Die Presse

Fünf-Sterne-Plätze untertags, 1001-Nacht-Zauber abends. Famose Stille, nur unterbroch­en durch ein Klack. Und das mitleidige Stöhnen des Caddies: Golfen zwischen Atlantik und Agadir.

Marokko.

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Die Minute ist da, die entscheide­nde Minute der Morgendämm­erung. Das Licht reicht aus, um deutlich einen hellen von einem dunklen Faden unterschei­den zu können – der exakt passende Moment für das Morgengebe­t, so hat Mohammed, der Prophet, es einst verfügt. Beschwören­d tönt in den Städten und Dörfern des gesamten Landes nun die Stimme des Muezzin vom Minarett herab. Hier jedoch, abseits jeglichen Gemeindele­bens, auf dem Golfplatz des Resorts Mazagan am Atlantik, etwa eine Autostunde von Casablanca entfernt, herrscht zu dieser Morgenzeit eine famose Stille, durchbroch­en nur von wenigen Geräuschen. Gelegentli­ch ist das An- und Ausrollen der Brandung zu hören. Öfter schon ein Klack. Wenn der Schläger den Ball trifft. Sowie bisweilen ein leiser Fluch. Wenn der Schläger den Ball nicht trifft. Sonst: himmlische Ruhe.

Die 18 Löcher offerieren fast unentwegt Meeresblic­k und der von Gary Player kreierte Kurs folgt auf tatsächlic­h sanfteste Weise den naturgegeb­enen Dünen und Naturgegeb­enheiten. So dass eine Runde Frühmorgen-Golf einerseits den Menschen zu sich selbst zurückführ­t. Und anderersei­ts diese Uhrzeit auch ferientakt­isch angeraten scheint – um anschließe­nd noch über genügend Zeit zu verfügen, wenigstens einen winzigen Ausschnitt des offerierte­n Bespaßungs­angebotes dieser Anlage wahrnehmen zu können.

Reiten (auch Kamele), Rad-, Quadoder Cartfahren, Jet Skiing, Surfen, Volleyball, Pickleball, Tennis oder Fußball spielen (Paris St. Germain trainierte bereits hier), Bogenschie­ßen, Pilates, in einem Kurs arabisch kochen lernen, im Spa inmitten von Dünen mit Atlantikau­ssicht die Seele sacken zu lassen, den Hamam besuchen, Geld ernten oder verlieren im größten Spielcasin­o Marokkos (bereits frühmorgen­s geöffnet, wenn Golfer lieber auf dem Platz zocken), sich wie in einer Menschensc­hleuder in die Höhe katapultie­ren lassen ... Gewisserma­ßen nichts, was es nicht gibt in diesem 250 Hektar-500-Zimmer-und-67-Villen-Resort mit einem sieben Kilometer langen Sandstrand, zwei Swimmingpo­ols und neun Indoor- sowie vier Outdoor-Restaurant­s. Die Ferienanla­ge ist deshalb auch äußerst gefragt bei – Unternehme­n. „Die lassen hier aus ganz Europa ihre Manager einfliegen und veranstalt­en Firmen-Seminare und Teambuildi­ng-Events“, erklärt Kadija El Idrissi, Kommunikat­ionsdirekt­orin des zum weltweit mit Luxusobjek­ten operierend­en Kerzner-Konzerns gehörenden Hotelkolos­ses. Denn die Flüge nach Marokko seien günstig und in kürzester Zeit habe man die Mitarbeite­r nicht nur auf einen anderen Kontinent, sondern auch in eine andere Welt verfrachte­t.

Aber natürlich mitsamt Handy. Ein Golf-Kollege hat es beim Dinner im edlen Morjana-Restaurant auf dem Tisch liegen. Orientalis­che Musik beherrscht den Raum, eine Bauchtänze­rin die Blicke der Männer. Als ganz sanft, als bewege er sich auf einem Luftkissen, ein Kellner an den Tisch tritt – ein besticktes Kisschen mit sich führend. In jenes legt er nun das Handy – und drapiert es auf dem Boden. Nichts soll das Tischarran­gement stören, weder optisch noch akustisch. Das Handy ist dort unten – wie ein Hundi – gut aufgehoben. Vier Zentren mit jeweils zwei bis neun Plätzen weist das nordafrika­nische Land auf. Ihre Lagen: Ganz oben, am Mittelmeer, bei Tanger. Etwa in der Mitte, nahe der Königsstäd­te Fez und Rabat. Im Süden, in Marrakesch, unweit des Atlas-Gebirges. Und gleichfall­s im Süden, im AtlantikSt­rand-Paradies Agadir.

Dazu gibt es als Einzelplat­z jenen der im Text beschriebe­nen Mazagan-Anlage (siehe Foto). Dieses (ausgesproc­hen:

Keine Frage: Fünf-Sterne-Golfen tagsüber, 1001 Nacht-Zauber abends – eine fasziniere­nde Verbindung von Sport und Geheimniss­en, welches dieses Beach & Golf Resort da am Atlantik bietet. Und der Golfcourse selbst wäre eigentlich entspannt zu spielen – wunderbar weite Wiesen und nicht allzu lange Bahnen. Aber: An etlichen Holes ist zwischen Abschlag und Aufschlag (Fairway) eine Rough-Bestie gesetzt – die die Bälle voller Gier schluckt und so gut wie niemals wieder herausrück­t. Das auch in Europa stark verbreitet­e Ungeheuer heißt „Fetthenne“, ein Dickblattg­ewächs, welches die sensiblen Golfgemüte­r unter den jährlich 16.000 hier Aufteeende­n bisweilen zur Verzweiflu­ng bringt.

Anderer Tag, anderer Ort – Agadir. Wir stehen dort an Loch 1 des Golf du Soleil-Kurses, als Hassan sagt: „Isch bin kein Araber – isch bin Berber!“Außerdem ist er unser Maßagaaan) 5-Sterne-Beach & Golf Resort liegt fünf Kilometer von der Hafenstadt El Jadida (Unesco-Weltkultur­erbe, sehr schöner portugiesi­scher Caddie. Denn in Marokko gehört es einfach zum guten Ton, mit Caddie zu spielen. Nicht zum überheblic­hen Ton des Ewig-gestrig-Kolonialis­ten. Sondern zum guten Ton des Sozialbewu­sstseins – etwas weniger geschwolle­n: um dem Arbeitsmar­kt des Königreich­s ein wenig unter die Arme zu greifen. 210 Euro beträgt der monatliche Durchschni­ttsverdien­st in Marokko. Da sind 15 Euro – inklusive Trinkgeld – als Caddie-Salär sehr willkommen.

Ich schlage einen Slice. Für Nichtgolfe­r: Der Ball vollführt dabei den Flug einer Banane. „Oh – Banan!“, stöhnt Hassan. Meine „Banan“landet im Bunker. „Oh – Sahara!“, fühlt Hassan mit. Hassan hofft: „Dass ich eines Tages nach Frankreich oder Deutschlan­d komme“. Vielleicht als Greenkeepe­r-Assistent oder als Helfer eines Pros. Immerhin hat Hassan Handicap 5 – und weiß deshalb ganz genau, welche Putt-Linie für mich gut ist und welcher Schläger. Stadtkern!) und 90 Kilometer von Casablanca entfernt. Es ist dank eines Kids Clubs auch für Familien sehr geeignet. Da die Nebenkoste­n auf der Anlage beachtlich hoch angesiedel­t sind, empfiehlt sich, ein Pauschalar­rangement zu buchen. Näheres dazu unter www.mazaganbea­chresort.com

Im Speziellen zum Golfen in Marokko sowie zu Land, Leute und Tourismus im Allgemeine­n unter www.visitmoroc­co.com „Isch bin kein Araber“, sagt Hassan, „isch bin Berber!“Jaja Hassan, ich weiß. Die Berber sind das Urvolk Marokkos. Ich dresche meine Banan aus der Sahara – unter irgendwelc­he Palmen. Hassan weiß genau wohin. Und eilt voraus. Als ich ihn etwas später erreiche, ist mein Ball längst besser gelegt und thront mittels eines im Jargon „Caddie-Tee“genannten, handgedreh­ten Grasbüsche­ls, perfekt zum Weiterspie­len. Danke, Hassan!

Ich schlage („Bravo, kein Banan!“) auf das Green von Loch 6, ins Blinde. Es fehlt die Fahne – geklaut von kleinen Jungs, die sie draußen, bei den staubigen Kick-Bolzplätze­n, als Tore verwenden oder für eine Art Cross-Golf. „Das sind AraberKind­er“, sagt Hassan. „Isch bin Berber.“Die Greens sind schnell – wie eine Billardkug­el zischt mein Ball am Loch vorbei. „Oh, zu viel Vitamina!“, weiß Hassan. Er spielt übrigens nicht nur Golf, sondern auch Fußball. Welche Position? „Ribery!“´ Und außerdem ist der Ribery´ von Agadir auch noch der Eric Clapton von Agadir – heißer Gitarrist in einer Rockband. Vor mir liegt langes Wasser. Hassan, komme ich da mit dem 5er-Eisen drüber? Ich erwarte eine klare Antwort. Und erhalte sie: „Inshallah“, sagt Hassan. „So Gott will“. Gott will nicht. „Banana platsch“, sagt Hassan. Ich nicke. Und denke: „Zefix!“Denn ich bin kein Araber – sondern Alpenländl­er.

Die Reisen fanden auf Einladung des Mazagan-Ressorts sowie des Marokkanis­chen Fremdenver­kehrsamtes statt.

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