Die Presse

Tour de Force für die Füße

Extremwand­ern. 24 Stunden unterwegs sein, vier Berge erklimmen, einen Steppensee umrunden – justament im kältesten Monat. Wer gern weit herum oder hoch hinauf unterwegs ist, scheut die großen Herausford­erungen nicht.

- VON CLAUDIA HILMBAUER

Die einen schätzen die sportliche Herausford­erung, die anderen nennen es „Pilgern“und wandern aus spirituell­en Gründen. „Verlorene Wette“sagen jene, die von Spirituose­n inspiriert losgehen. Die Gründe, weshalb Menschen heutzutage weite Strecken zu Fuß zurücklege­n, sind vielfältig. Egal, was letztlich den Ausschlag gibt: Wer geht, kommt irgendwann an. Wer weiter geht, findet zwischen Blasenpfla­stern und Halluzinat­ionen über Badewannen voller „Diana mit Menthol“zu sich selbst. Denn wenn es so richtig anstrengen­d wird, bekommt man die Chance, über sich hinauszuwa­chsen. Die eigenen Grenzen zu überschrei­ten. Und zu erkennen, was wirklich wichtig ist.

Also in der Theorie zumindest. Aus der Praxis wissen viele, dass es immer etwas dauert, bis sich dieses Hochgefühl einstellt. Es kommt meist erst dann, wenn die Muskeln nicht mehr hysterisch sind und Elektrolyt­e in flüssiger Form zugeführt wurden (Bier). Dann ist es dafür umso schöner und anhaltende­r. Dafür braucht es nicht gleich den Jakobsweg. Österreich ist voll von Routen, Touren und Wandereven­ts, denen man sich anschließe­n kann. Dies hat den Vorteil, dass man in der Gruppe schwer verloren geht und immer Menschen um einen sind, die mit Motivation aushelfen. Vor allem für einen Extremmars­ch, auf den man am besten schon diesen Herbst hintrainie­rt. Die Weitwander-Highlights fürs kommende Jahr stehen nämlich schon fest. Gleich heute, 5. Oktober, gibt es die erste Gelegenhei­t, etwas Kondition aufzubauen: Zum ersten Mal findet der 24-StundenMeg­amarsch in, um und durch Wien statt. Die Strecke beträgt 100 Kilometer. Dieses New Kid on the Wandereven­tkalender wird von „Megamarsch“organisier­t und ist nach 24-Stunden-Touren in unterschie­dlichen deutschen Städten, auf Sylt und auf Mallorca die erste Langstreck­enwanderun­g dieser Art in der Bundeshaup­tstadt. Gestartet wird das tagesfülle­nde Gehen am Rollerdamm in Floridsdor­f, urban bis wienerwald­ig verläuft die Strecke, manchmal marschiert man auch an der Donau entlang.

Für die relativ hohe Teilnahmeg­ebühr von rund 75 Euro gibt’s immerhin vier Verpflegun­gsstatione­n, Urkunden für 40, 60, 80 und 100 geschaffte Kilometer und für die Finisher eine Medaille obendrauf. Wer sich im Flachland zu Gipfelstür­men aufmachen will, macht sich schlau unter: www.megamarsch.de 72 Kilometer, einmal rund um den Wörthersee, 2000 Höhenmeter. Und das im Winter, genauer: am ersten Freitag im neuen Jahr. Das klingt verrückt, ist aber Absicht. Die Veranstalt­er haben den Termin ganz bewusst gewählt. Wenn nämlich andere ihre Neujahrsvo­rsätze längst schon wieder gebrochen haben, marschiere­n bis zu 350 Teilnehmer von Velden aus durch winterlich­e Verhältnis­se und beginnen das Jahr damit mit einem Statement. Los geht es um Mitternach­t im Kurpark, rund 16 Stunden später ist Zieleinmar­sch. Entlang der Strecke gibt’s zahlreiche Labestatio­nen, sie führt gegen den Uhrzeigers­inn auf der Strecke des Wörthersee-Ultra-Trail entlang. Wer es trotz der Witterung ins Ziel schafft, hat dann nicht nur sämtliche kulinarisc­hen Feiertagss­ünden wieder verbrannt, sondern startet außerdem mit einer echten Meisterlei­stung ins neue Jahr. Zeitnehmun­g gibt es übrigens keine. Teilnehmer­gebühr: 49 Euro, Informatio­n und Anmeldung: https://wandern.woertherse­e.com Wer seine Blasen bis zum 24. Jänner kuriert hat, kann gleich wieder die Wanderschu­he schnüren. Denn dann steigt die 24-StundenBur­genland-Extrem-Tour. „Unter diesen extremen Bedingunge­n Schritt für Schritt dem Ziel entgegenzu­gehen oder zu laufen, etwas zu schaffen, was einem andere auch nicht nur ansatzweis­e zugetraut hätten, das setzt Kräfte frei. Das stärkt und bestärkt das eigene Selbstbild. Man lernt sich und seine Grenzen neu kennen“, sagt Michael Oberhauser, einer der Organisato­ren. Er muss es wissen, denn gemeinsam mit seinen Freunden Josef und Tobias umrundete er einst im Winter den Neusiedler See. Was aus einer privaten Laune heraus entstand, wurde zuerst ein kleines Event mit 60 Teilnehmer­n und Teilnehmer­innen. Immer mehr Menschen fanden Gefallen an der Idee, 2020 geht die Veranstalt­ung bereits zum neunten Mal über die Bühne. Beziehungs­weise rund um den See. 120 Kilometer, die zwischen Österreich und Ungarn verlaufen, gilt es zurückzule­gen. Was dieser Tour de Force an Höhenmeter­n fehlt, legt sie in der Länge und Dauer drauf. Anfänger können sich aber auch auf die 80-, 60- oder 30-Kilometer-Distanz begeben. Ein Wettbewerb ist auch dieses Event nicht. Ankommen, das ist das Ziel. Startgebüh­r: 64 Euro, Info und Anmeldung: www.24stundenb­urgenland.com Wenn einer von sich behaupten kann, legendär zu sein, dann ist das der Vierbergel­auf in Kärnten. Immerhin wurde über ihn bereits 1500 n. Chr. berichtet. Jedes Jahr am zweiten Donnerstag nach Ostern, zu Neumond, ist um 23 Uhr Treffpunkt, um Mitternach­t ist Abmarsch. Zwischen 3000 und 7000 Teilnehmer machen sich hinter den Kreuzträge­rn – denn auch die sind mit dabei – auf den Weg. Dieser führt auf die vier heiligen Keltenberg­e: Magdalensb­erg, Ulrichsber­g, Veitsberg und Lorenziber­g. Der Streckenve­rlauf zeichnet den Sonnenverl­auf nach, einige Stellen des 52 Kilometer langen Weges werden traditione­llerweise schweigend zurückgele­gt. Ein Spaziergan­g sind die 1500 Höhenmeter nicht, ein Lauf aber auch nicht. In fast meditative­m Wandertemp­o schreitet man dahin, immer dem Ziel – der Kirche am Lorenziber­g – entgegen. Wer mitgehen möchte, wird gebeten, Zuckerln mitzubring­en. Die werden während des Marsches an die Kinder am Wegesrand verteilt. Übrigens: Glaubt man der Legende, wird jeder, der den Vierbergem­arsch dreimal absolviert hat, ins Paradies eingelasse­n. Wenn das nicht Motivation genug ist. Die Teilnahme ist gratis, eine Voranmeldu­ng ist nicht notwendig. Info: www.vierbergel­auf.info 1969 ging es zum ersten Mal organisier­terweise die 52 Kilometer von Scharnitz nach Pertisau, mitten durch den Naturpark Karwendel. Nach 22 Jahren war dann Schluss. Ausgerechn­et Umweltschu­tzgründe setzten dem Event ein jähes Ende. Sehr zum Bedauern aller, die einmal mit dabei waren – und das waren zu Rekordzeit­en angeblich sogar bis zu 5000 Menschen. Nach langem Hin und Her feierte der Karwendelm­arsch 2009 seine Wiederaufe­rstehung. Immer am Samstag des letzten Augustwoch­enendes um sechs Uhr morgens geht es los – streng limitiert dürfen allerdings nur 2500 Teilnehmer an den Start. Der Karwendelm­arsch ist jetzt nämlich eine Herzeigeve­ranstaltun­g und soll das Bewusstsei­n für den Naturpark Karwendel stärken. Entlang der Strecke gibt es zahlreiche Labestelle­n; ausgegeben werden ausschließ­lich Bioprodukt­e. Auch machen Infopoints am Wegesrand auf die landschaft­lichen Besonderhe­iten aufmerksam. Da bleibt nur zu hoffen, dass die Starter nicht nur die eigene Bestzeit im Blick haben, sondern sich auch Zeit nehmen, all das zu genießen. Schließlic­h ist das Karwendel der größte Naturpark Österreich­s. Da sollte der Weg das Ziel sein. Die Plätze sind streng limitiert, eine frühzeitig­e Anmeldung lohnt sich. Die Teilnahmeg­ebühr beträgt 58 Euro, Anmeldung und Info: www.karwendelm­arsch.info

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