Schwätzende Kunsthistoriker gehören mit der Peitsche verjagt
Die internationale Museumslandschaft bebte diese Woche. Das Epizentrum: Wien. Die Peripherie: Florenz. So soll es auch bleiben.
Solche Condottieri sind fehl am Platz in Wien. Hier benötigt man einen feinen Taktstock.
In den Abteilungen für die schönen Künste im Gegengift gibt es eine Neigungsgruppe, die sich häufig von Erdberg aus aufmacht, um das Kunsthistorische Museum zu besuchen. Meist schließt sich den Exkursionen der Fanclub „Thomas Bernhard“an. Die Senioren in diesem Verein haben den alten Meister der höchst niederen deutschen Sprache angeblich noch leibhaftig vor Porträts italienischer Maler meditieren sehen.
Unsere Gruppe geht naturgemäß stets literarisch bewaffnet in die größte Kunsterziehungsanstalt des Landes. Neuerdings hatten wir ein passendes Zitat aus einem Roman dabei, der Mitte der Achtzigerjahre nicht nur in Österreich Furore machte. Apodiktisch kommt darin ein Herr Reger räsonierend rasch zum Schluss: „Das Geschäft der Kunsthistoriker ist das übelste Geschäft, das es gibt, und ein schwätzender Kunsthistoriker, und es gibt ja nur schwätzende Kunsthistoriker, gehört mit der Peitsche verjagt, aus der Kunstwelt hinausgejagt . . .“
Um dieses Vergnügen wurde unsere Jagdgesellschaft soeben gebracht. Der künftige Chef des KHM, ein Direttore Schmidt mit dem für Wiener fremd klingenden Vornamen Eike, hatte im letzten Moment vor Dienstantritt im November telefonisch abgesagt. Er wolle sein Amt in Wien nun doch nicht, sondern lieber in Florenz bleiben – in den Uffizien, einst ein Hort der Medici. (Wer über die obskuren Anfänge dieser Familie etwas wissen will, lese nach bei Machiavelli.)
Schmidt wird also nicht als KHMChef für die von ihm für 2020 angedachte Beethoven-Schau zur Verantwortung gezogen werden können. Allein jedoch die Vorstellung, dass ein Deutscher unser Bild eines hierzulande zum Titanen der Wiener Klassik geformten Komponisten hätte prägen sollen, ist an sich schon grässlich!
Sagen wir es offen: Die Herablassung, mit der ein Italo-Teutone über die höchst erfolgreiche bisherige Generaldirektorin sprach, im „Spiegel“etwa, bestätigt Vorurteile, die fast alle Nachbarn gegen Deutschland hegen. Onkelhaft lobte Schmidt Sabine Haag, inszenierte sein Taktieren für bestens dotierte Posten gar als Verzicht.
Man hätte gewarnt sein können. Eike ist eine Koseform für Namen, die mit „Ecke-“beginnen. Sie leitet sich von germanisch „agjo“¯ (Schwert) ab. Solche Condottieri sind fehl am Platz in Wien. Hier benötigt man einen feinen Taktstock. Nicht einmal zu einer Nebenfigur in Bernhards Kurzdramen taugte solch ein Eck. Im Bordone-Saal würde er neben Atzbacher, Irrsigler und Reger geradezu stumpf wirken.