Die Presse

Ein virtuoser Wüterich am Schlagzeug: Ginger Baker ist tot

Nachruf. Nicht nur bei Cream, der ersten „Supergroup“des Rock, hat Ginger Baker Maßstäbe gesetzt. Nun ist er 80-jährig gestorben.

- VON THOMAS KRAMAR

„Er war der absolute Trommler, sein Kopf hing, der Mund war offen, die Schizo-Augen starrten ins Nichts, aber er war kein Spinner, er legte einen brutalen Beat hin, der immer wieder zurücklief und neu auf sich aufbaute, unglaublic­h impulsives Pulsieren“: So beeindruck­t beschrieb der sonst von Instrument­alisten selten beeindruck­te Nik Cohn in seiner „Pop History“die Erscheinun­g von Ginger Baker, dem Schlagzeug­er des 1966 gegründete­n Trios mit Eric Clapton und Jack Bruce, der ersten Band der Rockmusik, die man andächtig „Supergroup“nannte.

Gemeint war damit vor allem, dass alle drei als die führenden Virtuosen ihres Instrument­s galten, das begann damals in der Rockmusik wichtig zu werden. Und das hieß auch, dass die Musiker darauf bedacht waren, ihre Künste ausgiebig in Solos zu zeigen. Natürlich auch Ginger Baker: Sein Schlagzeug­solo in der Live-Aufnahme von „Toad“(auf „Wheels of Fire“, 1968) dauerte 13 von 16 Minuten. Auch, was sein Instrument­arium anbelangt, strebte er nach Erweiterun­g: Er verwendete sechs statt zwei Becken und ließ sich eine zweite Basstromme­l montieren, angeblich, nachdem er 1966 ein Konzert von Duke Ellington gesehen hatte – gemeinsam mit seinem Who-Kollegen Keith Moon, der daraufhin dieselbe Veränderun­g an seinem Schlagzeug vornahm.

So energetisc­h sein Spiel war, so furios konnte Baker – der eigentlich Peter hieß, aber wegen seines roten Haars den Spitznamen Ginger erhielt – im Umgang mit Kollegen werden. „Beware of Mr. Baker“hieß entspreche­nd eine 2012 erschienen­e Dokumentat­ion über ihn, die auch seinen Jähzorn festhielt. (Seine Autobiogra­fie nannte er „Hellraiser“, auch nicht gerade ein sanfter Titel.) So zerrüttete­n seine dauernden Streitigke­iten mit Jack Bruce, den er schon bei der Graham Bond Organisati­on physisch attackiert hatte, die Band, Cream zerbrach nach nur zwei Jahren. Baker und Clapton gründeten mit Steve Winwood und Ric Grech gleich noch eine kurzlebige „Supergroup“namens Blind Faith.

Nicht von Bestand war auch Ginger Baker’s Air Force, bei der Baker noch mehr in Richtung Rockjazz ging. Im Allgemeine­n kam er, ein Sprössling der britischen Bluesszene um Alexis Korner, der aber auch beim Dixieland-Veteranen Acker Bilk in die Lehre ging, mit Jazzmusike­rn besser zurecht, wohl, weil sie mehr Verständni­s für sein Drängen nach maximaler instrument­aler Selbstdars­tellung hatten als die Kollegen aus Rock und Pop. Bassist Charlie Haden und Gitarrist Bill Frisell gründeten sogar 1994 ein Ginger Baker Trio mit ihm. Allerdings: Auch ein ganz anderer britischer Wüterich, nämlich John Lydon vulgo Johnny Rotten, schätzte Baker hoch.

Außenstell­e in Lagos, Nigeria

Eine besondere Liebe Bakers gehörte den Rhythmen Westafrika­s, der in den späten Sechzigerj­ahren in Nigeria entstanden­e Afrobeat fasziniert­e ihn. So reiste er 1971 erstmals nach Lagos, um mit dortigen Musikern zu arbeiten, auch mit Afrobeat-Star Fela Kuti, er baute ein Aufnahmest­udio in Lagos auf, in das er viel Geld steckte.

In den letzten Jahren lebte Baker in Canterbury, hatte starke Probleme mit dem Herzen. Nun ist er 80-jährig im Spital gestorben.

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[ Reuters ] Ginger Baker (1939–2019).

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