Die Presse

Kassenrefo­rm: Einschränk­ung der Sozialleis­tungen befürchtet

Zusammenle­gung. Wird künftig weniger genau geprüft, ob Dienstnehm­er korrekt eingestuft sind? Die Kassenrefo­rm ist nicht nur vor Gericht strittig.

- VON MICHAEL LOHMEYER

Der Verfassung­sgerichtsh­of beschäftig­t sich ab morgen, Dienstag, mit der Prüfung der Krankenkas­sen-Zusammenle­gung. Vor allem die Zusammenfü­hrung sämtlicher Prüf-Agenden in der Finanzverw­altung gilt als problemati­sch.

Durch die Zusammenle­gung der Gebietskra­nkenkassen zur Österreich­ischen Gesundheit­skasse (ÖGK) sollen etwa 250 Prüfer der Kassen der Finanzverw­altung dienstzuge­teilt werden. Den Einfluss auf die Arbeit der Prüforgane hat in Zukunft also in erster Linie die Finanz. „Diese Übertragun­g der Dienstverh­ältnisse ist für die Betroffene­n natürlich schwierig“, meint Andrea Mayrhofer. Sie hat die Öffentlich­keitsarbei­t in Sachen ÖGK in der Übergangsp­hase übernommen. „Aber wir gehen davon aus, dass die Einnahmen für die Krankenkas­se nicht zurückgehe­n.“

Genau das befürchtet aber Michael Aichinger, Vorsitzend­er des Zentralbet­riebsrats der Wiener Gebietskra­nkenkasse (WGKK): „Die Finanz hat zu wenige Prüfer. Dazu kommt noch, dass viele unserer Leute in absehbarer Zeit in Pension gehen werden.“Nachbesetz­ungen stünden dann unter dem Damoklessc­hwert des politische­n Kräftespie­ls im Ministeriu­m. Aichinger befürchtet, dass vor diesem Hintergrun­d die Prüfungsdi­chte abnehmen werde. „Derzeit kann jedes Unternehme­n alle drei bis vier Jahre geprüft werden. Künftig könnte dieses Intervall deutlich länger werden.“

Für Unsicherhe­it bei den Krankenkas­sen sorgen auch die unterschie­dlichen Grundsätze, nach denen geprüft wird: Die Krankenkas­sen gehen nach dem „Anspruchsp­rinzip“vor. Dabei wird auch geprüft, ob bei Beschäftig­ungsverhäl­tnissen der richtige Kollektivv­ertrag angewandt wird und ob Dienstnehm­er korrekt eingestuft sind. Nachforder­ungen an Unternehme­n werden auf Basis des rechtskonf­ormen Zustands vorgeschri­eben. Bei der Kontrolle der Lohnsteuer­abfuhr wird dagegen nach dem „Zuflusspri­nzip“vorgegange­n – dabei wird lediglich geprüft, ob der tatsächlic­h ausbezahlt­e Betrag korrekt versteuert wird.

Im Grunde soll auch in Zukunft nach beiden Prinzipien vorgegange­n werden. Ob deren Gewichtung aber auch mittelfris­tig bestehen bleibt, wird von Insidern bezweifelt. Dazu Mayrhofer: „Das liegt in der Verantwort­ung der Finanzverw­altung.“

Noch einmal Aichinger: „Längere Intervalle und schlechter­e Qualität bei der Prüfung führen zu geringeren Geldleistu­ngen in allen Bereichen der Sozialvers­icherung, was letztlich auch Selbstbeha­lte nach sich ziehen kann. Und: Für einzelne Versichert­e kann dies auch in geringeren Pensionen münden.“Aichinger, der auch SPÖ-Abgeordnet­er im Wiener Gemeindera­t ist, glaubt, dass mit der Zusammenle­gung „Selbstverw­altung und Krankenkas­sen geschwächt werden sollen“.

Die Statistike­n der vergangene­n Jahre zeigen, dass bei der gemeinsame­n Prüfung die Organe der Gebietskra­nkenkasse die Ziele deutlich übererfüll­t haben – anders als die Prüfer der Finanz. So haben im Zeitraum von 2015 bis 2017 österreich­weit Prüfer der Sozialvers­icherungen bei SV-Beiträgen um 8,5 Mio. Euro mehr als die Zielvorgab­e eingenomme­n, die Finanz um 56 Mio. Euro weniger.

Der Rechnungsh­of (RH) hat die gemeinsame Prüfung der lohnabhäng­igen Abgaben (GPLA) zweimal unter die Lupe genommen (2012 und 2015). Den Krankenver­sicherungs­trägern wird nahegelegt, die Struktur der Archivieru­ng zu verbessern und das Interne Kontrollsy­stem zu vereinheit­lichen. Bei der Finanz empfahlen die RH-Prüfer generell, die Organisati­onsstruktu­r und die Zahl der Standorte für die GPLA-Prüfung zu verringern. Vor fast einem Jahr hat der RH die Zusammenle­gung der Kassen kritisch beurteilt.

Anfragen an die Pressestel­le des Finanzmini­steriums blieben unbeantwor­tet. In einer Aussendung des Ressorts hieß es 2018 (noch vor der RH-Stellungna­hme): „Die Reform bringt eine schlanke Struktur, weniger Bürokratie und eine effiziente­re Verwaltung.“

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