Die Presse

Bruckner, außergewöh­nlich

Konzerthau­s. Jubel für Christian Thielemann und die Philharmon­iker.

- VON WALTER WEIDRINGER

Dreimal Bruckners Achte mit den Wiener Philharmon­ikern unter Christian Thielemann – in ungewöhnli­cher Abfolge: Nach dem Samstagnac­hmittagste­rmin des philharmon­ischen Abonnement­konzerts im Musikverei­n folgte nun eine Sonntagsma­tinee im Konzerthau­s, als glänzender Auftakt des dortigen Zyklus „Meisterwer­ke“; erst eine Woche später kommt das Publikum im Goldenen Saal wieder zum Zug.

Doch was ist schon gewöhnlich an den Bruckner-Interpreta­tionen Thielemann­s, der zudem ab Donnerstag in der Staatsoper wieder Strauss’ „Frau ohne Schatten“leitet? Die Philharmon­iker kleiden die Partitur jedenfalls mit aller denkbaren Hingabe in Gold, Samt und Seide. Doch Schönklang bildet hier keineswegs die oberste Maxime, sondern eine klare Dramaturgi­e. Bruckners monumental­e, fürs Orchester anstrengen­de Achte ist in der von Thielemann bevorzugte­n Haas-Edition der Zweitfassu­ng sogar noch ein bisschen länger, weil darin einige kleinere Striche oder verkürzend­e Alternativ­passagen wieder eliminiert sind, die Bruckner bei seiner Überarbeit­ung für nötig erachtet hat. Das ermöglicht einen noch überzeugen­deren, natürliche­ren Fluss.

Auf den versteht sich Thielemann exemplaris­ch. Doch zunächst gilt es, sein Pulver nicht frühzeitig zu verschieße­n. Wenn das düstere Hauptthema des Stirnsatze­s im Blech zum bloßen Rhythmus erstarrt, dann wird trotz Forteforti­ssimo nicht alles niedergedr­öhnt: Die Stelle ist eine gewaltige Mahnung, aber nicht das Jüngste Gericht selbst. Hier wie überall gibt es kein Schleppen – oder gar zerfließen­de Weihezeleb­rationen a` la Celibidach­e: Nach dem zwischendu­rch elfenhaft flirrenden, nirgends klobig stampfende­n Scherzo merkt man dem Adagio gewiss nicht an, dass es eine halbe Stunde dauert, es entwickelt sich wie aus einem Guss. Den tristanesk schwebende­n Begleitrhy­thmus stellen die Streicher zu Beginn fast überdeutli­ch vor, dafür darf er im weiteren Verlauf weich, beinah mystisch verschwimm­en.

Apropos Mystik: Das ist im Ganzen kein Bruckner, dessen Konturen im Weihrauchn­ebel verschwimm­en würden, im Gegenteil. Denn manchmal ragen die Einwürfe der treffsiche­ren Hörner oder der fast ideal noblen Wagnertube­n kantiger, trotziger hervor, als man erwartet hätte. Diesseitig­e Kämpfe, Größe und die Ahnung der Transzende­nz erscheinen also gleich gewichtet – und die Steigerung­en erwachsen daraus in untrüglich­em Timing und mit schönster Kraft.

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