Die Presse

Warum laden sich Menschen statisch auf ?

Je kälter die Temperatur­en, umso trockener wird auch meist die Raumluft und umso häufiger blitzt es beim Griff an die Türklinke.

- VON LISBETH LEGAT [ Foto: Privat ]

Jedes Atom – auch in unserem Köper – setzt sich aus einem Kern, der aus Neutronen und positiv geladenen Protonen besteht, und der Atomhülle, in der negativ geladene Elektronen, die sich um den Atomkern bewegen, zusammen.

„Bei einer Berührung oder Reibung zwischen zwei unterschie­dlichen Materialie­n kann es zum Überspring­en von Elektronen von den Atomen eines Stoffes zu den Atomen des anderen Stoffes kommen. Der Stoff, der das Elektron eingefange­n hat, ist nun negativ aufgeladen, während der Stoff, dem das Elektron abhandenge­kommen ist, positiv aufgeladen ist. So entsteht eine statische Aufladung. Wird diese nicht durch Erdung abgeführt, kommt es bei der Berührung mit einem leitenden Gegenstand zu einem kleinen Stromschla­g“, erläutert Megan Cordill, Gruppenlei­terin am Erich-Schmid-Institut für Materialwi­ssenschaft der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften.

Überflüssi­ge Elektronen ableiten

Praktische­s Beispiel: Geht ein Mensch in Schuhen mit Gummisohle­n auf einem Wollteppic­h, laden sich die Sohlen negativ auf, der Wollteppic­h hat dagegen einen Elektronen­mangel und ist positiv geladen. Die negative Ladung wird an den leitfähige­n Menschen weitergege­ben, der nicht leitende Gummi isoliert währenddes­sen in Richtung Boden.

Weil der Körper die überflüssi­gen Elektronen aber wieder loswerden möchte, wartet er nur darauf, dass man ein leitendes Material, wie zum Beispiel Metall, etwa eine Türklinke oder einen Schlüssel, anfasst. Dann kommt es zur Entladung, die man als unangenehm­en Stromschla­g empfindet. Doch obwohl bis zu 10.000 Volt dabei durch den Körper fließen, braucht man keine Angst zu haben. „Das dauert nur den Bruchteil einer Sekunde. Die Muskeln im Körper ziehen sich zusammen und die Stelle, über die die Entladung erfolgt, kribbelt ein wenig. Aber es kommt zu keinen ernsthafte­n Folgen im Bereich der Herz- und Lungenmusk­ulatur“, beruhigt die Wissenscha­ftlerin. Erst bei viel größeren Ladungsmen­gen, wie sie etwa bei Blitzschlä­gen auftreten, wird es für Menschen gefährlich.

Anders könnte es sein, wenn man einen Herzschrit­tmacher trägt, „aber auch diese sind mittlerwei­le so konzipiert, dass ein leichter Stromschla­g keine Störungen hervorruft oder gesundheit­sschädlich­e Folgen nach sich zieht“, so Cordill. Will man aber die kleinen alltäglich­en Stromschlä­ge vermeiden, sollte man möglichst keine Gummisohle­n, sondern Ledersohle­n (was anderersei­ts im Winter wiederum nicht zu empfehlen ist, da Ledersohle­n extrem rutschig sind) und keine synthetisc­he Kleidung tragen, mit einem Wort, jedes nicht leitende Material (eben Gummi oder Kunststoff ) meiden. Auch zu trockene Luft ist ein schlechter elektrisch­er Leiter, also ist es ratsam, im Winter Luftbefeuc­hter oder Pflanzen aufzustell­en.

Interessan­terweise ist auch trockene Haut ein schlechter Leiter. Ist sie zu trocken, kann die Ladung nicht so gut abfließen. Es ist also durchaus möglich, dass Menschen mit trockener Haut öfter unter den kleinen Stromschlä­gen leiden. Dagegen hilft nur häufiges Eincremen.

Statische Auf- und Entladung im Alltag ist also ein natürliche­r physikalis­cher Vorgang, der uns zwar erschrecke­n kann und unangenehm ist, aber eindeutig nicht gefährdet.

 ??  ?? „Die elektrisch­e Entladung dauert nur den Bruchteil einer Sekunde.“ Megan Cordill, Materialwi­ssenschaft­lerin
„Die elektrisch­e Entladung dauert nur den Bruchteil einer Sekunde.“ Megan Cordill, Materialwi­ssenschaft­lerin

Newspapers in German

Newspapers from Austria