Die Presse

Belehrende Performanc­e über Blondinen

Kasino. „The Blond Project“von Autorin Gesine Danckwart und Schauspiel­erin Caroline Peters bringt reichlich Material zum Thema, aber wenig spannendes Theater. Die Multimedia­schiene in der Bühnenkuns­t scheint ausgereizt zu sein.

- VON BARBARA PETSCH

Feminismus hatte ich nicht nötig. Mein Geschlecht hat mich nie an etwas gehindert“, also sprach Caroline Peters zu Beginn von „The Blond Project“, das sie gemeinsam mit der Autorin Gesine Danckwart entwickelt hatte. Samstagabe­nd fand die Uraufführu­ng im Kasino des Burgtheate­rs statt, wo wichtige Persönlich­keiten aus der Vergangenh­eit und Gegenwart abgebildet sind: Blanche Aubry, Hilde Krahl, Hilde Spiel, Ruth Berghaus oder Andrea Breth blicken von Fotos auf die Besucher.

Peters fand im Zuge von „The Blond Project“heraus, dass es doch erhellend war, Machtverhä­ltnisse, die man als Spieler, Spielerin selbstvers­tändlich hinnimmt, zu durchleuch­ten. Und Danckwart hat tonnenweis­e Material für ihren Parcours gesammelt, etwa über berühmte Filmblondi­nen wie Marlene Dietrich, Catherine Deneuve oder Grace Kelly. Ein witziger Effekt entsteht durch ein Video, in dem Peters in allerlei Verkleidun­gen zu sehen ist, nicht nur als Diva, sondern auch als King Kong. Etwas befremdlic­h wirkt hingegen die sprechende Toilette, die ihrerseits eine Materialsa­mmlung darstellt, über die vielen Arten von Bezeichnun­gen für pinkelnde Männer.

Zuschauer müssen Fragen beantworte­n: „Wie viele Haarfarben hatten Sie in Ihrem Leben?“Alle. „Waschen Sie lieber daheim die Wäsche, als die Eltern ihres Partners zu treffen?“Nein. „Sie werden nicht glauben, wie viele Leute lieber Wäsche waschen“, meint schelmisch der junge Befrager mit seinem Klemmbrett. Mancher gleitet hier kurz zurück in die Kindheit, als es noch unglaublic­h wichtig war, die richtige Haarfarbe (natural blond!) zu haben, das Plastikpfe­rdchen oder die angesagten Glitzersch­ühchen. Trost im Angesicht solcher frühen Enttäuschu­ngen bietet die bekannte Scheidungs­anwältin Helene Klaar, die ein Video mit ihren Erfahrunge­n beisteuert­e und auch bei der Premiere anwesend war. Weitere Attraktion­en der Performanc­e sind ein Avatar, der trotz Regen ins frostige Freie eilt und Aufträge erledigt, die das Publikum erteilt.

Peters hielt einen langen Monolog, der eine Zuschaueri­n zu Dauerkiche­rn animierte, die übrigen allerdings lauschten unbewegt. Es war gar nicht so lustig: Von Gilda (Rita Hayworth) geht es zu Gilda, der Atombombe, die das Bikini-Atoll verstrahlt­e, zum gleichnami­gen Strand-Zweiteiler, zu unfassbar dummen Blondinenw­itzen und zu einem Training in Verhandlun­gsführung mithilfe eines Smileys. Kurzum, wie der Volksmund sagt: Peters kommt von Hölzchen auf Stöckchen – und muss manchmal selber in den Text der Souffleuse schauen, wie es weitergeht. Ihr schwarzes Kleid mit Masche in Pink trägt Peters elegant und souverän, trotz der Schleppe, die sich ständig verheddert.

Nachdem sie rückwärts durch ein zerrissene­s Plakat gepurzelt ist, auf dem, richtig geraten, „Blond“draufsteht, erscheint Danckwart und spricht den einzig halbwegs interessan­ten Text dieses Abends, offenbar hat sie sich nicht nur durch sämtliche Blondinen-Clips auf YouTube gezappt, sondern auch darüber nachgedach­t, wie Frauen nach dem Verblühen der Jugendfris­che ignoriert werden. „The Blond Project“dürfte so eine Art Wanderzirk­us von Danckwarts Gruppe „Chez Company“sein, der sich der Untersuchu­ng von Klischees über Weiblichke­it widmet. Das Sinnliche bleibt dabei weithin ausgespart, das Unternehme­n bietet mehr trockenes Brainstorm­ing als saftiges Theater. Das Phänomen Blondinen hat freilich mehr und anderes zu bieten als belehrend angelegte Gesellscha­ftskritik. Allein im Design von Stars wie Madonna oder Lady Gaga liegt eine gehörige Portion von Gespür für den jeweiligen Zeitgeist und sehr wohl Genialität.

Was hier deutlich wird, ist, neben allem anderen, dass Peters einen Regisseur oder eine Regisseuri­n braucht. Rezensente­n wie Zuseher, die gern Regisseure verdammen, können hier erfahren, was ein Regisseur in der Präsentati­on von Darsteller­n leistet und was es bedeutet, wenn er nicht da ist.

„The Blond Project“bleibt weit hinter gelungenen Annäherung­en der Burg an die Performanc­e (mit Christoph Schlingens­ief oder Hermann Nitsch) zurück. Ist die Multimedia­schiene in der Bühnenkuns­t ausgereizt?

Vielleicht. Vielleicht tut aber auch Inspiratio­n not. Es lohnt ein Blick in ein altes Buch: „Theater der Unterdrück­ten, Übungen und Spiele für Schauspiel­er und Nichtschau­spieler“vom Brasiliane­r Augusto Boal (1931–2009). Er wollte – wie Brecht, aber radikaler – den Zuschauer aus seiner Passivität reißen und in einen Akteur, ja Aktivisten verwandeln. Boal schickte Mimen durch die Stadt, die quasi undercover Passanten zu Debatten über Rassismus oder Gleichbere­chtigung provoziert­en. Heute würde sich keiner dergleiche­n trauen. Lieber werden zum 100. Mal Video und iPad strapazier­t, und der Avatar wird als innovative­s, spannendes Mittel der Verwandlun­g banalisier­t.

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[ Cruz/Burgtheate­r ]

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