Eine Lanze für Wohlstand durch Wachstum
Der schwedische Bestsellerautor und Filmemacher Johan Norberg sprach über „The Human Consequences of Growth“.
„Wirtschaftswachstum ist kurzfristig gesehen nicht alles. Langfristig ist es das aber sehr wohl“, widersprach Johan Norberg, Autor von „Das kapitalistische Manifest“, in seiner Keynote zum Tag der Industrie im Museum für angewandte Kunst in Wien allen Vertretern der Degrowth-Bewegung, die eine Wirtschaft ohne Wachstum fordern. Der Autor stützte seine Aussage auf ein historisches Beispiel: die wirtschaftliche Entwicklung Österreichs seit dem Jahr 1800.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte Österreich ein niedrigeres Bruttoinlandsprodukt als der heutige Sudan. Die damalige Kindersterblichkeit war fünf Mal höher als derzeit in Afghanistan, die Lebenserwartung um 25 Jahre geringer als jetzt in Haiti. Innerhalb von gerade einmal 200 Jahren habe Österreich sich zu einem reichen Industriestaat entwickelt und habe damit seinen Lebensstandard enorm steigern können. Weltweit sei der Wohlstand in dieser Zeit auf das Dreißigfache gestiegen. Als Auslöser für den rasanten Fortschritt benennt Norberg die freie Marktwirtschaft.
Trotz der wachsenden Einkommensschere hätten von den Entwicklungen vor allem Geringverdiener profitiert. „Jeff Bezos (Gründer von Amazon, Anm.) verdient etwa zehn Millionen Mal so viel wie ein durchschnittlicher Arbeiter. Sein Leben ist aber deswegen nicht zehn Millionen Mal besser“, argumentierte Norberg. Die Höhe des Einkommens sei weniger ausschlaggebend, viel eher ginge es um die damit verbundene Kaufkraft. Technologie, Mobilität und Gesundheit seien noch nie zuvor für so viele Menschen leistbar gewesen. Dazu kommt, dass nicht alle Wohlstandsfaktoren mit Geld messbar wären: Der Wert von Suchmaschinen, E-Mails oder der Verfügbarkeit von GPS und digitalen Karten werde kaum eingerechnet.
Regulatorischen Ideen, die eine ideale Welt quasi auf dem Reißbrett entwerfen wollen, erteilt der Bestsellerautor eine Absage: „Wir werden niemals in einer Utopie leben. Alles, was wir tun, hat unvorhersehbare Konsequenzen: Heilen wir Krankheiten mit Antibiotika, entwickeln sich antibiotikaresistente Keime; haben wir den Welthunger besiegt, steht Fettleibigkeit auf unserer Agenda; vermindern wir Armut, stoßen wir zu viel CO2 aus“, betonte Norberg. Gerade die Klimakrise stellt eine der größten Herausforderungen der nächsten Generationen dar und polarisiert die Gesellschaft wie kaum ein anderes Thema
Hier steht er im Clinch mit der Aktivistin Greta Thunberg. Es sei ein Märchen, dass eine stagnierende oder gar schrumpfende Wirtschaft die Umwelt retten würde. „Armut ist der größte Klimasünder. Solang sich Menschen die Schulbildung ihrer Kinder und die Gesundheitsversorgung ihrer Eltern nicht leisten können, denken sie nicht ans Klima“, argumentierte er.
Der stetige Wettbewerb motiviere Unternehmen in wohlhabenden Ländern dazu, sich weiterzuentwickeln und ressourcenschonender zu produzieren. Klimafreundliche Innovationen würden jedoch nur entwickelt werden, wenn die Wirtschaft dafür genügend Kapital zur Verfügung hätte, resümiert Norberg. (jp)