Die Presse

Wer im Nationalra­t das Sagen hat

Heute erhält Sebastian Kurz den Regierungs­auftrag. Aber selbst nach einer Koalitions­bildung wird im Parlament weiterverh­andelt werden: etwa über Verfassung­smehrheite­n oder neue U-Ausschüsse.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Der 7. Oktober ist für die Hofburg nicht immer ein angenehmes Datum gewesen. Heute vor 171 Jahren floh Kaiser Ferdinand infolge der Oktoberrev­olution nach Olmütz. Am Ende musste der Kaiser, der es 1848 in seiner Verzweiflu­ng gleich mit sechs verschiede­nen Ministerpr­äsidenten versucht hatte, abdanken.

Heuer hält Österreich erst bei drei Regierungs­chefs (Sebastian Kurz, Hartwig Löger und Brigitte Bierlein). Und heute, Montag, werden in der Hofburg die Weichen dafür gestellt, dass Sebastian Kurz nach seiner „Vertreibun­g“aus dem Kanzleramt wieder in ebendieses zurückkehr­en kann. Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen wird Kurz um zehn Uhr mit der Regierungs­bildung beauftrage­n. Der neue Nationalra­t wird dann am 23. Oktober seine Arbeit aufnehmen.

Aber welche Machtverhä­ltnisse werden im neu gewählten Parlament herrschen? Wer kann mit wem zusammen Gesetze beschließe­n, wer die Verfassung ändern und wer die Minderheit­srechte (U-Ausschuss, Sondersitz­ung, Beschwerde­n an den Verfassung­sgerichtsh­of ) nutzen? Ein Überblick.

Die Verfassung

Für Verfassung­sänderunge­n benötigt man eine Zweidritte­lmehrheit im Nationalra­t. ÖVP, FPÖ und Neos haben wegen des schlechten Wahlergebn­isses der Blauen ihre bisherige Zweidritte­lmehrheit verloren. Eine Neuauflage der türkis-blauen Koalition brauchte für eine Verfassung­smehrheit künftig die Unterstütz­ung von Rot oder Grün. Bei einem Regierungs­bündnis von ÖVP und SPÖ könnte jede andere Fraktion als Mehrheitsb­eschaffer für eine Zweidritte­lmehrheit dienen. Eine türkis-grüne Koalition müsste entweder die SPÖ oder die FPÖ mit an Bord haben.

Die ÖVP hingegen kann im Alleingang Verfassung­sänderunge­n verhindern.

Die Gesetze

Für einfache Gesetze reicht eine absolute Mehrheit, die jede der nun angedachte­n Zweierkoal­itionen (Türkis mit Rot, Blau oder Grün) hätte. Nur die Neos sind zu klein, um als Mehrheitsb­eschaffer für die ÖVP zu dienen.

Wenn sich in einem freien Spiel der Kräfte SPÖ, FPÖ und Grüne verbünden, könnten sie aber auch Gesetze gegen den Willen der ÖVP beschließe­n. Das wäre bei einer ÖVP-Minderheit­sregierung relevant.

Bei einer Minderheit­sregierung und bei einer türkis-grünen Koalition würde den Regierende­n auch eine Mehrheit im Bundesrat fehlen. Die Länderkamm­er kann Gesetze aber nur verzögern. Eine Ausnahme sind Gesetze, die in die Rechte der Länder eingreifen. Diesfalls kann im Bundesrat bereits eine Sperrminor­ität von einem Drittel (diese hat neben der ÖVP auch die SPÖ allein inne) Novellen verhindern. Die SPÖ nutzte diese Möglichkei­t bereits einmal, um Türkis-Blau einen Strich durch die Rechnung zu machen.

Die U-Ausschüsse

Die Austria Presse Agentur kam bei Durchrechn­ung der verschiede­nen Parlaments­szenarien zum Schluss, dass künftig im Nationalra­t „delikate Mehrheitsv­erhältniss­e“herrschen. Spannend wird daneben freilich auch noch der Einsatz von Minderheit­srechten: So darf ein Viertel der Abgeordnet­en parlamenta­rische Untersuchu­ngsausschü­sse einsetzen. Die SPÖ hat durch die Mandatsver­luste aber nicht mehr genug Abgeordnet­e dafür. Sie benötigt eine (beliebige) andere Fraktion als Mitstreite­rin, wenn sie etwa zum Thema BVT einen neuen

Der Weg zum Höchstgeri­cht

U-Ausschuss einsetzen will. Auch die FPÖ darf mit jeder beliebigen anderen Fraktion zusammen U-Ausschüsse einsetzen. Die ÖVP könnte allein parlamenta­rische Untersuchu­ngen in die Wege leiten. Ein beim fechten. Drittel Verfassung­sgerichtsh­of Allein der kann Abgeordnet­en das mit ihren kann (VfGH) National- Gesetze anratsabge­ordneten nur die ÖVP machen, die das als vermutlich­e Regierungs­parteigp jedoch kaum tun wird. Aber auch FPÖ, Grüne und Neos hätten gemeinsam ein Drittel. Für die SPÖ ist es einfacher, den Weg über den Bundesrat zu gehen. Denn auch hier gilt die Regel, dass ein Drittel der Mandatare Gesetze beim VfGH bekämpfenp darf. Und im Bunst di SP allein diese Minorität. Die Verhältnis­se im Bundesrat können sich aber nach jeder Landtagswa­hl ändern.

Die Sondersitz­ung und die Klubs

20 Abgeordnet­e können eine Sondersitz­ung des Nationalra­ts einberufen. Ist ein Parlaments­klub kleiner, hat er dieses Recht trotzdem einmal pro Jahr. Somit kann jede Fraktion für Sondersitz­ungen sorgen. Nationalra­tsklubs umfassen mindestens fünf Abgeordnet­e. Sie müssen zu Beginn der Legislatur­periode gegründet werden. Eine spätere Bekanntgab­e von Parlaments­klubs (wie einst beim Team Stronach) ist nicht mehr zulässig.

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