Wer im Nationalrat das Sagen hat
Heute erhält Sebastian Kurz den Regierungsauftrag. Aber selbst nach einer Koalitionsbildung wird im Parlament weiterverhandelt werden: etwa über Verfassungsmehrheiten oder neue U-Ausschüsse.
Wien. Der 7. Oktober ist für die Hofburg nicht immer ein angenehmes Datum gewesen. Heute vor 171 Jahren floh Kaiser Ferdinand infolge der Oktoberrevolution nach Olmütz. Am Ende musste der Kaiser, der es 1848 in seiner Verzweiflung gleich mit sechs verschiedenen Ministerpräsidenten versucht hatte, abdanken.
Heuer hält Österreich erst bei drei Regierungschefs (Sebastian Kurz, Hartwig Löger und Brigitte Bierlein). Und heute, Montag, werden in der Hofburg die Weichen dafür gestellt, dass Sebastian Kurz nach seiner „Vertreibung“aus dem Kanzleramt wieder in ebendieses zurückkehren kann. Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird Kurz um zehn Uhr mit der Regierungsbildung beauftragen. Der neue Nationalrat wird dann am 23. Oktober seine Arbeit aufnehmen.
Aber welche Machtverhältnisse werden im neu gewählten Parlament herrschen? Wer kann mit wem zusammen Gesetze beschließen, wer die Verfassung ändern und wer die Minderheitsrechte (U-Ausschuss, Sondersitzung, Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof ) nutzen? Ein Überblick.
Die Verfassung
Für Verfassungsänderungen benötigt man eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat. ÖVP, FPÖ und Neos haben wegen des schlechten Wahlergebnisses der Blauen ihre bisherige Zweidrittelmehrheit verloren. Eine Neuauflage der türkis-blauen Koalition brauchte für eine Verfassungsmehrheit künftig die Unterstützung von Rot oder Grün. Bei einem Regierungsbündnis von ÖVP und SPÖ könnte jede andere Fraktion als Mehrheitsbeschaffer für eine Zweidrittelmehrheit dienen. Eine türkis-grüne Koalition müsste entweder die SPÖ oder die FPÖ mit an Bord haben.
Die ÖVP hingegen kann im Alleingang Verfassungsänderungen verhindern.
Die Gesetze
Für einfache Gesetze reicht eine absolute Mehrheit, die jede der nun angedachten Zweierkoalitionen (Türkis mit Rot, Blau oder Grün) hätte. Nur die Neos sind zu klein, um als Mehrheitsbeschaffer für die ÖVP zu dienen.
Wenn sich in einem freien Spiel der Kräfte SPÖ, FPÖ und Grüne verbünden, könnten sie aber auch Gesetze gegen den Willen der ÖVP beschließen. Das wäre bei einer ÖVP-Minderheitsregierung relevant.
Bei einer Minderheitsregierung und bei einer türkis-grünen Koalition würde den Regierenden auch eine Mehrheit im Bundesrat fehlen. Die Länderkammer kann Gesetze aber nur verzögern. Eine Ausnahme sind Gesetze, die in die Rechte der Länder eingreifen. Diesfalls kann im Bundesrat bereits eine Sperrminorität von einem Drittel (diese hat neben der ÖVP auch die SPÖ allein inne) Novellen verhindern. Die SPÖ nutzte diese Möglichkeit bereits einmal, um Türkis-Blau einen Strich durch die Rechnung zu machen.
Die U-Ausschüsse
Die Austria Presse Agentur kam bei Durchrechnung der verschiedenen Parlamentsszenarien zum Schluss, dass künftig im Nationalrat „delikate Mehrheitsverhältnisse“herrschen. Spannend wird daneben freilich auch noch der Einsatz von Minderheitsrechten: So darf ein Viertel der Abgeordneten parlamentarische Untersuchungsausschüsse einsetzen. Die SPÖ hat durch die Mandatsverluste aber nicht mehr genug Abgeordnete dafür. Sie benötigt eine (beliebige) andere Fraktion als Mitstreiterin, wenn sie etwa zum Thema BVT einen neuen
Der Weg zum Höchstgericht
U-Ausschuss einsetzen will. Auch die FPÖ darf mit jeder beliebigen anderen Fraktion zusammen U-Ausschüsse einsetzen. Die ÖVP könnte allein parlamentarische Untersuchungen in die Wege leiten. Ein beim fechten. Drittel Verfassungsgerichtshof Allein der kann Abgeordneten das mit ihren kann (VfGH) National- Gesetze anratsabgeordneten nur die ÖVP machen, die das als vermutliche Regierungsparteigp jedoch kaum tun wird. Aber auch FPÖ, Grüne und Neos hätten gemeinsam ein Drittel. Für die SPÖ ist es einfacher, den Weg über den Bundesrat zu gehen. Denn auch hier gilt die Regel, dass ein Drittel der Mandatare Gesetze beim VfGH bekämpfenp darf. Und im Bunst di SP allein diese Minorität. Die Verhältnisse im Bundesrat können sich aber nach jeder Landtagswahl ändern.
Die Sondersitzung und die Klubs
20 Abgeordnete können eine Sondersitzung des Nationalrats einberufen. Ist ein Parlamentsklub kleiner, hat er dieses Recht trotzdem einmal pro Jahr. Somit kann jede Fraktion für Sondersitzungen sorgen. Nationalratsklubs umfassen mindestens fünf Abgeordnete. Sie müssen zu Beginn der Legislaturperiode gegründet werden. Eine spätere Bekanntgabe von Parlamentsklubs (wie einst beim Team Stronach) ist nicht mehr zulässig.