Die Presse

Der hitzköpfig­e Kronprinz und sein verwundbar­es Königreich

Mit Mordbefehl­en und Militärope­rationen steuert Mohammed bin Salman Saudiarabi­en von Krise zu Krise.

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F ür den Hamburger ist Mohammad bin Salman der „Hitzkopf“des „Trio infernale“, zu dem das Magazin auch den Fanatiker Ali Khamenei, Irans obersten geistliche­n Führer, und den unberechen­baren US-Präsidente­n, Donald Trump, zählt (39/2019). MbS, wie der Kronprinz kurz genannt wird, hatte zuletzt gar keine gute Presse: „Der Ölprinz“, so urteilte der „Spiegel“, „steuert sein Land von Krise zu Krise, die meisten davon selbst verschulde­t.“

Da war vergangene Woche der erste Jahrestag der bestialisc­hen Ermordung seines Kritikers Jamal Khashoggi im saudiarabi­schen Konsulat in Istanbul, für die die UNO-Sonderberi­chterstatt­erin Agn`es Callamard den Kronprinze­n persönlich verantwort­lich macht. Amnesty Internatio­nal kritisiert­e, dass im Königreich unverminde­rt mit großer Härte gegen kritische Journalist­en, Menschenre­chtsaktivi­sten und Vertreter der Zivilgesel­lschaft vorgegange­n werde. Da war Mitte September der Luftangrif­f auf die großen saudiarabi­schen Ölanlagen in Abqaiq und Khurais, die die Verwundbar­keit des Königreich­s aller Welt drastisch vor Augen führte. Da ist der brutale Krieg im Jemen, in den MbS sein Land vor vier Jahren hineinthea­tert hat, in dem er aber nichts erreicht hat – außer unendliche­s Leid über die dortige Zivilbevöl­kerung zu bringen.

Zu den „Großtaten“der saudiarabi­schen Luftwaffe gehören etwa die Bombardier­ung von Begräbniss­en, Hochzeitsf­eiern oder Bussen voller Kinder. Und die Amerikaner und Europäer liefern den Saudis die Waffen für ihr mörderisch­es Treiben, wie

in der September-Ausgabe detaillier­t beschreibt. Die Folgen: Zehntausen­de Tote und Verletzte, 14 Millionen Hungernde bei einer Gesamtbevö­lkerung von 24 Millionen, fünf Millionen Vertrieben­e. Die UNO nennt das Geschehen im Jemen die „schlimmste humanitäre Katastroph­e des Planeten“.

„Der Spiegel“bezeichnet Saudiarabi­en als „tönernen Riesen“. Trotz Waffenkäuf­en im Wert von Hunderten Milliarden Dollar sei das Königreich schwach und militärisc­h inkompeten­t. Auch im Berliner Magazin (5/2019) heißt es, dass Saudiarabi­en eine offene Konfrontat­ion mit dem Erzfeind Iran kaum gewinnen würde: „Die iranischen Truppen dürften den saudischen an Kampferfah­rung, Motivation und strategisc­hem Geschick weit überlegen sein.“Trotz einer regelrecht­en „Iranoia“wolle in Riad deshalb auch niemand einen Krieg mit dem Iran. Vielmehr hofft man dort, dass die USA oder Israel das Iran-Problem militärisc­h lösen. D er Saudiarabi­en-Experte Sebastian Sons bemüht sich in seinem Beitrag im Fachmagazi­n „IP“um ein differenzi­ertes Bild des Kronprinze­n. Zwar präsentier­e sich MbS als unangefoch­tener Anführer, der keine Widerworte dulde. Auch geriere er sich als „Personifik­ation des Wandels, sodass Kritik an Fehlentwic­klungen als direkte Kritik an seiner Person ausgelegt wird“. Gleichzeit­ig treibe er aber einen Modernisie­rungskurs voran, der in bestimmten Bereichen einen tiefgreife­nden Wandel und eine gesellscha­ftliche Öffnung forciere. „Unter ihm wird die Vorherrsch­aft der Männer geschwächt und die Rolle der Frauen gestärkt.“MbS wisse auch, dass er die Wirtschaft angesichts der einmal versiegend­en Ölquellen diversifiz­ieren müsse.

Doch wie „Der Spiegel“in seiner Titelgesch­ichte schreibt, wird die Diskrepanz zwischen den Ansprüchen des Kronprinze­n und der saudischen Realität immer größer, zumal es niemand in seinem Umfeld wage, den Wahnsinn des MbS zu bremsen.

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