Das ist keine Reise ins Disneyland
Wie sollen wir mit den Frauen – und ihren Kindern – umgehen, die für den IS kämpften? Sind sie Opfer – oder Mittäter?
Vor einigen Tagen habe ich auf einem arabischen TVKanal ein Interview mit einem zehn- bis zwölfjährigen IS-Buben gesehen. Der Journalist fragte ihn, wie er heiße, woher er komme, und was seine Träume seien. Der Bub lebt zurzeit mit seiner Mutter im Al-Hol-Camp und weiß nicht, wo sein Vater ist. Mit voller Naivität antwortete er, dass er auch für Allah sterben wolle.
Das Al-Hol-Camp wurde bereits in den 1990er-Jahren für palästinensische und irakische Flüchtlinge gebaut. Seit Beginn des Krieges gegen den IS 2015 ist das Lager wieder für Flüchtlinge geöffnet, aber nur für Angehörige der IS-Kämpfer. Es handelt sich nicht um ein Gefängnis im klassischen Sinne, sondern um ein Lager, in dem sowohl syrische und irakische als auch ausländische IS-Anhänger, darunter Engländer, Franzosen, Deutsche und Österreicher, auf engstem Raum nebeneinander leben. Sie dürfen sich im Lager zwar frei bewegen, es aber nicht verlassen. Allein in diesem Lager leben Schätzungen zufolge 73.000 Menschen, mehr als 90 Prozent davon sind Frauen und Kinder unter zwölf Jahren. Die Verhältnisse im Lager sind genauso schlecht, wie man sie sich vorstellt: Wasser und medizinische Versorgung sind kaum vorhanden.
Das Camp ist eine tickende Zeitbombe, die jederzeit explodieren kann. Am 1. Juli etwa hat dort eine IS-Großmutter ihre Enkeltochter verbrannt, weil diese sich geweigert hatte, die streng islamistische Kleidung des IS zu tragen. Zwei Tage später hat eine IS-Frau einen Wächter erstochen. Danach wurde eine Ausgangssperre verhängt.
Was macht man mit diesen Frauen und Kindern? Soll man sie zurück in ihre Heimatländer holen? Sind sie wirklich Opfer? Wenn die Frauen nicht – dann die Kinder? Sind IS-Frauen auch Mittäter? Man muss sich vor Augen führen, dass diese Frauen sich ganz bewusst und aus freien Stücken dem IS angeschlossen und dies meist lang geplant haben. Durch eine gut geplante Ausreise haben diese Frauen ihre Heimatländer für ihre Mission „Jihad“, neben ihren zukünftigen Männern zu kämpfen, verlassen. Das ist keine Reise ins Disneyland. Man nennt das sexuellen Jihad: auf arabisch „Jihad Alnukah“, bei dem die Frauen die nächste Generation für den Jihad gebären, um die Fortführung des Kampfes zu garantieren. Wenn ihre IS-Ehemänner sterben, müssen sie nach 40 Tagen (um eine mögliche Schwangerschaft abzuklären) eine Eheschließung mit einem anderen IS-Bräutigam einfordern. Sind diese Frauen mit einer solchen Ideologie wirklich bereit, wieder in einer säkularen Gesellschaft zu leben? Sind wir bereit, diese Frauen und ihre Kinder wieder aufzunehmen? Und was machen wir mit den Waisenkindern? Man muss dabei im Auge behalten, dass die Radikalisierung der Kleinen zwar keine chronische Krankheit ist, aber ihnen mit der Muttermilch eingeflößt wurde.
Urteil und Haft in Syrien
Die beste Lösung wäre, dass Personen, die in Syrien Straftaten begangen haben, von einem syrischen Gericht verurteilt werden und die Strafe in Syrien verbüßen. Falls IS-Frauen es schaffen, mit einem Schlepper nach Europa zu kommen, sollten diese sofort verhaftet werden und ihnen die Staatsbürgerschaft entzogen werden. Säuglinge und kleine Kinder unter zehn Jahren sollten die Möglichkeit haben, zurück zu ihren Familien zu kommen, um ihnen eine reale Chance auf ein normales Leben zu geben.
Als ich zuletzt im April in Raqqa war und mit meiner Familie über die Zukunft dieser IS-Gefängnisse gesprochen habe, meinte mein Vater: „Warum müssen wir in Raqqa den Dreck von der ganzen Welt übernehmen?“
Rasha Corti (* 1982 in Raqqa, Syrien) lebt seit 2009 in Ö. als Fremdenführerin und ist Mitglied des Expertenrats für Integration.