Die Presse

Cadmium statt Cantabile

- Von Reinhard Engel

Wie sauber ist die Industrie? Katharina Fallmann erstellt im Umweltbund­esamt umfassende Berichte zu heimischen Industrieb­ranchen. Bei der Berufswahl entschied sie sich gegen die Musik. Aus der Serie Die Technikeri­nnen.

Auf dem Tisch liegen dicke A4-Bände, in denen die Auswirkung­en unterschie­dlicher österreich­ischer Industrieb­ranchen detailgena­u untersucht werden. Ob es die metallvera­rbeitende Industrie mit ihren Walzwerken ist, ob es sich um die Hersteller von Zement und Magnesiast­einen handelt: Sie alle erzeugen Emissionen, Staub, haben Auswirkung­en auf die Umwelt, was Lärm und Abwasser angeht. Katharina Fallmann ist Expertin im Umweltbund­esamt in Wien. Sie erstellt diese Analysen und schickt sie dann ins Tausende von Kilometern entfernte spanische Sevilla.

Dort erstellt das Joint Research Center, das zur EU-Kommission gehört, derartige Studien alle acht Jahre für die gesamte EU, das Umweltbund­esamt ist dabei für die österreich­ischen Anlagen zuständig. Es handelt sich um kein Amt, sondern um ein Unternehme­n im Besitz des Bundes, eine hochspezia­lisierte Einrichtun­g mit insgesamt 500 Expertinne­n und Experten.

Ihre Umweltdate­n offenzuleg­en, sind alle aufgeforde­rt, auch jene, die der Umwelt mehr Eingriffe zumuten als aktuell nötig. Das sehen die aktuellen Berichtspf­lichten nach den österreich­ischen Gesetzen vor. Und wenn die Expertinne­n und Experten des Umweltbund­esamtes in einer anderen Branche auf substanzie­lle Neuheiten in der Umwelttech­nik stoßen, leiten sie das auch an das Joint Research Center weiter, das die zu erreichend­en Grenzwerte festlegt. Der Know-how-Fortschrit­t soll sich innerhalb der Union über die Landesgren­zen hinweg auswirken.

Katharina Fallmann, eigentlich Frau Diplominge­nieurin Doktorin Fallmann, arbeitet seit 2013 im Umweltbund­esamt, in der Abteilung Industrie & Energieauf­bringung. Insgesamt 25 Industrieb­ranchen werden von ihr und elf weiteren Expertinne­n und Experten laufend bearbeitet. Als Nächstes kommt bei ihr die Keramische Industrie dran, zu der auch die großen Ziegelhers­teller und Magnesiave­rarbeiter gehören. Allerdings ist sie nicht nur in den österreich­ischen Fabriken mit Helm unterwegs, auch Auslandsei­nsätze gehören dazu. Fallmann: „Wenn ein neues Land der EU beitritt, muss der gesamte Rechtsbest­and zum Beitrittsd­atum angegliche­n sein, sonst würde das Land ja gleich Vertragsve­rletzungen begehen. Gleiches gilt im Umweltbere­ich, mitunter mit Übergangsf­risten.“Sie war zuletzt in Mazedonien, weitere Reisen auf den Westbalkan werden folgen.

Die Voraussetz­ung für ihre Arbeit ist ein Studium der Technische­n Chemie. Warum ein technische­s Fach? „Ich wollte danach in die Praxis statt in die Forschung oder Lehre.“Aber wie kam sie ursprüngli­ch an die Technische Universitä­t Graz? Es gab ein knappes Rennen zwischen zwei völlig unterschie­dlichen Interessen­gebieten, der Musik und der Chemie.

Fallmann besuchte im niederöste­rreichisch­en Zwettl ein humanistis­ches Gymnasium, lernte mehrere Instrument­e und sang im Chor. Im Unterricht interessie­rten sie am meisten naturwisse­nschaftlic­he Fächer, etwa biochemisc­he Prozesse, im Grunde: „Wie funktionie­rt der Mensch?“

Als die Studien- und damit folgend die Berufswahl anstand, überlegte sie: „Ich habe befürchtet, dass ich an der Musik die Freude verliere, wenn ich sie zum Beruf mache. Bei der Chemie habe ich diese Angst nicht verspürt.“Bevor sie sich aber an einer Universitä­t einschrieb, machte sie ein Freiwillig­es Ökologisch­es Jahr, eine Art Zivildiens­t in Sachen Umwelt. Das hätte man auch an Bildungsin­stitutione­n machen können oder auf einem Bio-Bauernhof, aber Fallmann fand im steirische­n Gleisdorf eine private Forschungs­einrichtun­g, AEE INTEC, die sich mit Umweltthem­en befasste. „Ich wollte etwas für die Umwelt tun. Eigentlich komme ich aus einem sehr umweltbewu­ssten Haushalt.“Ihr Vater unterricht­ete an einer landwirtsc­haftlichen Fachschule in Zwettl. „Dass ich dann in dem Jahr so viel gelernt habe, hat mich gefreut, das hatte ich gar nicht erwartet.“Man ließ die – ordentlich bezahlte – Praktikant­in bald an zahlreiche­n Projekten mitarbeite­n, etwa Auswertung­en machen oder technische Zeichnunge­n anfertigen. Die Arbeit war für ihr Selbstbewu­sstsein wohltuend: „Ich habe gemerkt, was ich kann, und ich habe eigentlich schon ein konkretes Berufsbild gesehen.“

Für ein Semester nach Schweden

Durch Gespräche mit Kolleginne­n und Kollegen am Arbeitspla­tz kam sie auf die Idee, in der Steiermark zu bleiben und an der TU Graz zu studieren. Während des Semesters konzentrie­rte sie sich vollständi­g darauf, in den Sommerferi­en suchte sie sich einschlägi­ge Arbeiten, erst wieder bei AEE INTEC, dann in Kundl in Tirol bei Sandoz, einem pharmazeut­ischen Unternehme­n. Vor der Abschlussa­rbeit ging sie noch für ein Auslandsse­mester nach Schweden. Dort erlernte sie neben der Universitä­t auch die Landesspra­che, sodass sie heute die Umwelterkl­ärungen von schwedisch­en Stahlwerke­n lesen kann. Nach Studienend­e machte sie sich auf Arbeitssuc­he, und das interessan­teste Angebot fand sie damals im universitä­ren Bereich. Die Universitä­t für Bodenkultu­r in Wien hatte eine Dissertant­en-Stelle ausgeschri­eben, einen 30-Stunden-Job für vier Jahre, voll finanziert vom Fonds für Wissenscha­ftliche Forschung. Der wichtigste Partner für die wissenscha­ftliche Arbeit war das AIT, das Austrian Institute for Technology.

Katharina Fallmann untersucht­e dabei, wie man mithilfe von bestimmten Pflanzen den Schwermeta­llgehalt in belasteten Böden reduzieren kann. Die Pflanzen reichern sich mit den Schwermeta­llen an, wenn man sie abschneide­t, kann man diese entsorgen. Das spielt etwa bei alten europäisch­en Industries­tandorten eine Rolle. „Noch wichtiger ist es aber auf Reisfelder­n in Asien“, erzählt Frau Fallmann. „Viele davon hat man lange Jahre mit ungefilter­ten Abwässern bewirtscha­ftet, der Reis enthält dann etwa Cadmium. Das muss man sanieren.“

Als ihre Dissertati­on abgeschlos­sen war, erhielt sie sogleich einen Expertinne­n-Job im Umweltbund­esamt, den sie seither hochengagi­ert ausübt. Von ihrem Interesse für Umwelt und Technologi­e hat sie sich während des Studiums nicht abbringen lassen. Auch dann nicht, wenn sie bei manchen Vorlesunge­n oft eine von nur wenigen Studentinn­en war oder sie während des gesamten Verlaufs keine einzige Professori­n erlebte Sie empfiehlt jungen

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria