der Daten verstehen.“Gerade den Blick über die Schultern der Forschende­n aus anderen Fachrichtu­ngen finde er besonders spannend. Schon bei seiner Diplomarbe­it zur Bilddatena­nalyse von Fruchtflie­genneurone­n hat er mit Biologen kooperiert. Deren Labor befand sich zufällig im selben Gebäude wie das Forschungs­zentrum für molekulare Medizin (CeMM), wo er damals einen Studentenj­ob hatte. „Während ich untertags am CeMM Daten aus der Krebsforsc­hung visuell und statistisc­h aufbereite­t habe, habe ich nachts ein paar Meter weiter meine ersten Schritte mit neurobiolo­gischen Daten gemacht.“

Aus derselben Zeit datiert sein Kontakt zu einer VRVis-Forscherin, die ebenfalls am Fruchtflie­gen-Projekt beteiligt war. Als er sie eineinhalb Jahre später bei einer Tagung wiedertraf, bot sie ihm eine Doktorande­nstelle am VRVis an. „Dafür musste ich ein Doktoratss­tudium an der Med-Uni Innsbruck zu computeras­sistierter Chirurgie aufgeben, doch ich habe es nie bereut.“Die Datenanaly­se habe ihn einfach stärker angezogen.

Im Übrigen sei auch Work-Life-Balance ein wichtiges Thema für Jungforsch­er, meint er. „Der Publikatio­nsdruck ist hoch.“Erholung finde er im Sport, aber mehr noch bei Quiz-Spielen. „Man könnte sagen, dass sich mein Wissensdur­st in die Freizeit überträgt.“Wöchentlic­h trifft er sich mit dem Freundeskr­eis in einem Lokal zum Pubquiz, im Mai übernahm er erstmals die Rolle des Quizmaster­s. „Dabei konnte ich es mir nicht verkneifen, meiner Freundin die Frage aller Fragen zu stellen.“

(30) studierte nach der HTL für Informatik in Perg an der TU Wien Medizinisc­he Informatik. Seit 2014 forscht er am VRVis zu neurobiolo­gischer Datenanaly­se. Parallel absolviert­e er in Kooperatio­n mit Wulf Haubensak am Forschungs­institut für Molekulare Pathologie (IMP) sein Doktorat zu diesem Thema an der TU Wien. Im September hat er promoviert.

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