Bruckner, außergewöhnlich
Konzerthaus. Jubel für Christian Thielemann und die Philharmoniker.
Dreimal Bruckners Achte mit den Wiener Philharmonikern unter Christian Thielemann – in ungewöhnlicher Abfolge: Nach dem Samstagnachmittagstermin des philharmonischen Abonnementkonzerts im Musikverein folgte nun eine Sonntagsmatinee im Konzerthaus, als glänzender Auftakt des dortigen Zyklus „Meisterwerke“; erst eine Woche später kommt das Publikum im Goldenen Saal wieder zum Zug.
Doch was ist schon gewöhnlich an den Bruckner-Interpretationen Thielemanns, der zudem ab Donnerstag in der Staatsoper wieder Strauss’ „Frau ohne Schatten“leitet? Die Philharmoniker kleiden die Partitur jedenfalls mit aller denkbaren Hingabe in Gold, Samt und Seide. Doch Schönklang bildet hier keineswegs die oberste Maxime, sondern eine klare Dramaturgie. Bruckners monumentale, fürs Orchester anstrengende Achte ist in der von Thielemann bevorzugten Haas-Edition der Zweitfassung sogar noch ein bisschen länger, weil darin einige kleinere Striche oder verkürzende Alternativpassagen wieder eliminiert sind, die Bruckner bei seiner Überarbeitung für nötig erachtet hat. Das ermöglicht einen noch überzeugenderen, natürlicheren Fluss.
Auf den versteht sich Thielemann exemplarisch. Doch zunächst gilt es, sein Pulver nicht frühzeitig zu verschießen. Wenn das düstere Hauptthema des Stirnsatzes im Blech zum bloßen Rhythmus erstarrt, dann wird trotz Fortefortissimo nicht alles niedergedröhnt: Die Stelle ist eine gewaltige Mahnung, aber nicht das Jüngste Gericht selbst. Hier wie überall gibt es kein Schleppen – oder gar zerfließende Weihezelebrationen a` la Celibidache: Nach dem zwischendurch elfenhaft flirrenden, nirgends klobig stampfenden Scherzo merkt man dem Adagio gewiss nicht an, dass es eine halbe Stunde dauert, es entwickelt sich wie aus einem Guss. Den tristanesk schwebenden Begleitrhythmus stellen die Streicher zu Beginn fast überdeutlich vor, dafür darf er im weiteren Verlauf weich, beinah mystisch verschwimmen.
Apropos Mystik: Das ist im Ganzen kein Bruckner, dessen Konturen im Weihrauchnebel verschwimmen würden, im Gegenteil. Denn manchmal ragen die Einwürfe der treffsicheren Hörner oder der fast ideal noblen Wagnertuben kantiger, trotziger hervor, als man erwartet hätte. Diesseitige Kämpfe, Größe und die Ahnung der Transzendenz erscheinen also gleich gewichtet – und die Steigerungen erwachsen daraus in untrüglichem Timing und mit schönster Kraft.